Für den SPIEGEL haben Rafael Buschmann, Roman Höfner, Nicola Naber und Anton Rainer recherchiert; für STRG_F Yannah Alfering, Annette Kammerer, Patrizia Schlosser, Salome Zadegan und Sebastian Meineck. Die STRG_F-Recherche wurde durch ein Stipendium des Journalismfund.eu gefördert.
Bis heute weiß Hanna nicht, wer sie heimlich gefilmt hat. Aber sie weiß, dass Zehntausende Menschen sie gegen ihren Willen nackt gesehen haben. Die Geschichte beginnt im Jahr 2017 in einer Sauna in Niedersachsen. Hanna möchte sich dort mit ihrer Schwester entspannen. Ringsum nackte Menschen, einige mit Handtüchern und Bademänteln. Doch ein Gast hat an diesem Tag noch etwas dabei, etwas Verbotenes: eine Kamera. Als Hanna gerade nackt aus dem Pool steigt, ist diese Kamera ohne ihr Wissen auf sie gerichtet.
Das Video landet auf xHamster, Deutschlands meistbesuchter Pornoseite. Hanna hätte wohl nie davon erfahren, wäre da nicht dieser eine Kumpel gewesen, der die Aufnahme zufällig entdeckt hat. „Ich hab dich auf einer Pornoseite gesehen“, sagt er ihr am Telefon.
Das war 2019, inzwischen ist das Video nicht mehr online. xHamster hat es gelöscht, nachdem Hanna sich persönlich beschwert hatte. Aber Bilder von anderen Frauen aus derselben Sauna sind online, bis Hanna im Oktober 2021 erneut eine Mail schreibt. Wie ist das möglich?
Die Pornoplattform, auf der die Aufnahmen verbreitet wurden, gehört zu den meistbesuchten Websites überhaupt. In Deutschland wird xHamster häufiger aufgerufen als Tagesschau.de oder PayPal. Wer nicht nur schauen, sondern auch etwas kommentieren oder hochladen möchte, braucht einen Account. In Deutschland seien xHamster zufolge rund 250.000 Accounts mindestens einmal im Monat aktiv. Rund 10,3 Millionen Besucher:innen aus Deutschland hatte xHamster nach eigenen Angaben im August.
So groß geworden ist xHamster nicht zuletzt, weil dort alle bis vor Kurzem anonym Fotos und Videos hochladen konnten. Uploads ohne Einverständnis der Beteiligten waren zwar nicht erlaubt, aber kontrollieren ließ sich das schwer.
Auf der Suche nach Mr. xHamster
Viele weitere Personen, vor allem Frauen, haben Ähnliches erlebt wie Hanna. xHamster zeigte Videos aus Klokabinen und aus dem Duschzelt deutscher Musikfestivals. xHamster zeigte Nacktbilder, die nie für fremde Augen gedacht waren, teils von Ex-Partner:innen verbreitet, teils erbeutet durch Hacks bei Cloudanbietern.
Auf xHamster sind solche Aufnahmen einem Millionenpublikum zugänglich. Das gilt auch für Aufnahmen, die möglicherweise Minderjährige oder sexualisierte Gewalt zeigen. Im Jahr 2020 zeigten VICE-Recherchen, wie xHamster Freiwillige einsetzte, um solche Fotos auszusortieren. Die Fotos waren da bereits öffentlich.
Bei anderen großen Online-Plattformen sind die Verantwortlichen bekannt. Für Facebook zum Beispiel ist es Mark Zuckerberg, der sich schon mehrfach zu Vorwürfen äußern musste, der öffentlich „Sorry“ gesagt hat. Bei xHamster hat noch keine führende Person Gesicht gezeigt und der Öffentlichkeit Erklärungen geliefert. Wer sind die Menschen hinter dieser Plattform?
