Statt Wikipedia und KlexikonNRW zahlt 2,6 Millionen für drei Jahre Online-Brockhaus an Schulen

Das Land NRW erwirbt für 2,6 Millionen Euro Lizenzrechte für Online-Enzyklopädien zur Verwendung an Schulen. Es stellt sich die Frage, ob diese Entscheidung angesichts von freien Alternativen wie Wikipedia oder Klexikon ökonomisch und didaktisch vernünftig ist.

Buchrücken der Brockhaus-Enzyklopädie
CC-BY 2.0 Tim Reckmann

Totgesagte leben länger. Das gilt offenbar auch für kostenpflichtige und proprietäre, also nicht frei nutzbare Enzyklopädien wie den Brockhaus. Das Geschäftsmodell des Online-Brockhaus hat allerdings nichts mehr mit dem Direktvertrieb von ledergebundenen Büchern zu tun. Stattdessen wird enzyklopädisches Wissen speziell für den Schulbereich aufbereitet und an öffentliche Bildungsträger vermarktet. So verkündete gestern das Ministerium für Schule und Bildung in Nordrhein-Westfalen den Erwerb einer Drei-Jahres-Lizenz für ein Paket des Brockhaus Online-Nachschlagewerks zum Preis von 2,6 Millionen Euro:

Das Online-Nachschlagewerk umfasst die Enzyklopädie, ein Jugend- und Kinderlexikon und ist damit der umfassendste fachlich betreute lexikalische Bestand im deutschsprachigen Raum. Damit Lernende eine Vielzahl von Informationen sicher bewerten können, brauchen Sie neben altersgerechten Einstiegsinformationen in übersichtlicher, konzentrierter und schülergerechter Form vor allem objektive Inhalte.

Aus Perspektive von Lehrkräften mag dieser Deal zunächst vorteilhaft erscheinen, weil explizit für Schüler:innen aufbereitete Online-Inhalte quer über verschiedene Wissensgebiete hinweg zugänglich gemacht werden. Trotzdem wirkt die Entscheidung etwas aus der Zeit gefallen und weder didaktisch noch wirtschaftlich nachhaltig:

  • Gerade wenn es darum geht, Schüler:innen beizubringen, wie „richtiges Recherchieren“ geht, ist eine proprietäre Online-Enzyklopädie der falsche Weg. Auf diese Wissensquelle haben sie nämlich nach der Schule keinen Zugriff mehr. Richtiges Recherchieren muss an der Lebenswirklichkeit der Schüler:innen ansetzen. Und dort beginnt die Recherche in der Regel mit einer Suche via Google, YouTube oder – im besten Fall – Wikipedia.
  • In der oben zitierten Meldung zum Lizenzerwerb ist von „vor allem objektive[n] Inhalte[n]“ die Rede. Entscheidend ist jedoch zu lernen, dass Objektivität immer umstritten und nie endgültig erreichbar ist. Genau diese Lektion wird aber nicht mit Blick in einen vermeintlich objektiven Online-Brockhaus erlernt. Umgekehrt lässt sich im Rahmen einer reflektierten Auseinandersetzung mit der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia sehr gut vor Augen führen, wie Wissen diskursiv hergestellt wird. 
  • Selbst wenn es um gezielt für Kinder aufbereitete Inhalte geht, gibt es mit dem Klexikon inzwischen eine frei lizenzierte Alternative, die auf der Wikipedia aufbaut und sich gut für den Einsatz im Schulunterricht eignet.

Neben diesen didaktischen Überlegungen setzt die Beschaffungsentscheidung die fragwürdige Politik des Landes NRW fort, öffentliches Geld für proprietäre Lernmittel auszugeben, statt es in frei lizenzierte Lernunterlagen („Open Educational Resources“, OER) zu investieren. Bislang ist es so, dass die Vergabe öffentlicher Mittel im Bereich von Lernmittelfinanzierung und -freiheit klassisch-proprietäre Formate klar bevorzugt – obwohl es an Vorschlägen für eine (Vor-)Finanzierung offen lizenzierter Lernunterlagen nicht mangelt.

Letztlich sind die Gelder mit dem Erwerb einer Drei-Jahres-Lizenz nicht sehr nachhaltig investiert. Nach Ablauf der drei Jahre wird der Druck groß sein, die Lizenz zu verlängern, weil sonst die bis dahin erworbenen Kompetenzen der Lehrkräfte im Umgang mit der proprietären Enzyklopädie verloren wären. Sowohl aus didaktischen als auch aus wirtschaftlichen Überlegungen wären die 2,6 Millionen Euro also wohl besser in Kurse zum Thema „Richtig Recherchieren mit Wikipedia, YouTube & Co“ als in Lizenzgebühren investiert gewesen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

44 Ergänzungen

  1. In der Politik scheint wohl auch ein Mißtrauen gegenüber allem zu herrschen was irgendwie dezentral und ohne Profit absicht aufgebaut wurde. Das gilt für Wikipedia genau so wie für freie Software die dann trotz klaren Vorteilen schlichtweg nicht genutzt wird. Da werden dann eher kommerzielle Verlage mit Steuergeld gefördert als das freie Wissen zu nutzen das vorhanden ist.

