KW 45Die Woche, in der Twitter brannte und alle auf zivilen Ungehorsam einschlugen

Die 45. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 17 neue Texte mit insgesamt 416.267 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

die digitalpolitische Berichterstattung ist gerade nur von einem Thema bestimmt: Elon Musk und die Zerstörung von Twitter. Viele Medien berichten über jedes Hin und Her: An und Aus von Verifizierungshäkchen, Rein und Raus, Entlassungen, Rücktritte und Wiedereinstellungen. Wir versuchen uns lieber an einer Zusammenfassung, weil alles andere zu viel Zeit kostet und nichts bringt. Das Chaos seit der Übernahme durch den reichsten Mann der Welt ist so groß, die Situation so dynamisch, dass man nur mit offenem Mund zuschauen kann und sich wundern, wie heftig die Zerstörungskraft ist, die dort am Werke ist. 

Gleichzeitig bietet das Untergangsszenario der wichtigen Plattform auch Chancen auf einen Neubeginn. Viele Nutzer:innen wechseln gerade zum dezentralen Dienst Mastodon und sind überrascht, wie gut sich das dort anfühlt. Wie damals auf Twitter. Wie das geht und mit welchen Hilfsmitteln man leichter zu Mastodon wechseln kann, haben wir diese Woche beschrieben. Unser Redaktionsaccount sowie viele Redakteur:innen sind dort auch erreichbar und aktiv.

Die Verdrängungsgesellschaft

Um Untergang, oder besser die Verhinderung des Untergangs, geht es auch bei den Klimaprotesten der „Letzten Generation“. Die Protestgruppe macht seit einiger Zeit mit zivilem Ungehorsam auf die Klimakrise aufmerksam. Das missfällt schon länger denjenigen, die die Klimakrise lieber ignorieren oder kleinreden wollen. „Verdrängungsgesellschaft“ ist der Begriff dafür, dass ein Teil der Gesellschaft sich biedermeierartig einigelt und einfach nichts mehr wissen will von dem Unheil, auf das wir sehenden Auges zusteuern. Ein gefährlicher Trend.

Einen neuen Höhepunkt erreichte diese Verdrängung in den letzten zwölf Tagen, als sogar höchste Regierungsvertreter der Ampel verbal auf die Klima-Aktivist:innen und ihre Aktionsformen eindroschen. Vorausgegangen war der tragische Unfalltod einer Fahrradfahrerin in Berlin. Prompt kam die Schuldzuweisung an die Protestierenden, die eine Straße blockiert hatten, und ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr im Stau stand.

Was folgte waren Attacken auf die Versammlungsfreiheit und den zivilen Ungehorsam. Wildes Gerede von angeblichem Terrorismus und „ersten Toten“ der Klimabewegung. Mich hat die Heftigkeit und die Einmütigkeit erschreckt, weswegen ich das in einem Kommentar noch einmal aufarbeite – und auf den Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes verweise, der damals die Versammlungsfreiheit gestärkt hat. 

Der Streit um demokratische Protestformen ist wichtig und richtig. Wir dürfen ihn aber nicht auf Kosten der Versammlungsfreiheit und nicht auf dem Rücken der Demokratie führen. 

Ein schönes Wochenende wünscht
Markus Reuter


Öffentliches Geld – Öffentliches Gut!Es wird Zeit für freie Lizenzen bei Öffentlich-Rechtlichen

Alle sollten Wissensinhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks frei nutzen dürfen. Dies würde dem Bildungsauftrag der Anstalten gerecht werden, Lehrkräften helfen und auch freien Wissensprojekten wie der Wikipedia nutzen, sagt unser Kolumnist Jan-David Franke.

Lesen Sie diesen Artikel: Es wird Zeit für freie Lizenzen bei Öffentlich-Rechtlichen

Spionageskandal in GriechenlandWer steckt hinter dem Staatstrojaner-Einsatz?

Die jüngste Reise einer Delegation des Pegasus-Untersuchungsausschusses zum Einsatz von Staatstrojanern in Griechenland brachte wenig Licht ins Dunkel – aber es wurde deutlich, was die Abgeordneten alles nicht sehen sollen. Ein griechisches Mitglied des Ausschusses sorgt nach dem Besuch für einen Eklat.

Lesen Sie diesen Artikel: Wer steckt hinter dem Staatstrojaner-Einsatz?

Polizeilicher GewahrsamKlimaaktivisten ohne Gerichtsverfahren in Haft

Klimaaktivisten sollen in Bayern durch Präventivgewahrsam an ihren Blockaden gehindert werden. Das Polizeiaufgabengesetz, das eine solche Präventivhaft erlaubt, gehört reformiert. Denn niemand sollte wochen- oder gar monatelang ohne ein Gerichtsverfahren in Haft verschwinden, egal wie störend politische Aktionen auch sein mögen. Ein Kommentar.

Lesen Sie diesen Artikel: Klimaaktivisten ohne Gerichtsverfahren in Haft

Offener BriefBundesregierung soll biometrische Überwachung in der EU unterbinden

AlgorithmWatch und 23 weitere NGOs haben heute einen Offenen Brief an die Bundesregierung veröffentlicht. Noch bis zum 6. Dezember verhandelt der EU-Rat über einen Vorschlag zum AI Act. Der jetzige Vorschlag sieht nur ein aufgeweichtes Verbot biometrischer Überwachung vor – anders, als die Ampelparteien im Koalitionsvertrag vereinbart haben.

Lesen Sie diesen Artikel: Bundesregierung soll biometrische Überwachung in der EU unterbinden

Asyl für WhistleblowerAmpel-Regierung lässt Snowden im Regen stehen

Edward Snowden erntete zuletzt Kritik dafür, sich in Moskau aufzuhalten und zudem die russische Staatsbürgerschaft angenommen zu haben. Der Whistleblower verwies daraufhin auf fehlende Alternativen. Wir haben bei Bundestagsabgeordneten nachgefragt, ob Snowden aus ihrer Sicht hierzulande Schutz erhalten solle. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Lesen Sie diesen Artikel: Ampel-Regierung lässt Snowden im Regen stehen

Quick FreezeJustizminister:innen der Länder stellen sich mehrheitlich hinter Buschmann

Die Mehrheit der Justizminister:innen der Länder hat sich heute gegen eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Die Entscheidung stärkt Bundesjustizminister Buschmann (FDP) den Rücken. Er macht sich für das „Quick Freeze“-Verfahren stark. Für Bundesinnenministerin Faeser (SPD) bedeutet der Beschluss hingegen eine Schlappe.

Lesen Sie diesen Artikel: Justizminister:innen der Länder stellen sich mehrheitlich hinter Buschmann

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.