Recherchen des Nachrichtenmagazins SPIEGEL und von STRG_F, dem Reportageformat des NDR für funk, zeigen nun erstmals genauer, wer hinter Deutschlands meistbesuchter Pornoseite steckt. Rund um xHamster gibt es eine Reihe von Firmen, deren Spur zuerst nach Zypern führt, dann in die Karibik. Bei der Recherche landet das Team auf einer IT-Party im Strandclub unter Palmen – und auf steinalten Pornoseiten mit Namen wie „rapeisland“, auf Deutsch: Insel der Vergewaltigung.
In den Pornovideos auf xHamster zeigen Menschen alles. Hinter den Kulissen von xHamster hält man sich bedeckt. Die führenden Köpfe von xHamster meiden die Öffentlichkeit. Manche verbergen ihre Identität sogar vor ihren Angestellten, wie die Recherche zeigt. Und der eine Name, der seit Jahren im Zusammenhang mit xHamster-Statements auftaucht, erweist sich offenbar als Fake.
Dennoch können SPIEGEL und STRG_F zumindest zwei Personen identifizieren, die bei xHamster seit den ersten Jahren eine zentrale Rolle spielen: Oleg Netepenko und Dmitry Gusev, dazu später mehr. Beide haben E-Mails mit ausführlichen Fragen nicht beantwortet.
Netzpolitik.org kann die Ergebnisse zusammenfassen, da der Autor dieses Textes dem Rechercheteam angehörte. Die komplette Recherche ist beim SPIEGEL erschienen. Eine Videodoku erscheint am Sonntag auf dem YouTube-Kanal von STRG_F.
Wie sich xHamster vor der Öffentlichkeit versteckt
Als Betreiberin wird auf xHamster.com eine zyprische Firma namens „Hammy Media LTD“ genannt. Doch Recherchen von STRG_F und SPIEGEL zeigen: Diese Firma ist wohl vor allem Fassade.
Ihr Geschäftsführer ist laut Firmenpapieren Mardiros H. aus Zypern. Im Spätsommer fahren die Reporter:innen zu seiner Wohnadresse. Mardiros H., ein älterer Herr, ist tatsächlich zu Hause. In gebrochenem Englisch sagt H., er habe aufgehört zu arbeiten, sei in Rente. Als die Reporter:innen mehr wissen möchten, bricht H. das Gespräch ab, ruft jemanden an. Dann sagt H., er habe mit seinem Boss telefoniert und möchte nicht mehr sprechen: „Sorry. Bye bye.“
Ist H. nun in Rente – oder hat er einen Boss? Das Rechercheteam hat ihm diese und weitere Fragen zu Hammy Media per E-Mail geschickt. Eine Antwort kam nicht.
Um xHamster zu verstehen, muss man tiefer graben. Hammy Media ist nur eine von vielen zyprischen Firmen aus dem xHamster-Kosmos. Wer auf xHamster.com Werbung schalten will, muss das über die Firma „TrafficStars LTD“ abwickeln. Wer auf xHamsterLive mit nackten Models chattet, tut das auf einer Seite der Firma „Technius LTD“. Und die Firma „Tecom LTD“ betreibt Faphouse, eine Seite für kostenpflichtige Pornos, nur einen Klick von xHamster.com entfernt. Früher hieß das Angebot xHamsterPremium.
Tecom und Techinus gehören wiederum mehrheitlich einer Holding auf den britischen Jungferninseln. Die Spur von xHamster führt also in Steueroasen. In Antigua und Barbuda gibt es zudem eine Holding, die Rechte an der Marke „xHamster“ hält.
Bei einer weiteren zyprischen Firma laufen auffällig viele Fäden zusammen: „Wisebits LTD“. Wisebits gehört nicht nur die Holding auf den britischen Jungferninseln, sondern auch ein Großteil von TrafficStars. Dabei deutet beim Online-Auftritt von Wisebits so gar nichts auf Verbindungen zu einer Porno-Plattform hin.
