KW 48Die Woche, in der wir Fakten checkten

Die 48. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 30 neue Texte mit insgesamt 170.832 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

beim Mittagessen hat jede:r seine eigenen Vorlieben. Der eine möchte seinen Lunch in aller Stille genießen, die andere isst mit einem Podcast im Ohr. Weitaus weniger verbreitet ist meine neue, ganz persönliche Präferenz: Fakten checken.

Während netzpolitik.org seit vielen Jahren erfolgreich den Bullshit da draußen bustet, war der Kampf gegen Desinformation beim Büro-Lunch bisher eher selten. Das sollte sich während meines Praktikums ändern. Eines Oktobermittags gab unser Head of Gestaltung sein vermeintliches Wissen über Mainz zum Besten – der Studienstadt meiner Mit-Praktikantin Hasset. Dort stünde eine große Karl-Marx-Statue, der Mann sei schließlich in Mainz geboren, behauptete Ole.

Mir kam das gleich merkwürdig vor. Eine Websuche zwischen zwei Bissen bestätigte meine Zweifel. Tatsächlich ist Marx in Trier geboren – ja, dort steht sogar eine Statue von ihm, die einst die chinesische Regierung der Stadt geschenkt hatte. Ein längerer Aufenthalt von Marx in Mainz ist, obwohl der Nationalökonom seinerzeit viel herumkam, nicht dokumentiert.

Ich konnte Oles Desinformation also aufdecken. Und auch seine Ausflüchte, dass Mainz und Trier ja quasi nebeneinanderlägen, wurden durch eine weitere Websuche rasch widerlegt (Luftlinie: circa 119 km). Ihm als Original-Berliner sei dieser spezielle Blick auf Deutschland verziehen, Bewohner:innen der Hauptstadt wird eh nachgesagt, dass ihnen der Rest Deutschlands schnuppe sei.

Auch wenn wir viel gelacht haben: Jenseits des Mittagstischs sind Falschinformationen bekanntlich eine ernste Sache. Unter anderem deswegen sehen sich immer mehr Medien und Werbekunden zum X-Odus genötigt. Die UNESCO sorgt sich ebenfalls vor Falschinformationen und hat Leitlinien zur Governance von Plattformen veröffentlicht. Die Bundesregierung hat derweil ihre ganz eigene Haltung zu – eindeutig als Satire gekennzeichneten – Deepfakes, was in dieser Woche antifaschistische Künstler:innen zu spüren bekamen.

Unser bürointerner „Desinformationslunch mit Ole“ entwickelte sich im Laufe der vergangenen Wochen übrigens zu einer beliebten Tradition. Wir debattierten über das wahre Ende von Rotkäppchen, erneuerten unser Wissen zu deutschem Glücksspielrecht und entdeckten gemeinsam eine absurde schweizerische Fake-News-Schleuder. Der Kampf gegen Falschnachrichten, Verzerrungen und Bullshit – er ist eben nicht nur wichtig, zäh und mitunter ermüdend, sondern er kann auch zusammenschweißen.

Das hat während meines Praktikums auch eine andere Gruppe unter Beweis gestellt – nämlich Ihr, liebe Leser:innen. Immer wieder ergänzt Ihr unsere Beiträge mit Kommentaren oder Ihr postet kritische Anmerkungen auf Social Media. Wenn das die eigenen Texte betrifft, ist dies – offen gestanden – mitunter herausfordernd. Aber dieses Feedback ist enorm wichtig. Denn dank Euch können wir jene Fehler korrigieren, die selbst uns hin und wieder unterlaufen. Danke!

„Danke“. Dieses Wort habe ich in den vergangenen Tagen häufig gesagt. Denn diese Woche ging mein Praktikum bei netzpolitik.org zu Ende. Ich werde es sehr vermissen, täglich in diesem Büro zu sein und mit den Kolleg:innen zu schreiben. Nicht nur, aber auch wegen der Faktenchecks am Mittagstisch.

