KampagneGroßes weltweites Bündnis fordert Verbot biometrischer Überwachung

Das Who-is-Who digitaler Menschenrechtsorganisationen fordert ein umfassendes und weltweites Verbot von biometrischen Überwachungstechnologien im öffentlichen Raum. Die Risiken für Menschenrechte stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen der Anwendungen.

Graffiti mit durchgestrichener Kamera vor dem Kopf einer Person
Gesichtserkennung gibt es auch in China, wo dieses Bild an eine Graffitiwand gemalt wurde. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Kirill Sharkovski

Es ist ein großes internationales Bündnis, wie es selten zustande kommt: Über 175 namhafte zivilgesellschaftliche Organisationen, Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen fordern in einem offenen Brief ein weltweites Verbot von biometrischer Überwachung im öffentlichen Raum.

„Einige Überwachungstechnologien sind so gefährlich, dass sie unweigerlich weit mehr Probleme verursachen, als sie lösen. Der Einsatz von Gesichtserkennung und biometrischen Technologien in öffentlich zugänglichen Räumen ermöglicht Massenüberwachung und diskriminierende gezielte Überwachung“, heißt es in der Erklärung. Das Missbrauchspotenzial dieser Technologien sei zu groß und die Folgen zu schwerwiegend.

Die Organisationen Access Now, Amnesty International, European Digital Rights, Human Rights Watch, die Internet Freedom Foundation und das Brasilianische Institut für Verbraucherschutz haben den Brief initiiert. Unterschrieben wurde er dann von den wichtigsten Menschenrechts- und Digitalorganisationen auf der ganzen Welt. Nun ist er als Petition geöffnet für weitere Einzelpersonen und Organisationen, die das Anliegen unterstützen wollen.

Im Fokus stehen Technologien zur Gesichtserkennung und zur biometrischen Fernerkennung. Damit meinen die Verfasser:innen alle Technologien, die anhand des Gesichtes, der Stimme, des persönlichen Auftretens oder anderer biometrischer Kennzeichen identifizieren können und gezielte Massenüberwachung ermöglichen. Es gebe dabei zu viele Möglichkeiten für Missbrauch, das habe sich in der Vergangenheit bereits in verschiedenen Ländern gezeigt.

Festnahmen, Unterdrückung und Diskriminierung

So nennt der offene Brief elf Staaten, die Gesichtserkennung zur Überwachung von Protestierenden bereits eingesetzt und damit die Versammlungsfreiheit und Privatsphäre verletzt haben. In den Vereinigten Staaten, Argentinien und Brasilien sei es so zu Festnahmen Unschuldiger gekommen. In China, Thailand und in Italien würden durch die Überwachungstechnologien religiöse Minderheiten unterdrückt und diskriminiert, so der Brief.

Biometrische Überwachung führe zu häufig dazu, dass grundlegende Menschenrechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz untergraben werden. „Keine technischen oder gesetzlichen Sicherheitsvorkehrungen könnten je dieses Risiko vollständig ausschließen“, heißt es in dem Brief. Dazu komme, dass viele Anwendungen, die mit Biometrieklassifizierungen arbeiten, falsche Rückschlüsse auf bestimmte Eigenschaften wie beispielsweise das Geschlecht ziehen und so diskriminieren.

Appell an Regierungen, Gerichte, Behörden und Unternehmen

Deshalb sollten weder Regierungen noch private Firmen solche Technologien im öffentlichen Raum – also beispielsweise in Parks, Schulen, Bibliotheken, öffentlichen Transportmitteln und sozialen Medien – nutzen dürfen, fordern die Unterzeichner:innen. Sie richten ihren Appell insbesondere an Politiker:innen und Gesetzgeber. Diese sollen den rechtlichen Rahmen schaffen, der die biometrische Überwachung selbst, aber auch die Investition in die Forschung an entsprechenden Technologien verbietet.

Außerdem appelliert das Netzwerk an Gerichte, Menschenrechtsverstöße durch biometrische Überwachung in ihrer Rechtsprechung zu berücksichtigen. Behörden für Verbraucher- oder Datenschutz fordert es dazu auf, auf einen Stopp biometrischer Anwendungen bei Unternehmen zu drängen. Abschließend nimmt der Brief auch die Vereinten Nationen, private Firmen, Investoren und Mitarbeiter:innen von Tech-Konzernen in die Pflicht, sich gegen biometrische Massenüberwachung einzusetzen.

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