Wisebits: „Traumkarriere“ und Pornos
Wer Wisebits.com öffnet, sieht zunächst Luftaufnahmen von dem zyprischen Badeort Limassol. Das türkisblaue Meer geht in einen Strand mit Sonnenschirmen über, zwischen weißen Hochhäusern wachsen Palmen. Mehr als 350 Mitarbeiter:innen hat Wisebits laut Website. „Sie möchten bei Wisebits arbeiten und eine Traumkarriere in unserem innovativen IT-Unternehmen machen?“, heißt es auf Englisch. „Bewerben Sie sich jetzt.“
Dutzende offene Stellen sind Anfang Oktober auf der Website ausgeschrieben, unter anderem für Software-Entwicklung und Datenanalyse, für Kund:innen-Support und „Content Moderation“, auch bekannt als Löscharbeit.
Was Wisebits hier nicht verrät: Die IT-Firma kümmert sich laut STRG_F- und SPIEGEL-Recherchen um xHamster, wie Personen aus dem Firmenumfeld bestätigen. Einen per E-Mail verschickten Fragenkatalog zur genauen Verbindung mit xHamster ließ Wisebits unbeantwortet.
Löscharbeiter:innen bei Wisebits sollen laut Stellenbeschreibung Fotos und Videos sichten. Gearbeitet werde im Schichtbetrieb: neun Stunden pro Tag, vier Tage die Woche. Auch in der Nacht und am Wochenende. Von Pornos ist hier keine Rede. Handelt es sich bei der Ausschreibung um einen Job für xHamster oder um ein völlig anderes IT-Projekt der Firma? Wisebits hat Rückfragen hierzu nicht beantwortet.
Sehr ausführlich beschreibt Wisebits auf der eigenen Website dagegen die Benefits. Bei der Firma gibt es laut Website ein tägliches Lunchbüfett, außerdem „unbegrenzt“ Snacks. Die Firma zahle den Mobilfunkvertrag, die Krankenkasse für die ganze Familie, schmeiße Partys und Sportevents. Und wer für den Job nach Zypern auswandert, bekommt Flugtickets für sich und die Familie versprochen, obendrauf einen Monat lang gratis Unterkunft und Taxi.
Auf Zypern treffen die Reporter:innen von STRG_F eine ehemalige Wisebits-Mitarbeiterin. Sie möchte anonym bleiben. Für die Pornoindustrie zu arbeiten ist für viele ein Tabu, vor allem im orthodox geprägten Zypern. Zuerst zögert sie, den Namen „Wisebits“ überhaupt auszusprechen. Es sei ein guter Arbeitgeber gewesen. An die Pornos auf den Computerbildschirmen gewöhne man sich.
Die Verschwiegenheit in der Branche geht weit. Im Alltag bei Wisebits darf man seinen Namen geheim halten, wie auch die ehemalige Mitarbeiterin bestätigt. In E-Mails und in der Chatsoftware Slack reicht demnach ein Nickname. Wisebits bewirbt das sogar auf Instagram. In einem Instagram-Post heißt es: So ein Nickname könne „Spaß“ bereiten und andere Seiten der Persönlichkeit offenbaren. Das Instagram-Profil von Wisebits ist inzwischen auf privat gestellt.
Das sind die Männer hinter xHamster
Nicknames haben auch führende Köpfe von xHamster. Jahrelang hat sich ein gewisser Alex Hawkins immer wieder öffentlich als Vizechef von xHamster geäußert. Zitate von ihm finden sich in internationalen Nachrichtenmedien von VICE bis SPIEGEL, von Forbes bis zur Tiroler Tageszeitung.
Nur – einen Alex Hawkins hat es wohl nie gegeben.
„Alex ist das Pseudonym unseres ehemaligen Vizechefs“, schreibt ein Mann, der es offenbar wissen muss. Er bezeichnet sich selbst als „CEO“ von xHamster – entsprechend lautet auch seine E-Mail-Adresse. Mitten in der Recherche nimmt er anscheinend wegen eines anderes Themas Kontakt zum SPIEGEL auf. Den wahren Namen seines Vizechefs verrät der „CEO“ nicht, genauso wenig wie den eigenen Nachnamen. Unterzeichnet hat er seine E-Mail mit „Oleg R.“. Ob er tatsächlich der CEO von xHamster ist, kann das Team nicht überprüfen. Kontakt per Telefonat oder Videochat lehnt er ab. Warum so verschlossen?
