RegistermodernisierungJetzt kommt die Nummer, mit der staatliche Datenbanken zusammengeführt werden können

Der Bundestag will heute entgegen starker verfassungsrechtlicher Bedenken die Nutzung einer universellen Personenkennzahl in der Verwaltung beschließen. Er öffnet damit die Türe zur Profilbildung und zu noch mehr Überwachung der Bürger:innen. Ein Kommentar.

Registermodernisierung
Wenn sich Bürger:innen mit einer Nummer finden lassen, dann könnte staatliche Überwachung deutlich einfacher werden. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Nick Hillier

Registermodernisierung, das klingt erst einmal sperrig, aber dann doch irgendwie gut. Vor allem, weil damit die Hoffnung einhergeht, dass die Bürgerämter und Elterngeldstellen im Land endlich digitalisiert werden. Auch das ist mit der Registermodernisierung geplant und dennoch gibt es Grund zur Sorge. Denn mit der Modernisierung kommt jetzt auch die individuelle Personenkennzahl.

Diese ist problematisch, weil man mit ihr theoretisch die Daten aus allen staatlichen Datenbanken bei Bund, Ländern und Kommunen zusammenführen kann. Dadurch entstünde der gläserne Bürger. Das merkten Datenschützer:innen schon an, als im Jahr 2007 die individuelle Steueridentifikationsnummer eingeführt wurde. Damals wurde beteuert, dass die Steuer-ID nicht als Personenkennzahl genutzt werden würde. Doch genau das passiert jetzt.

Die Regierungskoalition beteuert heute wieder, dass eine Zusammenführung der Register nicht geplant und wegen der dezentralen Datenhaltung gar nicht möglich sei. Alles diene nur der Bequemlichkeit für die Bürger:innen, mit der Nummer würde alles einfacher und schneller. Doch warum sollte man ihr glauben, wenn die Haltbarkeit solcher Datenschutzversprechen gerade einmal 14 Jahre andauert?

Persönlichkeitsprofile verstoßen gegen Menschenwürde

Die Einführung einer Personenkennzahl ist mit hohen verfassungsrechtlichen Hürden verbunden. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mehrfach gegen eine solche Nummer ausgesprochen. Mit dem Volkszählungsurteil von 1983 schuf das Gericht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Danach verstößt es gegen die Menschenwürde, also den ersten und wichtigsten Paragrafen des Grundgesetzes, staatliche Persönlichkeitsprofile der Bürger:innen anzulegen.

Im vergangenen Spätsommer hatten zudem alle Datenschutzbehörden unisono gewarnt, dass das Gesetz verfassungswidrig sein könnte. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages sah „erhebliche Schwierigkeiten“. Doch die Bundesregierung hat nicht wirklich nach alternativen, datenschutzfreundlicheren Modellen gesucht, sondern sich von Anfang an auf die Steuer-ID als Kennzahl eingeschossen.

Damit schieden Modelle aus, bei denen die echte Personenkennzahl nur einer Behörde vorliegt, die dann den anderen Behörden auf Anfrage individuelle, bereichsspezifische Nummern vergibt. Mit so einem Modell, wie es beispielsweise in Österreich praktiziert wird, liegen die Hürden für eine Zusammenführung der Daten deutlich höher als in Deutschland.

Wo ein Trog, da kommen die Schweine

Wo Datenbanken sind, da gibt es auch Interesse an ihnen. Alle Erfahrung lehrt: Einmal eingeführte Überwachungsinstrumente werden später ausgeweitet. Es ist deshalb davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren die Hürden bei der Personenkennzahl fallen werden. Und wer die Daten aus 50 Registern und Datenbanken zusammenführt, erhält ein sehr genaues Bild über die Lebensumstände eines Menschen.

Auch für Geheimdienste und Polizeien ist genau das hochinteressant. In der letzten Fassung des Gesetzentwurfs werden sie noch explizit von der Nutzung der Personenkennziffer ausgeschlossen. Doch wie lange?

So könnte das, was als wichtiger Schritt für die Digitalisierung der Behörden verkauft wird, schneller als uns lieb ist, zu einer Profilbildung und damit mehr Überwachung der Bürger:innen führen. Und damit zu etwas, was dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung diametral entgegensteht.

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13 Ergänzungen

  1. Hallo Markus,

    immer wieder vielen Dank für die wichtige Arbeit und die wichtigen Artikel! Bitte weitermachen und nicht verzweifeln. Auch wenn man sich gar nicht vorstellen mag, was in 14 Jahren sein wird.

