Jahresrückblick 2021Ein Jahr netzpolitik.org in Zahlen und Themen

935.007, 1.022 und 176 – unser Jahresrückblick verrät, was sich hinter diesen Zahlen verbirgt. Die wichtigsten, netzpolitischen Themen des Jahres von Plattform- bis Pornoregulierung.

Hintergrund: Zahlen, Vordergrund: Feuerwerk
Bilder von Feuerwerk sind weiterhin erlaubt. – geralt | RENXIN PAN

Welche Texte wir in diesem Jahr am liebsten gelesen haben, wisst ihr schon. Einen Jahresrückblick zum Hören haben wir hier veröffentlicht. Fehlt noch der Rückblick auf die Zahlen und wichtigsten Themen des Jahres.

2021 haben wir bis zum 28. Dezember 1.022 Artikel mit insgesamt 935.007 Wörtern publiziert. Die meisten davon sind im November erschienen (98), die wenigsten im April (68). Insgesamt 36 Autor:innen gab es im letzten Jahr, dazu 52 Gastbeiträge, die uns immer wieder mit ihren Perspektiven und Themen bereichern. Unser festes Team besteht mittlerweile aus 17 Personen. Dazu kommen einige freie Schreiber:innen. Wir haben in diesem Jahr 23 Podcasts veröffentlicht, jede Woche erscheint unser netzpolitischer Wochenrückblick als Newsletter.

Unsere meistgeklickten Artikel

Unsere Leser:innenzahl ist stabil geblieben, etwa drei Millionen Zugriffe zählen wir pro Monat, sagt unser IT-Team. Viele Daten haben wir über euch nicht, aber ein paar Trends konnten wir ablesen. Am meisten interessiert hat euch der Artikel zu den neuen WhatsApp-Geschäftsbedingungen aus dem Januar – 227.595 Mal wurde der abgerufen. Und das sind die gesamten Top 10 aus dem Jahr 2021:

  1. Neue WhatsApp-AGB: Shoot the Messenger 227.592 Abrufe
  2. Die Basis: Eine schrecklich nette Partei 161.090 Abrufe
  3. Microsoft 365: So überwachen Chefs eure Produktivität am Arbeitsplatz 131.825 Abrufe
  4. #allesdichtmachen-Initiator: Volker Bruch stellte Mitgliedsantrag bei Querdenker-Partei 123.122 Abrufe
  5. TKG-Novelle: Seehofer will Personalausweis-Pflicht für E-Mail und Messenger einführen 111.683 Abrufe
  6. Bundespolizeigesetz: Große Koalition einigt sich auf Staatstrojaner-Einsatz schon vor Straftaten 111.454 Abrufe
  7. „Wolfsgeist“: Wie Huawei seine Angestellten in Europa kontrolliert 110.286 Abrufe
  8. NRW: Laschet-Regierung will Demonstrierende wie Kriminelle behandeln 107.635 Abrufe
  9. Julian Assange: Die Rache der CIA 107.180 Abrufe
  10. #allesdichtmachen: Auf die Fresse 101.653 Abrufe

Die Top-Themen des Jahres

Wie im Jahr zuvor hat uns auch 2021 die Pandemie stark beschäftigt. Zu Beginn des Jahres tauchte die Luca-App auf uns versprach uns einen Ausweg aus der Pandemie. Schon zu Beginn gab es viel Skepsis: Wozu noch eine App neben der Corona-Warn-App? Ist die Luca-App wirklich so sicher wie sie verspricht? Dass es zunächst ruckelte in puncto Open Source und Lizenzen hat nicht zum Vertrauen beigetragen. Viele Bundesländer kauften dennoch teure Lizenzen.

Am Ende brachte die App weniger als man sich vielleicht zu Beginn erhofft hatte und die Corona-Warn-App konnte wieder Boden gutmachen. Vorbei ist das Thema noch lange nicht und wir bleiben auch im neuen Jahr dran.

Pandemie und die sonstige Gesundheit

Im November hat uns ein weiteres Pandemiethema stark beschäftigt. Was tun bei einer roten Warnung in der CWA? Das Versprechen vom unkomplizierten PCR-Test stellte sich als nicht ganz so einfach heraus, aus eigener Erfahrung und durch Berichte von anderen wussten wir von Schwierigkeiten, sodass wir dem Problem gleich vier Artikel gewidmet haben.

Nicht nur in den Gesundheitsämtern und der Pandemiebekämpfung ging die Digitalisierung 2021 schleppend voran, auch im Rest des Gesundheitswesens laufen digitale Projekte oft eher mittelprächtig. Meist mit dabei war Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn. Etwa beim Patientendatenschutz, dem E-Rezept, das nun doch noch nicht kommt. Das Fazit: Viele seiner Digitalprojekte wurden ganz schön vergeigt.

Regulieren oder soll man es lassen?