„Oleg R.“ schreibt, Vorsicht sei angemessen. Bestimmte Personengruppen hätten negative Einstellungen gegenüber der Pornobranche. „Oleg R.“ erwähnt die mutmaßliche Brandstiftung in der Villa des Pornhub-Chefs Feras Antoon. Das Anwesen ist im April 2021 abgebrannt, Täter:innen unbekannt. Pornhub ist einer der größten Konkurrenten von xHamster. Mehrere Frauen verklagen die Plattform wegen der Verbreitung von Aufnahmen sexualisierter Gewalt.
Nicknames gibt es bei xHamster aber schon lange, und zwar von Anfang an. Zwei Gründer soll die Pornoplattform haben, schreibt „Oleg R.“, doch wer das ist, möchte er nicht verraten. „Sie waren in den letzten fünf Jahren in andere Geschäfte involviert und sind nicht aktiv an der operativen Tätigkeit von xHamster beteiligt.“
Recherchen von SPIEGEL und STRG_F können zwei Personen identifizieren, die seit den ersten Jahren bei xHamster eine maßgebliche Rolle spielen. Einer davon trägt denselben Vornamen wie „Oleg R.“: Es ist Oleg Netepenko, Nickname „tigus“, geboren in Russland.
Der geheimnisvolle „tigus“
Netepenko beschäftigt sich offenbar schon als junger Mann mit der Branche. Im Netz lassen sich alte Pornowebsites finden, teilweise auf Archivseiten, deren Spur zu Netepenko führt. Das belegen Einträge in Domainarchiven, verwendete Mailadressen und der Nickname: „tigus“. Die Seiten haben Namen wie „rapeisland“. Die offenbar ältesten gingen 2003 online, da ist Netepenko gerade um die zwanzig. Sein Geburtsdatum steht in offiziellen Dokumenten.
Über Umwege finden sich Fotos von Netepenko in sozialen Medien. Ein schmaler Mann mit jungem Gesicht. Kurze, rötliche Haare. Er könnte fast ein Bruder von Mark Zuckerberg sein.
Im Jahr 2007 geht xHamster.com online. Spätere Einträge aus Domainarchiven enthüllen dazu eine E-Mail-Adresse mit dem Namen „tigus“ und eine Postadresse in Moskau. Sowohl die E-Mail-Adresse als auch das Haus in Moskau führen laut SPIEGEL- und STRG_F-Recherchen zu Netepenko.
Heute ist xHamster ein Internetgigant, Netepenko ist Ende Dreißig und inzwischen Bürger von Zypern, wie amtliche Dokumente belegen. Im xHamster-Kosmos hat er eine mächtige Position. Netepenko hat Anteile an mehreren Firmen. Und er ist mit 90 Prozent Hauptanteilseigner von Wisebits – der IT-Firma mit dem hohen Personalbedarf, bei der viele Fäden zusammenlaufen.
Auf einer IT-Party in Zypern treffen die Reporter:innen von STRG_F einen Wisebits-Mitarbeiter. Im Strandclub unter Palmen wird ein Feuerwerk gezündet. Der Mitarbeiter erzählt, seine Chefs hätten Nicknames. Einer davon: „tigus“.
Das Rechercheteam gibt Netepenko die Gelegenheit, sich ausführlich zu äußern, zum Nickname „tigus“ und zu den alten Pornoseiten, zu den Firmen rund um xHamster. Eine Liste mit mehr als 40 Fragen geht an zwei E-Mail-Adressen. Die Firma Wisebits erhält eine weitere E-Mail mit der Bitte, Netepenko Bescheid zu geben. Auch nach Tagen gibt es keine Antwort.
xHamster beantwortet keine Fragen: „privat“
Neben Netepenko gibt es eine weitere Person, die Anteile an Wisebits besitzt. Es ist Dmitry Gusev, dessen Wege sich mehrfach mit denen von Netepenko und von xHamster kreuzen. Aufnahmen von Gusev sind leichter zu finden. Er taucht auf Fotos und Firmenvideos von Wisebits auf: Bart, kurze, dunkle Haare, Polo-Shirt.
