Spionageskandal in GriechenlandWer steckt hinter dem Staatstrojaner-Einsatz?

Die jüngste Reise einer Delegation des Pegasus-Untersuchungsausschusses zum Einsatz von Staatstrojanern in Griechenland brachte wenig Licht ins Dunkel – aber es wurde deutlich, was die Abgeordneten alles nicht sehen sollen. Ein griechisches Mitglied des Ausschusses sorgt nach dem Besuch für einen Eklat.

In Griechenland ist der Spionageskandal um Pegasus und Predator noch nicht ausgestanden. (Symbolbild) – Diffusion Bee

Vergangene Woche sind Mitglieder des Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments zu Spionagesoftware wie Pegasus nach Griechenland und Zypern gereist. Eine Delegation von zehn EU-Abgeordneten hat vor Ort mit Regierungsvertreter:innen, Journalist:innen sowie Betroffenen gesprochen.

Bill Marczak, der seit Jahren zur Spionagesoftware Pegasus forscht, hatte letztes Jahr auch die Spyware Predator auf griechischen Smartphones entdeckt. Daraufhin wurde bekannt, dass mehrere griechische Journalist:innen sowie Politiker:innen, darunter der Oppositionspolitiker und Vorsitzende der sozialistischen Partei PASOK, Nikos Androulakis, über ihre Mobiltelefone abgehört worden waren.

Das griechische Parlament hat dazu einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der aufklären soll, wer den Einsatz von Predator in Auftrag gegeben hat. Von diesem zeigten sich der EU-Ausschuss-Vorsitzende Jeroen Lenaers und die Berichterstatterin Sophie in’t Veld allerdings enttäuscht. Die einzelnen Parteien seien so wenig kooperationsbereit, dass sie jeweils eigene Berichte schreiben würden. So traf sich der griechische Ausschuss nicht als Organ mit der EU-Delegation, stattdessen mussten einzelne Treffen mit politischen Parteien vereinbart werden. „Sie konnten nur Weniges enthüllen“, sagte der Vorsitzende Lenaers auf der Pressekonferenz vergangenen Freitag. Das liege auch daran, dass die Regierungsmehrheit die Einladung wichtiger Schlüsselpersonen blockiert habe.

Auch wenn der Ausschuss des griechischen Parlaments nicht viel Licht ins Dunkel bringen konnte, stellt sich nach wie vor die Frage: Wer steckt hinter der Spionage? Die griechische Regierung gibt zu, dass beispielsweise der Oppositionspolitiker Nikos Androulakis geheimdienstlich überwacht worden sei, streitet den Einsatz der Spionagesoftware Predator dabei aber ab.

Berichterstatterin Sophie in’t Veld vergleicht in der Pressekonferenz das Stochern im Spionage-Nebel mit dem Rätsel eines Kriminalromans: „Wer hatte ein Motiv, die Mittel und die Gelegenheit [zum Einsatz dieser Software]?“, fragt sie. In ihren Augen kommen nur zwei Verdächtige infrage – viele mögliche Szenarien gebe es schließlich nicht. Entweder habe die Firma Intellexa, die Predator vertreibt, selbst die Spionagesoftware eingesetzt – oder eben die griechische Regierung unter Premier Kyriakos Mitsotakis. Auch wenn es keine Beweise gebe, deute alles darauf hin, dass Menschen in Regierungskreisen Predator eigesetzt haben.

Berichterstatterin Sophie in’t Veld
Sophie in’t Veld, Berichterstatterin des PEGA-Ausschusses (Archiv) - Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ZUMA Wire

„Es ist kein schönes Bild“

In dem Puzzle fehlten zwar noch hundert Teile, aber das Bild sei bereits erkennbar, so in’t Veld. Und es sei kein schönes Bild. Unvollständig sind die Informationen vor allem deshalb, weil die EU-Abgeordneten einige Dokumente, die als vertraulich eingestuft wurden, nicht zu sehen bekamen. Andere, die Einblick in die Arbeit des Geheimdienstes gewähren sollten, wurden „leider aus Versehen“ zerstört, so in’t Veld. Misstrauisch stimmt sie auch die Ermittlungsarbeit der Regierung, die lediglich oberflächlich und mit überschaubarem Einsatz die Bürogebäude von Intellexa durchsucht hat.

„Wenn ich an der Stelle des Premierministers wäre, würde ich jeden Schatten eines Zweifels ausräumen wollen“, äußerte sich die Berichterstatterin des PEGA-Ausschusses, die der Fraktion Renew Europe angehört. Sie betonte, dass sowohl die Regierung als auch das Parlament die Möglichkeit hätten, den Vertraulichkeitsstatus von Dokumenten zu ändern.

Die niederländische Politikerin weist auf die Parlamentswahlen in Griechenland im kommenden Jahr hin. Bis dahin sollten alle Zweifel ausgeräumt sein, denn nationale Wahlen seien auch europäische Wahlen.

Eine tanzt aus der Reihe

Nach Ende der Pressekonferenz gab es schließlich noch einen kleinen Eklat. Wie die ARD-Korrespondentin Verena Schälter auf Twitter berichtet, habe sich die EU-Abgeordnete Elissavet Vozemberg-Vriondi nach dem offiziellen Teil der Pressekonferenz vor die Kameras der griechischen Fernsehsender gestellt und auf Griechisch eine Stellungnahme abgegeben. Sie behauptete darin: Der PEGA-Ausschuss habe nichts weiter zu beanstanden und die griechische Regierung habe alles getan, um die Predator-Affäre aufzuklären. Vozemberg-Vriondi ist Mitglied der Partei „Neue Demokratie“, die in Griechenland die Regierung stellt.

Die EU-Abgeordnete Saskia Bricmont bezeichnet das als „Angriff auf unsere [d. Ausschusses] kollektive Ermittlungsarbeit“ und als typisch für die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EPP). Sie verweist darauf, dass die Ergebnisse des Ausschusses tatsächlich andere waren: Spähvorwürfen müsse nachgegangen werden, es brauche Reformen zu besserer Transparenz sowie juristische Kontrolle des Einsatzes von Staatstrojanern. Seit 2019 unterstehe der griechische Geheimdienst EYP dem Premierminister und unterliege keiner juristischen Aufsicht.

In Griechenland ist derweil ein neues Gesetz in Planung. Das soll vorsehen, dass der Einsatz von Spyware durch private Unternehmen illegal wird. Sophie in’t Veld weist darauf hin, dass der Einsatz von Spyware aber bereits illegal sei. Die bestehenden Gesetze müssten jedoch auch angewendet werden. Sie sieht auch die EU-Kommission in der Pflicht und kritisiert den schüchternen Brief, den diese an die Mitgliedsstaaten verfasst habe, mit der Bitte, die Vorwürfe zu erklären. Am Dienstag wird sie ihren Bericht vorlegen, der die Erkenntnisse des PEGA-Ausschusses vorstellen wird.

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