Viele Diskussionen gab es 2021 auch um die Regulierung von Social-Media-Plattformen. Mit Donald Trump verlor ein prominenter Falschnachrichtenverbreiter zu Beginn des Jahres nach der Stürmung des Kapitols seine reichweitenstarken Kanäle. Aber ist sogenanntes De-Platforming die Lösung? Wir haben dem Thema auch einen Podcast gewidmet und die unterschiedlichen Meinungen aus der Redaktion aufbereitet. Das Thema kam immer wieder auf, etwa bei Massenlöschungen von Querdenken-Kanälen.

Die besonders zu Jahresende hitzig geführte Diskussion über den Messenger Telegram begann schon im Februar. Zu den Kernfragen gehört, ob Telegram unter das NetzDG fällt und was angemessene Möglichkeiten sind, dem Hass auf der Plattform beizukommen. Technische Lösungen allein werden es wohl nicht sein, denn das Problem mit Hass ist größer als die Plattform.

Top Ten der Artikel von 2021
Das habt ihr am meisten gelesen.

Ein wichtiges Vorhaben zur Plattformregulierung ist das Digitale-Dienste-Gesetz, das auf EU-Ebene für klarere Regeln sorgen soll. Es soll die großen Player bei der Inhaltemoderation stärker in die Pflicht nehmen und personalisierte und manipulierende Werbung ein bisschen mehr einschränken.

Im Lauf des Jahres hat das EU-Parlament seine Position zum Digitale-Dienste-Gesetz immer weiter ausgearbeitet. Nächstes Jahr müssen sich dann Kommission, Rat und Parlament einigen, es bleibt spannend.

Einen ähnlichen Namen hat das Digitale-Märkte-Gesetz, der Fokus ist aber ein etwas anderer. Es soll unter anderen unfairen Praktiken der Digitalgiganten einen Riegel vorschieben. Mit in der Werkzeugvorschlagskiste: die Pflicht zur Interoperabilität.

Aufreger Chatkontrolle

Für viel Aufregung haben die Pläne der EU-Kommission für die sogenannte Chatkontrolle gesorgt. Das Prinzip: Inhalte werden auf dem Gerät durchleuchtet, bevor sie beispielsweise verschlüsselt verschickt werden. Das ganze soll der Bekämpfung von Kindesmissbrauch dienen. Zuvor hatte Apple mit Scan-Plänen für Proteste gesorgt – und sie dann kurzerhand verschoben.

Was uns aus Brüssel noch so beschäftigte: die schon jahrealten Pläne für ein einheitliches Ladekabel, zu denen wir Dokumente veröffentlichten. Um weniger Müll zu produzieren könnte auch ein Recht auf Reparatur helfen. Frankreich hat schonmal vorgelegt.

Die EU beschloss außerdem ein Gesetz gegen Terrorpropaganda im Netz und arbeitet an Regeln für den Einsatz Künstlicher Intelligenz.

„Frau von der Leyen, wann dürfen wir Ihre SMS lesen?“, fragte Alexander Fanta im Januar. Eine abgelehnte Informationsfreiheitsanfrage und eine Beschwerde bei der EU-Ombudsperson später hieß es im Dezember: leider gar nicht.

Last Minute im Bundestag

Gesetzverabschiedungsmäßig läuft im Jahr vor Bundestagswahlen erfahrungsgemäß noch so einiges. In diesem Jahr dabei: die umstrittene Bestandsdatenauskunft, die nach einem Gerichtsurteil geändert werden musste. Die Große Koalition hat die Änderungen gegen die Meinung von Expert:innen durchgeboxt, der Bundesrat ließ es schließlich durchfallen, am Ende wurde mit leicht erhöhten Abfragehürden etwas nachgebessert.

Daneben standen Staatstrojaner hoch im Kurs. Alle 19 Geheimdienste bekamen die Erlaubnis zur Quellen-TKÜ. Die Bundespolizei sollte Trojaner präventiv einsetzen dürfen, doch daraus wurde am Ende nichts.

Außerdem auf der Gesetzesliste stand die Registermodernisierung, mit der es eine einheitliche Nummer für alle geben wird. Dann kam noch die Strafbarkeit von Feindeslisten, die im Entwurf noch ziemliche Kollateralschäden mit sich gebracht hätte. Zum Glück wurde dann noch nachgebessert.

Alles können wir nicht aufzählen, aber ebenso durch den Bundestag gingen: ein neues BND-Gesetz mit noch mehr Befugnissen, mehrere Überarbeitungen von verschiedenen Aspekten des Telekommunikationsgesetzes, eine Urheberrechtsnovelle inklusive Uploadfilter, eine Überarbeitung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (gegen die Plattformbetreiber vorgehen), ein eID-Gesetz, Kennzeichen-Scanner.