    Es ist wie ich finde auch ein Mißtrauen gegenüber der eigenen Bevölkerung das da zum Vorschein kommt.

  2. Ich fände ja die andere Seite auch mal interessant: Solange, wie Wikipedia ein Spielball von Sockenpuppen ist und solange jeder Volldepp/Influenzer sich zu unfundiert zu allen Themen äußern darf und Wikipedia nicht als „zitierfähige Quelle“ gilt (was zumindest an unserer Universität weitgehend der Fall ist), hat das Land doch eigentlich gar keine andere Wahl als ein properitäres Lexikon bereit zu stellen, welches dafür dann aber als zitierfähig gilt. Vor allem dann, wenn man den Kindern gleichzeitig ordentliches Recherchieren beibringen soll und ihnen die Problematik von Wikipedia als Recherchequelle klar machen muss, muss man doch dann auch eine zitierfähige Quelle für die Schüler verfügbar haben.

    Das ist aber eine Diskussion, die weit über die Kostenfrage hinausgeht.

    Würde die Schule (wie im Artikel gefordert) an der Lebenswelt der Schüler anschließen und sich darauf beschränken, dann würden die Schüler auch in ihrer bisherigen Lebenswelt stagnieren. Die Schüler sind ja auch nicht beschränkt auf den Brockhaus. Und wenn sie ordentliche Recherche aus verschiedenen Quellen lernen sollten, weiß ich auch nicht, ob Google, Youtube, und Wikipedia das Maß der Dinge sein *sollten*. Wenn man von Schülern aber Quellenrecherche in verschiedenen Quellen einfordert, dann sollten Schüler auch zumindest auf DAS Basic-Teil für Recherchen (ein Lexikon) als eine zitierfähige Quelle zur Verfügung haben. Wir hatten dafür in Meiner Schulzeit sowohl an der Realschule als auch am Gymnasium den Brockhaus in der Schulbibliothek stehen. Entsprechend schlecht waren die Buchrücken vom vielen auf den Kopierer legen. Und entsprechend veraltert war die Ausgabe. Da empfinde ich die Online-Variante schon viel Lebensweltnäher – und vor allem aktueller. (Zudem bin ich mir auch nicht sicher, ob es alternativ billiger wäre ein gutes Lexikon in Papierform für alle Schulen halbwegs aktuell zu halten.)

    Auch wenn ich dem Grundthema von properitären Quellen (aus den gleichen Gründen) ebenfalls sehr kritisch gegenüberstehe – aber der Artikel (so wie er ist) ist da eine sehr einseitige Verkürzung der Diskussion.

    1. Nur ein kurzer Hinweis zum Thema „zitierfähige Quelle“. Natürlich ist Wikipedia keine solche. Aber natürlich ist auch der Brockhaus nicht wissenschaftlich zitierfähig – das ist Grundlagenwissen 1. Semester. Eine Generalenzyklopädie ist schlicht für das wissenschaftliche Arbeiten nicht nutzbar.

    2. Generell ist jede Enzyklopädie nicht zitierfähig: das sollte eigentlich jeder Student wissen. Denn die Informationen sind keine Primärquelle. Das war auch zu Zeiten der Fall, als es noch kein Internet gab. Da hat niemand aus einem Lexikon zitiert!

      Wikipedia kann oft einen schnellen Überblick geben. Wikipedia hat aber den Nachteil, dass da jeder Dummkopf seinen Senf dazugeben kann. Das kann zwar in Einzelfällen auch ein Vorteil sein, aber in der Regel nicht. In Streitfällen entscheidet ein Admin, der fachlich meist völlig ahnungslos ist. Er entscheidet zwar nach Formalien, aber manchmal auch nach „Lautstärke“, wie zum Beispiel in der Löschdiskussion zu dem Wörterbucheintrag „Radarstrahl“. Ich habe sogar ein paar ältere Permanentlinks dafür aufgehoben, in welchen in einer Diskussion über fachlich richtig oder falsch abgestimmt werden sollte! Das ist sicherlich nicht der Maßstab, aber die Kenntnis über solche Vorgänge schreckt ab! Da nehme ich im Zweifel dann doch lieber den Brockhaus, die Große sowjetische Enzyklopädie oder die Encyclopedia Britannica.