Euch ein kulinarisches Wochenende

Leonhard

Der Feind vor meinem HausPolizeiverbindungen in die rechte Szene verunsichern Jüdische Gemeinden

Immer wieder kommen rechtsextreme und antisemitische Aktivitäten von Polizist:innen ans Licht. Zum Beispiel der Fall eines Reichsbürgers in Uniform, der die Sicherheit jüdischer Einrichtungen gewährleisten soll. Das erschüttert das Vertrauen jüdischer Bürger:innen in die Strafverfolgungsbehörden.

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FrankreichAlgorithmus weist Arbeitslosen ein höheres Risiko zu

Wer arbeitslos ist oder nur wenig verdient, hat es schwer. Eine Software der französischen Familienkasse macht es Betroffenen gleich nochmal schwerer und weist ihnen einen höheren Risikowert für Betrug oder Überzahlungen zu. Eine französische NGO hat das Programm analysiert und kritisiert diskriminierende Kriterien.

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Letzte GenerationDer Streit um das abgehörte Pressetelefon geht weiter

Das Amtsgericht München geht davon aus, dass das Pressetelefon der Letzten Generation rechtmäßig abgehört wurde. Betroffene Journalisten wehren sich nun weiter gegen den Eingriff in die Pressefreiheit. Es gehe um mehr als die Einzelfälle, kritisieren Reporter ohne Grenzen und die Gesellschaft für Freiheitsrechte.

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Europäischer GesundheitsdatenraumEU-Parlament will kein Widerspruchsrecht bei elektronischer Patientenakte

Gesundheitsdaten aller EU-Bürger:innen sollen schon bald in einem europäischen „Datenraum“ gespeichert werden. Ein umfassendes Widerspruchsrecht will derzeit weder die Kommission noch das EU-Parlament. Damit aber droht das Vorhaben mit aktuellen Plänen der Bundesregierung zu kollidieren.

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Kampf gegen DesinformationUnesco veröffentlicht Leitlinien zur Regulierung sozialer Plattformen

Die Weltkulturorganisation macht Vorschläge für eine globale Lösungsstrategie gegen Desinformationen und Hassrede. Unter anderem fordert sie verpflichtende Menschenrechtsprüfungen für Plattformen, Transparenz und Content Moderation in allen genutzten Sprachen.

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Recht auf AsylAnwalts-Netzwerk hält Abschiebegesetz für verfassungswidrig

Die Bundesregierung will mit dem „Rückführungsverbesserungsgesetz“ schneller abschieben. Rechtsexpert:innen halten die geplanten Regelungen für verfassungswidrig und fordern mehr Integrationsangebote. Die Verengung auf eine kleine Zahl von Ausreisepflichtigen leite „Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen“.

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Nach Razzia bei RedakteurAnwält*innen wollen Zugriff auf Laptop-Daten stoppen

Bei einer Razzia gegen einen Journalisten des Freiburger Senders Radio Dreyeckland hat die Polizei auch einen dienstlichen Laptop mitgenommen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte will nun per Eilantrag verhindern, dass Beamt*innen „zehntausende vertrauliche Mails der Redaktion“ auswerten.

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AktionskunstBundesregierung nutzt Zensurheberrecht gegen unerwünschtes Kanzler-Video

Die Bundesregierung hat das Deepfake-Video vom Zentrum für Politische Schönheit jetzt auch auf YouTube löschen lassen. Sie beruft sich dabei auf das dafür eigentlich nicht vorgesehene Urheberrecht. Die Künstler sprechen von Zensur und kündigen rechtliche Schritte gegen die Bundesregierung an.

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Europäisches MedienfreiheitsgesetzAbgeschwächter Sonderstatus für Medien auf großen Plattformen

Diese Woche verhandelten EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten über einen umstrittenen Sonderstatus für Medien auf großen Plattformen. Doch das ist nicht der einzige Streitpunkt im EU-Medienfreiheitsgesetz: Um das staatliche Hacken von Journalist:innen ringen sie weiterhin.

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