    Mensch bleiben

  2. Es ist doch die normale Vorgehensweise der Regierung, wissentlich verfassungswidrige Dinge zu beschließen. Eine Klage dauert Jahre und bis dahin kann man schön weitermachen.
    Nach einem Urteil gegen das Gesetz wird ein Spiegelstrich entfernt und wieder neu verabschiedet. Ein ewiger Kreislauf.
    Manchmal kann man verstehen, weshalb „Randparteien“ mehr und mehr Zuspruch erhalten…

  3. Ich finde es wäre mal ein erkenntnisreicher Perspektivenwechsel wenn man sich in einem Artikel überlegen würde, was denn überhaupt noch _nicht_ überwacht wird bzw. werden soll. Man liest immer „mehr Überwachung“, aber ewig kann das ja nicht so weiter gehen – denn irgendwann ist dann alles überwacht und man hat das Ende der Fahnenstange erreicht. Was dann, frag ich mich manchmal. Denn manchen reicht es ja nie …

    1. Nun, das Verhalten von Amtsträgern ist heute an vielen Stellen ein rechtsfreier Raum. Die Nutzung von Polizeidatenbanken wird z.B. nur höchst unzureichend überwacht. Verstöße werden – wenn überhaupt – nur disziplinarisch und nur extrem selten strafrechtlich geahndet.

      1. Sinnfreiheit wäre allerdings auch nicht gut. Das andere eine Extrem wäre ein Rechtsstaat um seiner selbst Willen.

        Da wäre eine Gewichtung nach Sinn schon das Existenzminimum für die Frage „rechtsfreier Zonen“. Lässt man also bestehendes Gesetz die Zukunft formen…

  4. Deutschland wird ein stramm autoritärer Überwachungsstaat, der sich von der Demokratie immer weiter verabschiedet. Dazu hat es keine AfD gebraucht (die trotzdem eine grauenhafte Partei bleibt), sondern das ging alles von der angeblichen „Mitte“ aus SPD und CDU/CSU aus.
    Wer diese Parteien unterstützt, macht sich in meinen Augen unverzeihlich mitschuldig daran, dass aus einer halbwegs offenen Gesellschaft ein repressiver Polizeistaat wird.

    1. Dann muss man sich aber fragen, was der Grund dafür ist, dass SPD, CDU und CSU weiterhin noch immer mehrheitsfähig gewählt werden. Ist es, weil ein Großteil der Bevölkerung solche und andere Überwachungsmaßnahmen gutheißt und beunruhigend starke autoritäre Tendenzen hat? Oder liegt es daran, dass Politik einfach vielen Leuten gleichgültig ist und sie ihr Kreuz bei diesen Parteien setzen, weil sie „ja schon immer so gewählt haben“? Oder sind solche Entscheidungen den Menschen einfach schlichtweg egal?

      So oder so, ich fände alle Möglichkeiten gleichermaßen beunruhigend.

      1. Ich glaube es ist auch ein Markenproblem.

        Kommune – Land – Bund, da geht viel durcheinander bzw. wird assoziiert.

        Da im Bund immer schon viel Quatsch abgegangen ist, gibt es da vielleicht einfach eine Art von Gleichgültigkeit.

      2. Ich würde tatsächlich behaupten, dass den Menschen ab der Altersklasse 40-50 Jahre sowas vollkommen egal ist. Das Internet, die Digitalisierung, und die damit einhergehenden Möglichkeiten der weitreichenden (und übergriffigen) Überwachung ist für sie nach Merkels Worten „Neuland“ – und daran wird sich wohl auch nichts mehr ändern.
        (Man sieht ja auch, dass Corona-Maßnahmen – oder vor Corona die Diesel-Fahrverbote in Innenstädten – gerade in der Altersgruppe 45-65 (also noch nicht in Rente, aber auch nicht mehr jung) extrem aggressive Reaktionen hervor rufen. Die verfassungswidrige Überwachung aber nicht, denn die trägt man nicht im Gesicht, also stört das auch nicht.)

        1. Dir ist aber klar, dass die genannte Generation das Internet gebaut und im Widerstand gegen die Volkszaehlung das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung erstritten hat?

      3. @ Anonymous

        Manche politischen Themen werden vom Druck aus der Bevölkerung getrieben, andere vom Druck aus den Behörden.

        Der Überwachungsstaat wird von den Behörden gefordert. Rechte Politiker haben den zusätzlichen Vorteil, dass sie sich damit als Law&Order-Leute profilieren können. Ich schätze aber, die bürgerrechtliche Dimension des Überwachungsstaats ist den allermeisten Bürgern völlig egal, solange der Staat noch nicht völlig umgekippt ist.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.