  3. Da stellt sich für mich jetzt die Frage was diese Lizenz genau erlaubt bzw. wie schnell in Zukunft die Uploadfilter zuschlagen werden, wenn eine Schülerin ihr Videoreferat bei Youtube hochlädt und dabei Zitate bzw. ein Bild oder Screenshots aus dem Online-Brockhaus verwendet.

  4. Habt die ihr als Redaktion mal beim Land NRW angefragt, warum sich (zusätzlich zur freien Wikipedia) für den Brockhaus entschieden wurde? Vor allem welchen Zusatznutzen man sich von der Finanzierung einer Brockhaus-Lizenz verspricht? Es gab und gibt ja sehr umstrittene Themenkomplexe in Wikipedia (vor allem im politischen und medizinischen Bereich), die emotional sehr aufgeladen sind und so an Objektivität eingebüßt haben. Könnte dies einer der Gründe für Brockhaus sein?

    1. Nein, ich habe nicht nachgefragt diesbezüglich. In der Pressemeldung zur Verkündung der Anschaffung wurde das jedenfalls nicht als Grund angeführt. Und es wäre meiner Meinung nach auch kein guter Grund für die Anschaffung.

      1. Mich würde eher interessieren, warum Sie in Ihrem Artikel, völlig zu Recht, auf die Lebenswirklichkeit der SchülerInnen verweisen und hier auf YouTube, Google und Wikipedia verweisen. Zeitgleich wird auf Ihrer Webseite jedoch immer wieder US amerikanische Software und deren Einsatz im Unterricht aus datenschutzrechtlicher Sicht Kritisiert bzw. Lesern für deren lebensweltfremden Ansichten eine Plattform gegeben. Ihnen ist bewusst, dass Youtube zu Google gehört, Google ein US amerikanisches Unternehmen ist, welches mit dieser Software mit dem Sammeln und Auswerten (Weitergeben und Weiterverkaufen) von Daten für Werbezwecke sein Geld verdient? Wie passt das denn bitte mit der Debatte über den Einsatz von Microsoft und Apple etc. in Schulen zusammen? Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin völlig Ihrer Meinung! Es wäre aber wirklich schön, wenn Sie auf Ihrer Seite auch mal ähnliche Artikel zum Thema Office 365 und Teams verfassen würden, anstatt das politisch sehr populäre bashing von US Softwarekonzernen voranzutreiben. Deutschland ist leider digital Kolonialisiert worden, es gibt leider zu gewissen US Produkten keine wirklichen funktionierenden Alternativen (und mit Alternative meine ich im vollen Funktionsumfang auch Support etc.), und diese US Produkte gehören einfach zu unserer Lebenswelt und Lebenswirklichkeit dazu. Ich vermute mal 95 Prozent Ihrer Leser lesen diesen Beitrag auf einem Windows (Microsoft), iOS oder MacOS (Apple) oder Android (da ist ja wieder Google!) Gerät. Alles sind Betriebssysteme von US amerikanischen Softwarekonzernen. Ich hoffe doch sehr, dass Ihre Webseite sich in gleicher Art und Weise zu Lebenswirklichkeit positionieren wird, wenn z. B. Rheinland-Pfalz Ihren Plan umsetzt, im kommenden Schuljahr den Einsatz von Teams und anderer US amerikanischer Software in Schulen zu verbieten. Denn wenn das kein lebensweltfremder Ansatz ist (der größtenteils in seiner Begründung auf reinen Tatsachenbehauptungen ohne jegliche Beweise beruht), weiß ich auch nicht mehr weiter. Ich würde mir mehr Artikel wünschen, die sich mit einem realistischen Lebensweltbezug in solchen Fragen beschäftigen würden.

      2. Also bitte. Sind wir heute schon so weit das ein Redaktionell geführtes Lexicon als weniger gut und objektiv angesehen wird als „Wissen“ aus dem Schwarm?

        Nicht das Wikipedia per se schlecht ist. Keineswegs. Aber es ist und hat auch nicht die Antwort auf alles. Keineswegs immer objektiv und korrekt.

        Es ist gut und richtig das Schüler die Internet Recherche erlernen. Und dabei auch lernen wie und wo man Inhalten vertrauen darf. Referenzen zu verfolgen, Quellen gegenchecken etc ..
        Doch gerade dazu würde ich meinen ist etwas wie der Brockhaus ein gutes zusätzliches Werk. Damit ist auch für die Generation Handy ein Blick und Vergleich auf eine etwas andere Enzyklopie möglich den sie sonst wohl nicht kennen würden.

        Spätestens im universitären Bereich führt auch kein Weg mehr an proprietären Quellen vorbei.