Gusev lassen sich ebenso Mailadressen und dazugehörige Nicknames zuordnen. Die Hinweise stammen unter anderem aus Online-Profilen und Domainarchiven. Recherchen von STRG_F und SPIEGEL zeigen: Ein Nickname von Gusev lautet „Hawkins“.
War es Gusev, der all die Jahre als Alex Hawkins aufgetreten ist? Sind Gusev und Netepenko die beiden Männer hinter einer der größten Pornoplattformen der Welt? Neben Netepenko lässt auch Gusev den ausführlichen Fragenkatalog des Rechercheteams unbeantwortet.
Es ist möglich, dass es neben Gusev und Netepenko noch weitere Personen gibt, die große Verantwortung für xHamster tragen. Auch lässt sich nicht ausschließen, dass im Lauf der Jahre weitere Personen Accounts oder Nicknames der beiden genutzt haben könnten. Solange die Beteiligten schweigen, lässt sich das nicht abschließend klären.
Die bis zum Redaktionsschluss einzige Reaktion erhält das Team von „Oleg R.“, dem angeblichen „CEO“ von xHamster. Von ihm wollte das Team etwa wissen, ob es sich bei Netepenko und Gusev um die xHamster-Gründer handele. Weitere Fragen betrafen die Funktion der Firmen rund um xHamster. Wie kann es sein, dass Mardiros H. angeblich in Rente ist – und zugleich Geschäftsführer von Hammy Media? Soll mithilfe von Hammy Media verschleiert werden, dass Netepenko und Gusev hinter xHamster stecken?
„Oleg R.“ beantwortet zunächst keine der 29 Fragen. Er stellt Gegenfragen. Er möchte wissen, wie das Team an „private“ Informationen der „privaten“ Firma gekommen sei. Es bleibt unklar, welche der Informationen „Oleg R.“ als privat betrachtet. Daten aus dem Handelsregister sind nicht privat, sondern öffentlich.
„Oleg R.“ möchte außerdem die Namen der „angeblichen“ Journalist:innen erfahren, die an der Recherche beteiligt sind. Eine solche Liste mit Namen bekommt er, zusammen mit der erneuten Bitte, die Fragen bis zur Frist zu beantworten. „Oleg R.“ kündigt eine Antwort an, die mehrere Tage nach Redaktionsschluss eintreffe. Wir werden den Artikel gegebenenfalls ergänzen.
xHamster hat jetzt eine Ausweispflicht
Während der „CEO“ von xHamster zunächst verschlossen bleibt, sollen Nutzer:innen noch mehr von sich preisgeben. Denn Deutschlands meistbesuchte Pornoseite hat jetzt eine Ausweispflicht – zumindest für alle, die dort Videos veröffentlichen. Wer auf xHamster blank ziehen will, soll der Plattform zuerst ein Selfie mit Personalausweis vorlegen. Fotos lassen sich derzeit gar nicht hochladen. Auf der Website heißt es: „Das Foto-Upload-Feature befindet sich in Überarbeitung und wird später wieder zur Verfügung stehen“.
Anonymität hat xHamster groß gemacht, jetzt ist es damit anscheinend vorbei.
Ein Grund dafür ist gewiss der öffentliche Druck, den Pornoplattformen spätestens seit 2020 spüren. Aktivist:innen und Politiker:innen in Europa und in den USA fordern strengere Regulierung, Nachrichtenmedien enthüllen Missstände, der Konkurrent Pornhub musste sich vor dem kanadischen Parlament verantworten.
Neue Uploads sind nun vor allem von kommerziellen Pornostudios zu erwarten, nicht mehr von Amateur:innnen. xHamster selbst begründet die Veränderungen damit, dass die Plattform eine „sichere und angenehme Erfahrung“ bieten solle. So steht es auf dem offiziellen xHamster-Account der Plattform, der schlicht „xHamster“ heißt. Auf der Pinnwand dieses Accounts häufen sich Kommentare.
