Déjà vu: Zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre stellt der Europäische Gerichtshof die anlasslose Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich in Frage. Wir bieten eine Übersicht der ersten Einschätzungen von Politikern, Bürgerrechtlern und Verbänden.
Der Europäische Gerichtshof hat heute in Luxemburg ein weiteres Urteil zur Vorratsdatenspeicherung verkündet. Hier ist die englischsprachige Urteilsbegründung. Aus der Pressemitteilung: Die Mitgliedstaaten dürfen den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste keine allgemeine Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung auferlegen. Das Unionsrecht untersagt eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten. Es steht den Mitgliedstaaten aber frei, vorbeugend eine gezielte […]
2016 war ein schlechtes Jahr für Grundrechte, Privatsphäre und Datenschutz. Ein Blick auf die wichtigsten Überwachungsgesetze und -maßnahmen in Deutschland und Europa zeigt, dass der Überwachungsstaat zuletzt stark an Boden gewonnen hat.
Geheimdienstkoordinatoren aus 15 europäischen Ländern organisieren sich in einer neuen Gruppe unter dem Kürzel „G 15“. Erste Treffen fanden in Berlin und Rom statt. Eigentlich sollten die Teilnehmenden geheim bleiben – einer der eingeladenen Gäste machte sie aber jetzt bekannt.
Westliche Demokratien laufen mit ihrer Überwachungsaufrüstung Gefahr, investigativen Journalismus zu unterdrücken, wie wir es bisher nur aus autokratischen Regimen kennen – das zeigt eine neue Studie der Universität Wien. Welche Auswirkungen hat die zunehmende Überwachung auf investigative Journalisten und mit welchen Mitteln wehren sie sich?
Der BND hat jahrelang befreundete Staaten in EU und NATO abgehört. Nach einer öffentlichen Ansage von Kanzlerin Merkel wurde das zunächst beendet, aber einige Ziele später wieder aufgenommen. Die NSA hat für den BND weiter Freunde überwacht. Das kam in der der 124. Sitzung des Untersuchungsausschusses ans Licht.
Der BND speichert massenhaft Metadaten in seiner Datenbank VERAS und kann deutsche Inhaber von Telefonnummern jederzeit identifizieren. Das geht aus einem internen Rechtsgutachten hervor, das WikiLeaks veröffentlicht und Reporter ohne Grenzen gefunden hat. Die Presse-NGO nutzt es für ihre Klage gegen den Dienst.
Ermittlungsbehörden setzen verstärkt auf Gesichtserkennungssysteme. Neben der Suche nach unbekannten StraftäterInnen könnte der automatische Abgleich mit entsprechenden Datenbanken künftig bei jedem Übertritt einer EU-Außengrenze erfolgen. Interpol überlegt, auch Bilder in sozialen Netzwerken zu durchforsten.
Der syrische Überwachungsstaat wurde von westlichen Firmen aufgebaut. Bei dem Geschäft mit Überwachungstechnologien gehen Profite über Menschenrechte. Verschleierung und Umgehung von Sanktionen und Exportkontrollen haben System. Damit sich das ändert, müssen Staaten und Unternehmen endlich mehr tun.
Der syrische Staat besitzt ein umfassendes System technischer Überwachung und Zensur, an dem westliche Hersteller und dubiose Mittelsmänner profitiert haben. Das geht aus einer aufwendigen Recherche und internen Dokumenten hervor, die wir veröffentlichen. Eine der Firmen wirbt mit deutschem Image: Advanced German Technology.
Die Fingerabdruckdatei EURODAC war das erste Informationssystem der Europäischen Union mit biometrischen Daten. Nun sollen auch durchsuchbare Lichtbilder verarbeitet werden. Geflüchtete werden abermals zu Versuchskaninchen für mehr Überwachung.
Eine umfangreiche Recherche zur Grenz- und Sicherheitspolitik der EU zeigt: Mitgliedsstaaten und Kommission pumpen Milliarden in die technologische Aufrüstung. Das wachsende Überwachungssystem zahlt sich vor allem für beteiligte Unternehmen aus.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz nimmt seit zwei Monaten teilweise direkt an Asylanhörungen teil. Und das soll geheim bleiben, zeigt ein internes Papier des Bundesinnenministeriums. Damit geht der Verfassungsschutz noch weiter als zuvor der BND, der jahrelang unter Tarnung Nachbefragungen durchführte und dafür Kritik erntete.
Bei digitalen Ermittlungen stehen die Behörden häufig vor dem Problem, dass die begehrten Daten auf Servern im Ausland liegen oder die Diensteanbieter nicht auf Herausgabeverlangen reagieren. Die EU-Kommission arbeitet deshalb an einheitlichen Standards. Einige Firmen kooperieren bereits.
Das Bundeskriminalamt verfügt laut Medienberichten über selbst programmierte Software, die es ihr ermöglicht, Accounts beim Messenger-Dienst Telegram zu knacken. Dadurch kann sie unverschlüsselte Nachrichten ohne Wissen der Betroffenen und des Anbieters mitlesen.
Verschlüsselung und Menschenrechte: Laut zweier Wissenschaftler sind diese beiden Begriffe eng miteinander verbunden. Ohne den Einsatz von Verschlüsselung wären die Meinungsfreiheit und der Schutz der Privatsphäre im Internet nicht gewährleistet.
In ihrer Rede beim CDU-Parteitag betont Angela Merkel ihr Vorhaben, statt auf Datensparsamkeit künftig auf Datenreichtum zu setzen. Auch die technische Überwachung staatlicherseits müsse ausgebaut werden. Anlässlich der Sorgen um die Diskussionskultur im Netz setzt die Kanzlerin ebenfalls auf Strafverfolgung und ruft ihren Parteigenossen zu: Das Internet sei kein „rechtsfreier Raum“. Wirklich.
Ein 32-jähriger Mann ist in Frankreich zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil er mehrfach Websites besucht hat, die der Gruppe „Islamischer Staat“ (IS) nahestehen sollen. Rechtliche Grundlage für die Verurteilung ist ein im Zuge des Anti-Terror-Pakets erlassenes Gesetz. Gegen das wird auch vor dem Verfassungsgericht geklagt.
Der jetzt online stehende 90 Gigabyte große Fundus an Dokumenten aus dem NSA-Untersuchungsausschuss bietet der Öffentlichkeit erhellende Einblicke in Geheimdienstarbeit. Die Arbeit des Untersuchungsausschusses könnte die Enthüllung jedoch erschweren.
Wenn es nach Natalya Kaspersky geht, sollen alle Daten russischer Internetnutzer Eigentum des Staates werden. Um sich gegen unliebsamen ausländischen Einfluss zu schützen, könnten bald sämtliche E-Mails, Standortdaten und Kontakte in staatlicher Hand landen.