        Ich finde das gut. Denn es ist ein Zusatz und keine Einschränkung.
        Die Kosten für 3 Jahre für ein Land wie NRW in Relation zu Schulen und Schülern auch Bescheiden.
        Da werden oft für ganz andere Dinge Unsummen verbrannt.

        1. Ich kann hier nur für mich schreiben, und ich sehe große profitorientierte Plattformen mit quasi-monopolistischer Marktmacht wie eben auch YouTube zwar kritisch, aber sicher nicht, weil der Firmensitz in den USA ist. Und: ich habe immer – auch hier bei netzpolitik.org – deren emanzipatorische Aspekte was Zugang zu Inhalten sowie Ermöglichung von Remix-Kreativität betont.

          Aber um das geht es hier nur am Rande. Ich bin auch gar nicht prinzipiell dagegen, auch proprietäre Inhalte mit öffentlichen Mittel anzuschaffen. Das Problem ist aber das umgekehrte: es werden ausschließlich proprietäre Inhalte angeschafft, und das selbst in Feldern, wo es gute freie Alternativen gibt. Das halte ich für einen Fehler. Und die Anschaffungsentscheidung in NRW ist ein sehr guter Anlass, diese Problematik (wiedermal) zu thematisieren. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

    2. Die Entscheidung ist aus pädagogischer und didaktischer Sicht vollkommen richtig. Man weiß ja, was für ein Unsinn dabei herauskommen kann, wenn man Schüler der Unter- und Mittelstufe bedenkenlos mit Wikipedia hantieren läßt.

      1. Ich habe den Autor nicht so verstanden, dass er für ein „bedenkenloses hantieren“ mit Wikipedia plädiert hätte. Vielmehr verweist er (zu Recht!) auf die Lebenswirklichkeit: Kinder schauen natürlich in Wikipedia nach. Da wäre es wichtig, dass sie den richtigen (=kritischen) Umgang damit lernen, statt für ein paar Jahre in eine vermeintlich „sicherere“ proprietäre Enzyklopädie geleitet zu werden, nur um danach wieder auf Wikipedia zurückzufallen, weil kein Geld mehr da ist für eine Aboverlängerung.

  5. Solange den Schülern die Nutzung von Wikipedia oder Klexikon nicht verboten ist, ist eine zusätzlich nutzbare Quelle an Wissen doch nur eine positive Sache, um Medienkompetenz zu lehren (in dem Fall eventuell mal „nur weil’s in Wikipedia steht, muss es noch lange nicht stimmen“).

      1. Das mag viel Geld sein. Aber allemal besser angelegtes Geld als für einen Panzer oder eine Drohne. Zumindest ein guter Anfang. Meinen Sie nicht?

          1. Im Schuljahr 2018/19 wurden 5.207 allgemeinbildende Schulen gezählt. Also Rechnung: 2,6 Mio EUR / 3 Jahre / 5.207 Schulen = 166,44 EUR pro Schule pro Jahr. (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1117020/umfrage/allgemeinbildende-schulen-in-nordrhein-westfalen-nach-schulart/) Man kann jetzt sagen, ok., Zeitschrift gibt es billiger im Abo. Damit relativiert sich aber die Aussage, das sei viel zu: ok., damit könnte jede/r Schüler/in jederzeit auf Brockhaus zugreifen (und nicht – wie früher – in der Bibliothek das einzige Exemplar von vor 20 Jahren nutzen). Für 166,44 EUR pro Schule – und wenn jede/r Schüler/in das _zeitgleich_ nutzen kann – fände ich das ok.

            So kann man den Kindern nämlich Medienkompetenz beibringen, und den Vergleich zu anderen Online-Portalen wie Wikipedia-Artikeln ziehen. Und erklären, warum Wikipedia nicht zitierfähig ist an Universitäten.

            Was aber der Artikel oben nicht wiedergibt: Der original verlinkte Artikel spricht von „2,6 Mio EUR“ für „den Erwerb von zusätzlichen digitalen Lernmitteln“. Ist das alles für Brockhaus Online? Was beinhaltet dieses Paket? Schaut man auf https://brockhaus.de/info/schulen/, dann sieht man, was das Angebot alles enthalten _könnte_. Was genau ist davon jetzt enthalten? Der Original-Artikel spricht von Enzyklopädie, Jugend- und Kinderlexikon, Online-Kurs „Richtig recherchieren“. Das finde ich nicht bei Brockhaus als Paket für Schulen. Da wäre mehr Recherche schon hilfreich, d.h. worauf bezieht sich die Summe und was ist jetzt genau vom Brockhaus-Angebot enthalten.