„Ich habe noch NIE so langweiligen Porn auf xHamster gesehen wie in den letzten Tagen“, schimpft einer auf Englisch. „Nur LANGWEILIGE Videos von Pornofirmen.“ Ein anderer schreibt: „xHamster steckt in der Scheiße“. Ein dritter: „Was ist hier nur los? Meine Frau und ich genießen die Seite seit Jahren. Jetzt können wir nichts mehr hochladen.“
Anonym zu bleiben ist ein legitimes Interesse, wenn Menschen freiwillig Nackt- und Sexvideos von sich veröffentlichen möchten. Für manche ist es ein Hobby, andere verdienen damit Geld, auch ohne großes Pornostudio im Rücken. Je nachdem, wo man lebt, könnte man dafür diskriminiert, verfolgt oder gar getötet werden. Die Verifikation mit Ausweis ist für viele ein Risiko. Auch wenn xHamster auf der Website schreibt: „Diese Informationen sind nur für unsere Augen bestimmt.“
Andererseits kann Verifikation verhindern, dass Menschen Aufnahmen ohne Einverständnis verbreiten. Videos wie das aus der Sauna mit Hanna, die niemals nackt im Internet vorgeführt werden wollte. Hanna sagt: „Wenn man Besitzer von einer Pornoseite ist, hat man eine Verantwortung“, und diese Verantwortung habe xHamster nicht wahrgenommen. xHamster habe Strukturen gefördert, „die Frauen systematisch wehrlos machen und Machtmissbrauch von Männern aussetzen“. Es sei wichtig, dass es Pornoseiten gibt. „Aber dann sollen die das bitte korrekt machen.“
Die Bilder aus der Sauna in Niedersachsen sind zwar verschwunden, nachdem Hanna sie gemeldet hat. Weiterhin online sind aber Aufnahmen von Frauen aus anderen deutschen Saunen, zu finden in mindestens zwei Bildergalerien. Offenbar handelt es sich um Screenshots aus xHamster-Videos, die inzwischen gelöscht wurden. Das Rechercheteam hat xHamster gefragt, warum diese Bilder noch da sind. Kann xHamster nicht verhindern, dass bereits gelöschtes Material einfach wieder hochgeladen wird? Keine Antwort.
Während die Männer hinter xHamster Privatsphäre für sich beanspruchen, werden die Saunabilder noch immer angeklickt. Und mit jedem Klick wird die Privatsphäre der gezeigten Frauen erneut verletzt. Bei einer Fotogalerie sind es schon 258.376 Klicks seit dem Upload vor gut zwei Jahren, das entspricht mehr als 300 am Tag.
Korrektur: In einer früheren Version hieß es, Zypern sei katholisch geprägt, allerdings ist es orthodox geprägt. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.
>> Hammy Media Officially Launches „Cancer Doesn’t Care“ Foundation
>> Hammy Media, parent company of xHamster announces their latest charitable effort.
https://www.prnewswire.com/news-releases/hammy-media-officially-launches-cancer-doesnt-care-foundation-300249034.html
Was hier hängen bleibt – und ich frage mich warum?
„Er könnte fast ein Bruder von Mark Zuckerberg sein. “
Aber:
Das hier macht mir viel mehr Sorgen:
„Wer auf xHamster blank ziehen will, soll der Plattform zuerst ein Selfie mit Personalausweis vorlegen.“
Mal ehrlich – die haben den Schuß noch nicht gehört!
Spätestens seitdem Jeder seinen Perso kopiert um über ein (Fake-)Portal ne Ferienwohnung oder ne Hotelbuchung zu bekommen und genau diese Ausweise sich später wieder bei Love-Scammern wiederfinden, ist das doch eine weitere Aufforderung dazu, diesem Treiben noch mehr Speed zu geben.
Darüber(!) gehört aufgeklärt.
Vollumfänglich!
Was ich in den letzten Jahren an Mails mit Perso/Pass-Kopien gesehen habe, reicht für 100 Jahre.
Wie so ein Foto in dem Persodocument ausgetauscht werden kann, ist ja nun hinlänglich bekannt…
Wurden von Betroffenen die Datenschutzbehörde informiert? Und wenn ja, was ist von denen aus passiert?
