KW 24Die Woche, als Gesundheits-Apps hopsgenommen wurden

Die 24. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 20 neue Texte mit insgesamt 122.560 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Freund:innen von netzpolitik.org,

rund drei von zehn Deutschen meiden Nachrichten zumindest teilweise, das steht im neuen Reuters Digital News Report. Meine Kollegin Esther Menhard fasst ihn hier zusammen. Als Grund für ihr Verhalten nennt knapp ein Drittel (29 Prozent) der Nachrichten-Muffel: Sie seien erschöpft von der Menge der Nachrichten.

Im ersten Moment dachte ich: Shit, das ist überhaupt nicht gut. Nachrichten sind doch so wichtig. Die Menschen sollten uns Journalist:innen besser mal zuhören. Wie sonst sollen sie informierte Entscheidungen treffen? Doch dann ist mir aufgefallen: Nachrichten vermeiden, genau das mache ich auch.

Bewusst damit angefangen habe ich, als ich in der Anfangsphase der Pandemie ständig aufgewühlt war. Nahezu täglich hatte ich das Bedürfnis, mich mit bissigen Tweets abzureagieren. Das gezielte Dosieren – und damit auch Vermeiden – von Nachrichten hat mir geholfen, mich selbst zu schützen. Erschöpfung vor lauter Nachrichten, das kenne ich gut. Bei mir läuft diese Erschöpfung in drei Schritten ab.

  • Schritt 1: Mein Blick bleibt an einer Schlagzeile hängen. In meinem Beruf nicht zu vermeiden. Diese Woche war es etwa „Datenabfluss auf Rezept“ vom Kollektiv Zerforschung. 
  • Schritt 2: Ich denke mir, wow, ich ahne schon, was gleich kommt. In diesem Fall: Die Kohle von Krankenversicherten fließt in Apps mit peinlichen Sicherheitslücken. Mir ist klar, ich werde diesen Artikel kaum lesen können, ohne mich aufzuregen.
  • Schritt 3: Ich frage mich, wie viel meiner Empörungsenergie ich auf das Thema aufwenden möchte. Will ich mich richtig reinknien und noch mehr ausgraben? Sollte ich alle Details lesen? Wie schlimm wäre das, wenn ich diesen Aufreger einfach… überspringe?

Als Tech-Journalist mache ich es mir leicht: Was in mein Ressort fällt, lese ich. Datenabfluss auf Rezept – das lasse ich mir nicht entgehen. Hier fasst mein Kollege Philipp Groeschel das Wichtigste zusammen. Bei Aufregern aus anderen Ressorts lese ich oft nur die Zusammenfassung. Ich weiß, da haben geschätzte Kolleg:innen in monatelanger Feinarbeit bemerkenswerte Details zusammengekratzt. Aber sorry, auch ich habe Nachrichten-Erschöpfung.

Vermutlich brauchen alle Menschen ihre jeweils eigenen Routinen, welche News sie besser meiden und welche nicht. Ich glaube, Nachrichten-Vermeidung ist kein Problem, sondern eine Lösung. Journalismus soll zwar informierte Entscheidungen möglich machen, aber auch dafür brauchen Menschen Energie. Es bringt wenig, wenn schon das bloße Durchackern der Recherchen alle Reserven an Zeit und Energie verbraucht.

Ich hoffe, dieser Newsletter kann dabei helfen. Wer nicht jeden Tag im Detail mitfiebern möchte, was alles netzpolitisch schiefgeht, kann das hier einmal die Woche überfliegen – und in Ruhe nachlesen, was einen am meisten interessiert.

Ich wünsche euch genug Energiereserven
Sebastian

Neues aus dem Fernsehrat (89)Von Digitalisierung zu Demokratisierung öffentlich-rechtlicher Medien auf der #rp22

Bei der re:publica habe ich in einem Talk mit dem Titel „Weniger Netflix, mehr YouTube und Wikipedia: Zur Demokratisierung öffentlich-rechtlicher Medien“ skizziert, wie sich Konsum, Produktion und Governance öffentlich-rechtlicher Medien mit Hilfe digitaler Technologien demokratischer gestalten lassen. Es war gleichzeitig mein letzter Vortrag als Fernsehrat für den Bereich Internet.

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AuslieferungsverfahrenBoris Johnsons Innenministerin hat das Leben von Assange in der Hand

Julian Assange schmort weiterhin im Hochsicherheitsgefängnis in britischer Auslieferungshaft. Die Entscheidung der britischen Innenministerin muss bis 17. Juni fallen. Der neue australische Premierminister könnte intervenieren, aber ebenso sollten endlich auch die Regierungen demokratischer Staaten im Namen der Pressefreiheit ihr Schweigen brechen.

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Nach sieben Monaten im AmtAmpel einigt sich auf Digitalzuständigkeiten

SPD, Grüne und FDP sind sich endlich über die netzpolitische Ressortaufteilung einig. Das Digitalministerium bekommt weniger Zuständigkeiten, als der Name vermuten lässt. Auch die Ministerien für Wirtschaft und Inneres sowie das Kanzleramt werden mitentscheiden. Eine Koordinierungsgruppe soll helfen, Stückwerk zu vermeiden.

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InformationsfreiheitInnenministerium darf bei IFG-Anfragen nicht standardmäßig Adressen verlangen

Das Oberverwaltungsgericht Münster verbietet es dem Innenministerium, standardmäßig Adressen von IFG-Anfragsteller:innen zu verlangen. Mit dieser Praxis hatte das Ministerium der Transparenz seit Jahren hohe Hürden auferlegt und FragDenStaat ausgebremst.

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