          2. Hier wird den Kindern keine Medienkompetenz beigebracht, sondern sie werden an ein kostenpflichtiges Lexikon gewöhnt. Das setht für mich auf einer Stufe mit dem als „Informatik“ getarnte „Microsoft“-Unterricht an vielen Schulen, wo man die Kinder schon an die Anwendungen des Monopolisten (MS Word, MS Excel, Powerpoint) gewöhnt.

  6. „Wikipedia ist keine Quelle, da kann jeder reinschreiben, was er will!“ – Lehrer zu meiner Schulzeit

    Inwiefern es Sinn macht, den Brockhaus für die Schule zu nutzen, weiß ich auch nicht.
    Wahrscheinlich hat der Brockhaus einfach die bessere Lobby gehabt…

    1. Das ist die größte Ironie der Internetgeschichte. Die ersten zehn Jahre war genau das die Hauptkritik. Inzwischen hingegen: „Ich wollte in der Wikipedia was hineinschreiben, wurde aber sofort wieder rausgelöscht!“ ;-)

      1. Das mag im Großen und Ganzen inzwischen zutreffen, aber es gibt doch wohl immer noch einige Trolle, die die Moderationsschranken durchbrechen, wie z.B. die Geschichten aus Wikihausen (wikihausen.de) zeigen.

  7. Wenn man über 2 Mio. in ein Projekt wie Klexikon.de als Wikipedia für Kinder stecken würde, könnte das Projekt sicher für Jahre auf solide Füße gestellt und erweitert werden. Vorteil: Das Klexikon steht schon jetzt allen Kindern in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder anderswo zur Verfügung. Man findet es auch automatisch in den Suchmaschinen für Kinder (Blinde Kuh und Frag Finn) und natürlich bei Google. Die Nutzung durch die Schulen ist auch nicht auf drei Jahre begrenzt. Und die Klexikon-Inhalte können auch einfach auf Schulwebseiten oder in Padlets veröffentlicht werden. Würde NRW so etwas richtig ausschreiben (oder haben sie es getan?), hätte das Klexikon sicher gute Chancen auf einen Zuschlag. Was meint ihr?

  8. Wikipedia ist in einigen Bereichen keine seriöse Quelle. Insbesondere dort, wo Themen Lobbyinteressen unterliegen. Oder wo Personen der Zeitgeschichte Positionen vertreten, die etwas abseits des Mainstreams liegen. Da ist es begrüßenswert, dass eine Enzyklopädie vom Format des Brockhaus Informationen liefert, die nicht den aktuellen Meinungskampf verzerrt neutral wiedergibt (z.B. durch einseitige Quellenauswahl, deren gewollt einseitige Zitierung).

    Konkurrenz belebt das Geschäft. Wikipedia braucht eine Alternative um sich positiv weiterentwickeln zu können. Der Brockhaus umgekehrt vielleicht auch Wikipedia.

  9. Nachdem der erste Versuch mir die Formatierung gefressen hat, hier der zweite.

    Guten Tag Herr Leonhard Dobusch, ich finde ihren ihren Artikel sehr überlegenswert, dafür schon einmal ein Danke.

    Besonders der Einwand des zeitlich und auf die schulische Laufbahn beschränkten Wissensquelle leuchtet stark ein, und sollte als Kritik dankbar angenommen werden.

    Ich habe aber auch Kritik zu ihrer Argumentation. Natürlich, das kann sich nach der Durchsicht des Pakets wieder ändern, aber Stand jetzt und den Informationen der Pressemitteilungen muss ich folgendes kritisieren:

    – Der erste wäre ihr Einwand man hätte das Geld besser für Kurse “wie richtig Recherchieren“ ausgeben sollen. Ein einfaches durchlesen der Pressemitteilung des Schulministeriums NRW würde folgendes zu Tage fördern: “ Im Paket enthalten ist außerdem der Online-Kurs „Richtig Recherchieren“, mit dem Schülerinnen und Schüler lernen, selbstbestimmt und verantwortlich mit digitalen Medien umzugehen.“ Nun so wie es ausschaut, es eben das auch im Paket dabei. Wie oben schon geschrieben man kann nach einer Durchsicht dieses Kurses gerne den Kurs kritisch beurteilen, aber ihr ursprüngliche Argumentation läuft ins Leere

    – Der zweite Punkt ist ihre, teilweise vorkommen, Rosinenpickerei. Ja Wikipedia liefert die Informationen in weit größeren Umfang, doch hinkt in altersgerechter Aufarbeitung oft stark hinterher. Genauso sieht es mit der Übersetzung aus, kindgerecht in 60 Sprachen zu übersetzen und zu vertonen ist eine gute Leistung des Brockhaus-Paketes. Ja Klexikon ist kindgerecht, hat aber gerade mal 3.113 Artikel, und diese sind alle auf Standarddeutsch.
    Dazu kommt noch verschiedenste Lern-, und Übungskurse beim Brockhaus.