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Irgendwie verstehe ich die Intention des Artikels nicht ganz. In einem Teil wird darüber berichtet, wie die Persönlichkeitsrechte von Frauen verletzt werden. Das ist schlimm und muss strafrechtlich verfolgt werden.
Und ja, die Kritik an xHamster über zu wenig Verifikation der Rechte an den hochgeladenen Inhalten kann ich auch nachvollziehen.
Aber welchen Zweck es haben soll, zu wissen, ob xHamster von Max Mustermann oder Erika Musterfrau betrieben wird, erschließt sich mir nicht. Eine vielleicht intendierte gesellschaftliche Ächtung kann ja letztendlich nicht erfolgen, da nicht alle Namen verifiziert wurden und damit auch nicht veröffentlicht wurden. Zudem stellt es die Betreiber gefährlich nahe an die Personen, welche die Persönlichkeitsrechte der Frauen verletzt haben, ohne dass es ersichtlich ist, dass die Betreiber Mittäter bei infrage stehenden Straftaten sind.
Letztendlich macht der Artikel auch nichts anderes als die Persönlichkeitsrechte der Betreiber zu verletzen, indem sie teilweise namentlich genannt werden, ihr Aussehen beschrieben wird und ihre Wohnorte veröffentlicht werden.
Diese haben bewusst Strukturen gewählt, die es ihnen ermöglichen unbekannt zu bleiben. Vielleicht wurde die Unternehmensstruktur auch nur gewählt, um Steuern zu sparen. Das ist weder illegal noch verwerflich!
Im Kontrast dazu berichtet ihr hier regelmäßig (zu Recht) negativ darüber, wenn Politiker die Identifikation von Bürgern im Internet oder an sonstigen Stellen fordern.
Ihre Frage kann ich beantworten.
Wer ein Unternehmen führt, sollte auch in Haftung genommen werden bei illegalen Handlungen. Geldwäsche, Steuerhinterziehungen, Datenmissbrauch, Kinderpornographie. Jeder der in seinem selbst gegründeten Unternehmen das zulässt, muss zur Verantwortung gezogen werden. Darum geht es.
@Anonymous: Um Haftung geht es eben nicht. Ich kann nicht erkennen, dass netzpolitik.org die Betreiber der Plattform für irgend etwas in Haftung nehmen will.
Wie sich aus dem Artikel ergibt, haben auch die Betroffenen keine Probleme damit gehabt, Klage gegen die Plattform einzureichen. („Mehrere Frauen verklagen die Plattform wegen […].“) Zudem erfolgte das Hochladen der in Frage stehenden Videos nicht durch die Betreiber der Plattform sondern durch Dritte.
Ob sich die Plattform bzw. die Betreiber eine Schuldpflichtverletzung schuldig gemacht haben, indem sie angeblich nicht schnell genug gehandelt haben, ist durch Gerichte zu klären.
Der Artikel ist eine schlichte Bloßstellung der Betreiber ohne sachlichen Grund.
Interessant auch am Ende die Empörung, dass xHamster nicht bereits gelöschtes Material beim erneuten Hochladen erkennt. Sonst war netzpolitik.org immer skeptischer, wenn es um Uploadfilter ging.
Hi :) Du sprichst automatische Filter an. Darauf geht der Text nicht näher ein und nimmt auch keine Wertung vor. Das Thema ist so wichtig, dass es weitere Recherchen verdient. Schon jetzt setzen viele Plattformen in der Branche so etwas wie Uploadfilter ein, u.a. gegen bereits bekannte Aufnahmen sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige. Wie xHamster im Detail solche oder ähnliche Filter einsetzt ist mir bislang nicht bekannnt. Das zu wissen wäre für eine kritische Einordnung wichtig.
Leider kann ich unter dem Beitrag von Sebastian Meineck nicht auf „Antworten“ klicken, deshalb wird es jetzt etwas unchronologisch.
