Das EU-Parlament hat sich am gestrigen Dienstag mit deutlicher Mehrheit gegen biometrische Massenüberwachung in der Europäischen Union ausgesprochen. Von den deutschen Abgeordneten stimmten die Abgeordneten von SPD, Grünen, Linken, FDP, Die Partei und Piraten gegen die biometrische Massenüberwachung, die AfD enthielt sich, die Abgeordneten der Union stimmten dafür. Die Resolution des Parlamentes ist rechtlich nicht bindend. Eine Symbolwirkung hat sie dennoch, denn das ungewöhnlich deutliche Abstimmungsergebnis zeigt, wie das Parlament in dieser Frage steht.
Das macht es für den Chefverhandler Brando Benifei einfacher, in den bevorstehenden Verhandlungen um die Verordnung zur Regulierung von künstlicher Intelligenz, dem sogenannten Artificial Intelligence Act, Druck in diese Richtung auszuüben.
Bislang sieht die EU-Kommission in ihrem Entwurf vor, den Einsatz von Gesichtserkennung und weiteren biometrischen Identifikationssystemen für Behörden nicht zu verbieten, sondern lediglich einzuschränken. Auch die EU-Ratspräsidentschaft hatte sich gegen Verbote der Überwachungstechnologien ausgesprochen. Das Parlament hat seine Position bislang nicht festgelegt. Einen endgültigen Gesetzestext handeln die Kommission, der Rat der EU-Staaten und das Parlament hinter verschlossenen Türen aus, im Trilog-Verfahren.
Das Parlament stellt sich mit seiner Resolution nun klar gegen diesen Status Quo und macht klar: Wir fordern ein Verbot. Damit folgt das Parlament auch dem Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDPS) und den Europäischen Datenschutzausschuss(EDPB), die gemeinsam ein generelles Verbot des Einsatzes von künstlicher Intelligenz für die automatisierte Erkennung menschlicher Merkmale in öffentlich zugänglichen Räumen gefordert hatten.
Der Piraten-Abgeordnete Patrick Breyer kommentierte die Abstimmung:
Diese Abstimmung ist ein historischer Erfolg für die Bewegung, die eine dystopische Zukunft der biometrischen Massenüberwachung nach chinesischem Vorbild in Europa verhindern will.
Ähnlich sieht das Ella Jakubowska von European Digital Rights (EDRi). Die Abstimmung sei ein durchschlagender Erfolg für EDRi und über 60 andere zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich in der Kampagne „Reclaim Your Face“ organisiert haben. „Die Mehrheit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments (MdEP) hat unmissverständlich klargemacht, dass Überwachung nicht gleichbedeutend mit Sicherheit ist und dass sie biometrische Massenüberwachungspraktiken nicht unterstützen“, so Jakubowska weiter. Die Abstimmung sei nicht das Ende, sondern der Anfang des Kampfes gegen biometrische Überwachung in der EU. Denn das Anfang des Jahres vorgeschlagene KI-Gesetz würde in den kommenden Monaten und Jahren verhandelt und wird für die EU-Länder rechtsverbindlich sein.
„Erst der Anfang des Kampfes“
Auf zivilgesellschaftlicher Ebene kämpft die Initiative „Reclaim Your Face“ für ein Verbot von biometrischer Massenüberwachung. Die Initiative versucht auf ihrer Kampagnenwebseite eine Million Unterschriften zu sammeln, um damit das Quorum einer „Europäischen Bürger:innen-Iniative“ zu erreichen. Dafür hat sie noch einige Monate Zeit, braucht aber noch deutlich mehr Unterschriften. Erreicht die Initiative das Quorum, muss sich die EU-Kommission auch formell damit befassen. Reclaim your Face wird von einem breiten Bündnis von digitalen Bürgerrechtsorganisationen aus ganz Europa getragen, unter ihnen EDRi, Amnesty International und der Chaos Computer Club.
„Eine der wichtigsten Aufgaben für uns nach dieser Abstimmung wird es sein, Menschen aus nationalen Bewegungen zu mobilisieren, um weiterhin Druck auf Länderebene auszuüben“, sagt Ella Jakubowska. Diese Abstimmung habe bewiesen, „dass wir, wenn wir uns zusammenschließen und unsere Stimme gegen Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Überwachung erheben, wirklich etwas verändern können.“
Mittlerweile wird weltweit gegen Gesichtserkennung und biometrische Massenüberwachung protestiert. Unter dem Motto „Ban Biometric Surveillance“ machen mehr als 200 Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt auch außerhalb der Europäischen Union zum Thema mobil.
Bedeutet dies eine Rücknahme der Fingerprints in Personalausweisen?