    Wenn ich also nur nach der Pressemitteil gehe, hat das Brockhauspaket vielleicht nicht die in allen Punkten die besten Werte, aber es ist ein für die Verwendung in der Schule sehr gut aufgestelltes Paket.

    – Weniger Kritik als ein Einwand. Ich glaube zu verstehe wie sie die Aussage „Objektivität ist umstritten und gibt es nie“ meinen. Aber ehrlich gesagt, ich kann solche Aussage in Zeiten von Krisen in der von “Alternativen Fakten“, Fakennews, “Ausgewogenheit““Alle Parteien müssen verstanden werden“ ect gesprochen wird nicht mehr hören. Mir ist als Start eine starre Brockhaus-Objektivität wesentlich mehr lieber als missverstandene Ausgewogenheit und Offenheit, den es fängt schon damit an das Lehrkräfte schon mit diesen ehrenden Kompetenz so ihre Probleme haben.

    Um einen Schluss zu finden:

    Ich finde die Lizenzvereinbarung mangelhaft, da hätte das Schulministerium besser verhandeln können. Ich würde aber das Brockhauspaket als Grundstock einer digitalen Lerninitiative, die ruhig mit Openscoure Projekten verfeinert wird, als gut bewerten.

    1. Danke für Ihre sachliche und fundierte Ergänzung.

      Das mit den Recherche-Kursen habe ich nicht überlesen, sondern genau darauf habe ich mich bezogen, allerdings eben „Wikipedia, YouTube & Co“ ergänzt, weil das eben der Lebensrealität junger Menschen im Netz entspricht.

      Wo ich Ihnen total Recht gebe, ist, dass es durchaus einen Mehrwert von redaktionellen Verlagsangeboten zusätzlich zu/neben freien Community-Angeboten geben kann. Aber auch in diesem Fall fände ich es viel besser, diese auf Basis freier Lizenzen zu beauftragen/auszuschreiben. Genau um diesen Paradigmenwandel geht es mir.

      Was die Objektivitätskritik betrifft, halte ich es mit meinem Kollegen Anatol Stefanwowitsch von der FU Berlin: „Postfaktizismus mit Faktizismus zu bekämpfen ist ungefähr so sinnvoll, wie die Postapokalypse mit der Apokalypse zu bekämpfen.“

      1. Oh je… erstens gibt es tatsächlich mehr als brauchbare kostenlose Alternativen und zweitens bringt das gar nichts, wenn weiterhin weniger als 50 Prozent aller Schulen an vernünftiges (schnelles und verlässliches) Internet angeschlossen sind. Es ist grauenhaft. Ich bin Lehrerin und wir haben uns in den letzten 12 Monaten wirklich Arme und Beine ausgerissen, um die Schüler im digitalen Lernen fit zu kriegen… nun, sobald der Präsenzunterricht wieder losgeht, wird das alles wieder auf Eis gelegt werden müssen, da in der Schule kein WLan existiert, über das man vor Ort mit den Kindern digital arbeiten könnte. Gleichzeitig wird uns verboten, einzelne Stunden als Homeschoolingstunden fest und langfristig zu etablieren.

  10. Ein spontaner Gedanke, warum die Lizenz nur drei Jahre läuft (ich kann mich natürlich täuschen, das würde mich aber zumindest etwas überraschen): 2022 wählt NRW. Der Ablauf der Lizenz 2024 fällt also mitten in die nächste Legislaturperiode. Wenn Schwarz-Gelb wiedergewählt wird, kann man sie still um vier Jahre verlängern – wenn nicht, ist es ein Problem der Folge-Regierung.

  11. Ich denke, Kinder, Jugendliche und Suchende brauchen Wurzeln. Anhand derer sie Wertungen beurteilen können und sich durch eigene Flügel von den Wurzeln entfernen können. Wikipedia kann dies definitiv nicht leisten. Da traue ich dem Brockhaus mehr zu. Das Klexikon erfüllt diesen Anspruch eher. Allerdings fehlt mir der Vergleich Brockhaus/ Klexikon.

  12. Also mich wundert, wie undifferenziert verglichen wird.

    Sind vielleicht „über Wikipedia“ auch Pornos erreichbar, weil es am Internet hängt?