Im Artikel steht: „Das Rechercheteam hat xHamster gefragt, warum diese Bilder noch da sind. Kann xHamster nicht verhindern, dass bereits gelöschtes Material einfach wieder hochgeladen wird? Keine Antwort.“
Wenn ich es richtig „einordne“, betrifft die Frage das a) Hochladen und nicht b) das Erkennen und schnelle Entfernen nach individueller Prüfung. Also wurde mit dem Impetus „muss doch möglich sein“ eher nach dem gefragt, was so gängig unter „Uploadfilter“ läuft.
Links zu Quellen:
– Der Beitrag im Spiegel steht hinter einer Paywall. :-(
– funk.net ist öffentlich-rechtlich und hat eine eigene Website. Wieso wird hier auf den YouTube (also Google-Verfolgung) Kanal verlinkt, statt auf das Original?
Naja, jetzt übertreibst du aber etwas mit deiner Google-Verfolgung. Auf den meisten Websites läuft auch Google Analytics.
„Auf den meisten Websites läuft auch Google Analytics“
bei mir nicht. Erstens habe ich Google Analytics und andere Spitzeldienste für das ganze Netzwerk im Router in die Sperrliste eingetragen, zweitens in jedem Browser per NoScript o.ä. angeklemmt. Letzteres, damit ich auch geschützt bin, wenn ich mal unterwegs ins Internet gehe, ohne das VPN nach hause zu verwenden.
Bei mir hat Google höchstens 5% (hoch gegriffen) der Ernte wie bei „normalen“ Usern.
Christoph Schmees: Bravo! und dito! :) Sollten alle machen.
Deswegen ja Verfolgung, oder nicht?
Der Link zur ARD ist wohl dieser:
https://www.ardmediathek.de/video/strg_f/xhamster-wer-steckt-hinter-der-pornoplattform-oder-strg_f/funk/Y3JpZDovL2Z1bmsubmV0LzExMzg0L3ZpZGVvLzE3Njk5OTU/
Respekt, Respekt, Respekt. Aber leider wie man sieht nicht streng genug.
Tatsächlich ist es so, das viele aus meinem Freundeskreis, einschließlich meiner selbst, Pornoseiten seit 2-4 Jahren komplett meiden. Nicht nur weil dort Material hochgeladen wurde, der äußerst verstörend, moralisch abscheulich (Kinder&Jugendliche die für Erwachsene herhalten müssen) sondern eben auch Zeug wo betroffene Personen nichts von wussten.
Bin ziemlich froh darüber, das das endlich öffentlich thematisiert wird. Pornos: Ja
Von mir aus gerne Amateur-Zeug, aber wenn nicht gewährleistet ist, das illegale Dinge schnell gemeldet und anschließend gelöscht werden, muss man halt strenge Regeln einführen. Gerade wenn es solch intime Dinge geht. Ist ja schließlich keine illegale Kinoseite oder so wo man nur nen Film guckt. Hier werden Menschen ausgebeutet. Über eines kann man sich sicher sein, leider: Nur weil es gesperrt wird, heißt es noch lange nicht, das Töter aufhören. Solange der Staat nicht rigoros dagegen vorgeht, kann man nur auf guten Journalismus hoffen.
Das ist mir aber ehrlich gesagt ein bisschen zu wenig (auch wenn es wichtig ist). Ich wünsch mir, das die Personen gefasst werden, deren Fre**e überall im Internet zu sehen ist und die oben drauf einige hundert Sozialstunden bekommen mit einem Schild, warum sie zu Sozialstunden verdonnert wurden „Ich habe heimlich eine nackte Frau in der Sauna gefilmt, während sie sich einfach nur entspannen wollte“ oder „Ich hab meine Freundin heimlich beim Se* gefilmt und auf xHamster hochgeladen ohne Einverständnis“.
Das würde mich zufrieden stellen ^^
Finde ich gut, dass ihr Recherche in dieser Richtung betreibt. Nur, was habt ihr denn nun herausgefunden? Oder war dieser „Bericht“ schon alles?
hallo peter! ja, das ist alles. wir wussten erst nicht, wer die männer waren. dann wussten wir es. viele grüße!