Peng!Aktionskunst verklagt Geheimdienst

Der Verfassungsschutz will dem Aktionskunstkollektiv nicht sagen, ob er es geheimdienstlich beobachtet. Die Begründung: Nur natürliche Personen hätten ein Auskunftsrecht, nicht aber Vereine. Dagegen geht Peng nun vor Gericht vor.

Personen befestigen das Grundgesetz an dem Eingangsschild des Verfassungsschutzes
Aktivisten vom Peng-Kollektiv kleben das Grundgesetz an die Einfahrt des Bundesverfassungsschutzes. CC-BY 2.0 Peng! Kollektiv

Zusammen mit dem Künstler:innenkollektiv Peng erhebt die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) heute Untätigkeitsklage vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Das Kunstkollektiv hatte nach Polizeirazzien und nachdem es auf eine Terrorliste gesetzt wurde beim BfV angefragt, ob der Verfassungsschutz den Verein beobachte und Daten über ihn speichert. Der Inlandsgeheimdienst lehnte die Anfrage mit der Begründung ab, dass ein Auskunftsrecht nur natürlichen Personen zustehe. Dagegen legte Peng einen Widerspruch ein, der allerdings erfolglos blieb.

„Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gilt auch für Vereine und Organisationen – das muss endlich gerichtlich anerkannt werden!“, sagt Vivian Kube, Rechtsanwältin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. “Sonst werden Menschen immer dann nichts von der Beobachtung des Verfassungsschutzes erfahren können, wenn sie sich zusammengeschlossen haben. Das könnte regelrecht davon abschrecken Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit oder die Kunstfreiheit gemeinsam auszuüben oder Vereine zu gründen – mit katastrophalen Folgen für die Zivilgesellschaft“, so Kube weiter.

Abschreckende Wirkung

Wenn sich die Rechtsauffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz durchsetze, dürften Verfassungsschutzämter Vereine und Organisationen beobachten und deren Aktivitäten auswerten, ohne darüber Auskunft geben zu müssen, schreibt die GFF in ihrer Pressemitteilung. Das stehe in scharfem Kontrast dazu, dass gerade bei Vereinen ja die dahinterstehenden Menschen aktiv werden. Die Bürgerrechtler von der GFF sehen darin eine Gefährdung des Handlungsspielraumes der Zivilgesellschaft und der kollektiven Grundrechtsausübung, weil die Praxis des Geheimdienstes Menschen abschrecken könnte.

Das als Verein organisierte Aktionskunstkollektiv setzt sich seit Jahren mit den Themen Klimaschutz, Kapitalismus, Überwachung sowie Migration auseinander und gerät dabei immer wieder mit provokativen Aktionen in die Schlagzeilen. „Der Verfassungsschutz hat in Deutschland nicht umsonst traditionell einen sehr schlechten Ruf“, sagt Peng-Mitglied Galina von Spitzelstein, die nur unter Pseudonym sprechen möchte. Laut der GFF hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Grundsatz entschieden, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch auf juristische Personen anwendbar ist. Mit diesem Verfahren möchte die Bürgerrechtsorganisation diesen Grundsatz auch gegenüber dem Verfassungsschutz durchsetzen.

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6 Ergänzungen

  1. In der Pressemitteilung der GFF finde ich „Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Grundsatz entschieden, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch auf juristische Personen anwendbar ist. “ – wo bitte?

      1. Soweit ich sehen kann (auch kein Anwalt) bezog sich dieses Urteil auf Maßnahmen gegen Geldwäsche und einen starken Punkt haben die an dieser Stelle auch nicht. Interessant ist, das GG Artikel 2, Absatz 1 als Grundlage für juristische Personen erwähnt wird – also die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Und ironischerweise wird Peng beobachtet weil der Vorwurf existiert, der Verein würde bei der freien Entfaltung zu Straftaten aufrufen, also genau in die Einschränkung von Artikel 2 „soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ fallen.

        Es wird auf jeden Fall spannend.

        Was mich ein bisschen ratlos macht ist; sollte Peng einen Anspruch auf Auskunft durchsetzen können, werden das auch andere durch den Verfassungsschutz Beobachtete können und da sind dann doch ein paar Fälle dabei die nicht unter Aktionskunst einzusortieren sind.

        1. Tja vielleicht eben doch den Bereich der Kunst mehr schützen als Politik, Martial Arts, Fußball, … ok, Fass ohne Boden.

          Oder es gibt eine bessere Vorprüfung, speziell wo es um geldverschwendungsaffinen Bagatellscheiß geht? Oder so eine Art Vier-Augen-von-weit-weg-Prinzip, wo einer tatsächlich guckt, ob das was passiert ist mit den Vermutungen übereinzubringen ist?

  2. Siehe auch:
    (Leser, die diesen Artikel gelesen haben, lesen auch:)

    Peng: Keine Auskunft unter diesem Verein
    https://netzpolitik.org/2022/peng-keine-auskunft-unter-diesem-verein/
    28.01.2022

    Sieben Dinge, die Du für eine erfolgreiche Selbstauskunft wissen solltest
    „Mit Selbstauskünften kannst du herausfinden, was Behörden wie Polizei und Verfassungsschutz über Dich gespeichert haben.“
    https://netzpolitik.org/2019/sieben-dinge-die-du-fuer-eine-erfolgreiche-selbstauskunft-wissen-solltest/
    25.03.2019

    Selbstauskunft beim Verfassungsschutz anfordern: „Ich habe netzpolitik.org gelesen!“
    https://netzpolitik.org/2015/selbstauskunft-beim-verfassungsschutz-anfordern-ich-habe-netzpolitik-org-gelesen/
    30.09.2015

  3. Hmm…das ist ja interessant…ein Verein besteht ja aus Menschen. Aus Mitgliedern und Vorstand, aus Förderern und Spendern.
    Und diese Personen müssten doch Anspruch auf Auskunft haben.
    Kann mir vorstellen, dass bei entsprechend großen Vereinen die Behörden schnell unter der Anzahl der Anfragen der Einzelmitglieder ins Schwitzen kommen …

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.