    1. In Wikipedia ist alles mögliche drinnen, was nicht im Brockhaus stehen wird.
    2. Wikipedia habe ich bisher nirgendswo als wissenschaftliche Quelle angepriesen gesehen.
    3. Brockhaus eigentlich auch nicht.
    4. Wie sieht es mit den Fehlern aus? Es gab mal eine (kleine) Untersuchung, womöglich zu Allerweltsthemen.
    5. Daten zu der Frage, wo Brockhaus eine Tendenz einnimmt (nicht nur die Formulierung zählt, sondern auch Inhalt, Framing, Auslassungen oder allgemeiner: Auswahl). Viel Spass bei der Suche…

  13. Ich verstehe nicht, wie man Geld für etwas rauswerfen kann, was man in Bibliotheken eh kostenlos bekommt. Die Schulen sollten den Kindern besser den Gang zu den Bibliotheken erleichtern, statt diesen durch Paralllelangeboten Konkurrenz zu machen.

  14. Ich finde es toll dass Sie auf Kommentare antworten, Herr Dobusch.
    Mir kam es leider teils etwas verkürzend polemisch (Faktizismus-Tweet) vor, so wie auch Ihr Artikel (der, ja ok, schon sehr viel mehr Substanz hat als der Populismus bei Twitter oder auch fefe).

    Leider sind Sie nicht auf die für mich überzeugenden Argumente eingegangen – z.B. MM am 19.2. 17.22 (ich fasse zusammen falls tl;dr):

    – 5.207 Schulen = 166,44 EUR pro Schule pro Jahr.
    Das relativiert “teuer“.

    – Für Medienkompetenz ist Quellenvergleich notwendig (nicht nur ‚diskursiv‘); zu Wikipedia gibt es als freie Quellen manchmal Primärliteratur aber nichts frei enzyklopädisches. Sie haben das soweit ich verstehe in einem anderen Kommentar als ’nice to have‘ abgetan; es könnte essentiell für das didaktische Konzept sein.
    => OK die Pressemitteilung des Ministeriums liest sich wie Steilvorlage zu Shitstorm; ob es so platt gemeint und gemacht war herauszufinden wäre Recherchearbeit (Journalismus).

    – „2,6 Mio EUR“ für „den Erwerb von zusätzlichen digitalen Lernmitteln“. Ist das alles fürs Brockhaus Paket? Was sonst noch?
    Falls nur Brockhaus: was ist enthalten? “Enzyklopädie, Jugend- und Kinderlexikon, Online-Kurs „Richtig recherchieren““ preist B. nicht als Bundle an – was wurde denn erworben?

    Insbesondere der Recherche-Kurs – “habe ich nicht überlesen sondern um Wikipedia und Google ergänzt“
    => wissen Sie dass darin keine vergleichenden Rechercheübungen abgebildet sind?

    Falls Sie lediglich bezweifeln dass dieser neutral/ objektiv ist wenn er von einem Mitbewerber kommt – bin bei Ihnen, hat ein G’schmäckle – hätte ein unabhängig eingekaufter Kurs ggf. aber auch, bzw. braucht Disclosure ob die Redaktion z.B. Wikipedia-Moderatoren dabei hat…

    Ich bin völlig bei Ihnen, dass es schö wäre, redaktionelle Verlagsangebote in freien Lizenzen zu haben.
    Glaube allerdings dass das einen langen Atem braucht (länger als ‚der Bürger‘ in der aktuellen Krise haben will, und länger als eine Legislaturperiode) – vielleicht ein Grund dass der Paradigmenwechsel nicht kommt?
    Wenn ich etwas _jetzt_ haben möchte, muß der Anbieter in Vorleistung gegangen sein mit Forschung und Entwicklung; das will/ muss er dann monetarisieren. Teils teuer wenn er seine Fehlversuche auch rein holt.
    Wenn ich zur Entwicklung ausschreibe, habe ich es nicht sofort (dafür vielleicht nachhaltiger, vorausgesetzt Bildungspolitik ändert nicht alle <=4J den Kurs) und muss für Fehlversuche ebenfalls zahlen (ja, man könnts besser machen als B-W mit 'ella' aber das ist ein Beispiel mehr Geld für weniger in freiere Entwicklung zu versenken)…

    In Summe: fundiertere Kritik wäre schön. Tatsächlich – denn bisher scheints nicht im (freien) Netz.

    1. Danke auch Ihnen für die sachliche Ergänzung.

      Was den Preis betrifft: ich habe in meinem Artikel bewusst das Wort „teuer“ vermieden. Wobei natürlich die Alternative wäre, 2,6 Millionen in die Erstellung freier Inhalte zu stecken, die dann nicht nur NRW, sondern auch dem Rest von Deutschland zur Nutzung zur Verfügung stehen würden. Das wäre schon ein beträchtlicher Kollateralnutzen.

      Wenn Sie mir für die Formulierung bei den Recherche-Übungen leichte Polemik vorwerfen wollen, haben Sie Recht. Ist aber wirklich ein Nebenaspekt.