Sommerloch ist ausgefallen

Nach dem Gesetzesendspurt fiel das Sommerloch dieses Jahr aus, denn es war Wahlkampf. Aus diesem Anlass haben wir uns Wikipedia-Artikel von Bundestagsabgeordneten angeschaut, Wahlprogramme verglichen und Meme-Kanäle analysiert. Nach der Wahl ging es weiter: Wer sind die alten und neuen Digitalpolitiker:innen, was sollte sich bei der Wahlberichterstattung ändern?

Am Ende stand eine Bilanz der Digital-Ära Merkel und eine gemeinschaftliche Analyse des Koalitionsvertrags, das Urteil fiel vorsichtig optimistisch aus. Umso mehr Grund, im nächsten Jahr genau zu verfolgen, was aus den Zielen der neuen Regierung wird und was sich die neuen Minister:innen des Kabinetts Scholz als erstes vornehmen!

Mehr Überblick bei Überwachung

Wer bei Überwachungsgesetzen der bisherigen Regierungen den Überblick verliert, kann sich in unserem Dossier dazu etwas Orientierung abholen. Und vielleicht wird es auch bald was mit der Überwachungsgesamtrechnung, dann gäbe es diesen Überblick sogar offiziell.

Bei der Vorratsdatenspeicherung war alles wie immer: Es gab sowohl neue Anläufe und Ideen für eine massenhafte Speicherung von Kommunikationsdaten als auch diverse Gerichtsurteile dagegen. Immerhin: Unser neuer Justizminister ist offenbar kein Fan des Überwachungsgesetz-Zombies.

Im Juli enthüllte ein Rechercheteam das Ausmaß der Überwachung durch den Pegasus-Trojaner von NSO Group. Noch immer werden neue Ziele bekannt, zuletzt Oppositionelle aus Polen. Auch das Bundeskriminalamt und der Bundesnachrichtendienst sollen Pegasus nutzen. Die NSO Group ist schon vorher in Erscheinung getreten, etwa bei einem Hack von WhatsApp.

Die meisten Kommentare hatte ein Gastbeitrag

Viele Reaktionen hat der Gastbeitrag des Schülers Lukas Wagner hervorgerufen. 176 Kommentare und damit die meisten in diesem Jahr gab es unter seinem Artikel zu „Datenschutz an Schulen: Microsoft Teams oder Nichts“. Die Digitalisierung der Schulen und Hochschulen hat uns auch anderweitig beschäftigt, sei es beim digitalen Brockhaus, bei Schul-IT im Ländle oder dem langsam tröpfelnden Geld aus dem Digitalpakt.

Ein diesjähriger Recherche-Schwerpunkt waren Pornos und ihre Plattformen. Deren Chefs stellen sich nur ungern öffentlicher Kritik und würden offenbar am liebsten im Verborgenen bleiben. Spoiler: Ganz geklappt hat das nicht. Sollte es auch wohl nicht, denn sie tragen eine Menge Verantwortung, etwa für ungewollte Nacktaufnahmen auf ihren Seiten.

Währenddessen versuchen Jugendschützer:innen die Plattformen an die Leine zu nehmen und drohen mit Netzsperren, wenn die nicht kooperativ sind und effektive Alterskontrollen durchführen.

Kein Jahr ohne ein paar gute Nachrichten

Eine andere große Recherche gab es zu Datenschutz-Einwilligungen bei O2. Viele Kund:innen mussten im Nachhinein feststellen, dass sie angeblich Einwilligungen gegeben hatten, an die sie sich nicht mehr erinnern. Irgendwas schien da schiefzulaufen und wir haben genauer nachgeforscht. Mittlerweile hat O2 Maßnahmen ergriffen, um das Problem zu verbessern. Ob das reicht, wird sich zeigen.

Wie in jedem Jahr gab es auch 2021 denkwürdige Sicherheitslücken und häufig einen noch denkwürdigeren Umgang damit. Etwa bei der Wahlkampf-App CDU Connect, woraufhin die CDU die verantwortungsvolle Finderin anzeigte. Das Verfahren wurde zum Glück eingestellt. Auch bei ID Wallet lief einiges schief, kurz nach der Bekanntgabe war die App zum digitalen Ausweisen wieder weg. Ob da noch was kommt? Wir sind gespannt.

Damit ihr am Ende dieses Textes nicht niedergeschlagen zurückbleibt, manches läuft auch gut da draußen. Da sind zum Beispiel die Digitalbotschafter:innen, die älteren Menschen bei ihren ersten Schritten ins Netz unterstützen. Das EU-Parlament sprach sich gegen biometrische Massenüberwachung aus. Und unser Team wurde mit dem Fritz-Bauer-Preis ausgezeichnet, das freut uns sehr!

Alles können wir hier nicht aufzählen, daher freuen wir uns, wenn ihr in die Kommentare schreibt, welches netzpolitische Thema für euch dieses Jahr am wichtigsten war.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

0 Ergänzungen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.