      Und wie oben ergänzt: das schlimme ist ja, dass die 2,6 Millionen für proprietäre Bildungsmaterialien nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind. Das ist der eigentliche Skandal. Es werden einfach kaum öffentliche Gelder für (Erstellung und Pflege von) freie Lernmittel ausgegeben. Mehr noch, es fehlt an den rechtlichen Voraussetzungen, um so etwas überhaupt zu ermöglichen (vgl. nochmal dazu die Studie, die ich gemeinsam mit Kollegen Maximilian Heimstädt just für NRW (!) verfasst habe).

    2. Naja, das wäre eine Administrationsstunde mit Anfahrt pro Jahr. Mehr als viele vielleicht mal so extra übrig haben!

  15. Zur Qualität des digitalen Brockhaus kann ich nichts sagen.
    Allerdings ist Wikipedia teilweise grenzwertig was die inhaltliche Qualität angeht.
    Sollte der Brockhaus qualitativ dem entsprechen was man von früher gewohnt war wäre er für Schüler eine gute Quelle um einigermaßen objektive Daten zu bekommen.
    Und, 2,6 Millionen für eine hoffentlich objektive Quelle, die gepflegt wird über drei Jahre finde ich jetzt nicht unverschämt. Die Daten müssen eingepflegt und überprüft werden. Wir wollen doch das die Leute von ihrer Arbeit leben können. Die Infrastruktur kostet auch Geld. Gegen das was an Microsoft für Cloud usw in manchen Bundesländern geht ist das gar nichts. Das obwohl es nun durchaus kostenlose oder sehr günstige Alternativen gibt. Ja, es kann Probleme mit Formaten und Macros geben. Das Geld für den Brockhaus bleibt zumindest im Land.

  16. Ein vergleichsweise wohlhabendes Bundesland spendiert allen seinen Schülern 3 Jahre Brockhaus.

    Beschleicht da noch jemanden ein ungutes Gefühl?

  17. Auch wenn es hier nur Randbedingung ist:
    Ich suche (wie auch früher) irgendeinen Hinweis, das es doch eigentlich schon vor SEHR VIELEN(!) Jahren (letzte Auflage 2004 – und seitdem unverändert noch immer gültig) einen aus/mit Steuermitteln von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen Leitfaden gibt.

    Schon in https://netzpolitik.org/2020/office-365-in-der-schule-grobe-verletzungen-datenschutzrechtlicher-vorschriften/
    hat mir die eigentlich kritische Auseinandersetzung mit staatlich geförderten Materialien, die zwar da sind, aber niemanden interessieren gefehlt.
    Ein Blick in das Vorwort sollte sich jeder antun.
    Lokalpolitiker, wie auch Entscheidungsträger UND(!) Anwender sollten sich dieses „Machwerk“ ruhig an die Bettkante legen. Gibt es noch heute. Kostenlos und nicht umsonst!
    https://freie-software.bpb.de/

  18. Nun ja, im Brockhaus stolpern die Lieben Kleinen wenigstens nicht über exotische Sexpraktiken, gruselige Körpermodifikationen u.Ä. Das wäre mir schon ein paar Euro wert…

  19. Sehr gute Entscheidung des Landes NRW, den Schulen die Online-Ausgabe des Brockhaus zur Verfügung zu stellen und nicht auf das linkslastige und auch wissenschaftlich fragwürdige Jedermann-Portal Wikipedia zu setzen. Chapeau, NRW, hätte ich nicht unbedingt erwartet!

  20. Ein toller, objektiver Artikel (Ironie).

    Ich denke, man sollte Wikipedia mit Vorsicht genießen. Das Wissen, das dort verbreitet wird, ist eben und relativ oft, nicht objektiv, da die Plattform auch nicht neutral ist. Von der Moderation dort sollte man gar nicht erst sprechen. Allein die Tatsache, dass die Plattform von bestimmten Dritten Spenden in Millionenhöhe erhält, sollte vielleicht diskutiert werden. Ich würde argumentieren, dass Wikipedia kommerzieller ist als Brockhaus.

    1. Schwachsinniger Mist (keine Ironie).

      Kommerzieller als Brockhaus geht es nicht. Anspruch ist eine andere Frage, die Sie aber auch nicht beantworten.

  21. Die Brockhaus-Enzyklopädie scheint mittlerweile zu Bertelsmann zu gehören; Bertelsmann hat seinen Sitz in Gütersloh und also in NRW. Hier zahlt also ein Bundesland einiges an Geld für ein obsoletes Produkt eines nicht unwichtigen Unternehmens des eigenen Landes.

      1. Ich finde es gut dass im Bildungswesen gute Quellen geschaffen werden.
        Und wir sollten unsdie Brockhaus Qualität leisten

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.