Willkommen zum vorvorletzten Wochenrückblick des Jahres Zweitausendfünfzehn! Seit 18 Tagen blicken wir (fast) jeden Tag im Rahmen des #netzrückblicks auf die netzpolitischen Themen des Jahres zurück. In dieser Woche haben wir unter anderem Beiträge zum Breitbandausbau und ein Videointerview mit Markus zu den Folgen der Landesverrat-Ermittlungen veröffentlicht.
Diese und alle weiteren Beiträge finden sich auf unserer Übersichtsseite. Im Folgenden die Zusammenfassung der wichtigsten Beiträge der Kalenderwoche 51 – wer diese demnächst in seinem oder ihrem E-Mail-Postfach haben möchte, kann sich hier zum Newsletter anmelden.
Neues aus der EU: Hurra, Hurra, der Datenschutz ist da
Nach einer vierjährigen Debatte haben sich die Verhandlungsführer*innen des Europäischen Parlaments, der EU-Kommission und des Ministerrates über den genauen Wortlaut der EU-Datenschutz-Grundverordnung geeinigt. Wir haben Reaktionen und Kommentare aus Presse, Politik und Verbänden gesammelt.
Aus Brüssel wurde außerdem bekannt, dass die europäischen Regulierungsbehörden bei der Erarbeitung der konkreten Leitlinien zur Netzneutralität eng mit ihren US-amerikanischen FCC-Kollegen zusammenarbeiten wollen. Kooperationen gibt es auch zwischen den Ermittlungsbehörden der Schengen-Staaten, deren Ausschreibungen zur verdeckten Beobachtung oder Kontrolle von Personen sich seit 2013 zahlenmäßig nahezu verdoppelt haben. Die meisten ausgeschriebenen Personen sollen demnach vermeintliche islamistische Terroristen seien, denen laut dem EU-Koordinator für Terrorismusbekämpfung nun auch in Sozialen Netzwerken Konter gegeben werden soll.
Vorratsdatenspeicherung tritt in Kraft
Schon seit dem Start dieses Blogs ist der Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung (VDS) eines unserer Hauptthemen. Wir haben die erste VDS-Einführung erlebt, bei der von uns vorhergesagten Ablehnung durch das Bundesverfassungsgericht gefeiert und in den letzten Monaten gegen eine Wiedereinführung angeschrieben. Trotz alledem: Seit heute ist das „Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ in Kraft – zahlreiche Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht sind angekündigt. Schon zu Beginn der Woche hat das bayerische Kabinett beschlossen, dem hiesigen Amt für Verfassungsschutz den Zugriff auf die gespeicherten Verbindungsdaten zu erlauben.
Viel Kritik gibt es auch am Gesetzentwurf zur Störerhaftung, zuletzt in der Sachverständigen-Anhörung des Wirtschaftsausschusses, wie unser Außenreporter Jakob beobachtet hat. Aus einer Kleinen Anfrage der Grünen geht hervor, dass sich die Bundesregierung beim gescheiterten Leistungsschutzrecht vehement gegen eine Evaluierung in naher Zukunft wehrt.
Von Zeugen, bei denen niemand weiß, warum sie geladen sind
Wie in jeder Sitzungswoche des Bundestages fand an diesem Donnerstag der Geheimdienst-Untersuchungssauschuss statt. Die Befragungen des BND-Mitarbeiters H. K. und des Völkerrechtlers Dr. Koch aus dem Auswärtigen Amt stehen in unserem Liveblog zur Nachlese bereit. Zum besseren Verständnis des Protokolls gibt es außerdem nun einen Abkürzungswegweiser.
Im Vorfeld der Sitzung wurde bekannt, dass drei BND-Mitarbeiter ihre Posten im Zuge der Selektoren-Affäre wechseln müssen. Da einer von ihnen zurück zur Bundeswehr geht und die anderen beiden nur innerhalb des Nachrichtendienstes die Abteilung wechseln, ist hier wohl nicht von einer „Strafversetzung“ auszugehen. Dass mehr als rein personelle Veränderungen beim Bundesnachrichtendienst notwendig sind, zeigt auch der Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur BND-Selektorenliste deutlich.
Dass die Große Koalition ihre ganz eigene Auffassung von Rechtsstaatlichkeit hat, legen zwei Beispiele aus dieser Woche nahe: Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Burkhard Lischka fordert in einem Positionspapier Weihnachtsmarktverbote, Stadtteil-Arreste und Handy-Verbote für „fanatische Djihadisten“, während die Bundesregierung jegliche völkerrechtliche Probleme bei ihrem „Cyber-Krieg“ geflissentlich ignoriert.
Staatliche Hackerangriffe bei Twitter
Für Aufregung sorgten Anfang dieser Woche die Mitteilungen des Kurznachrichtendienstes Twitter an einige Nutzer*innen, dass ihr Account von einem staatlichen Hackerangriff betroffen sein könnte. Im Zuge dessen ist es zu einer kleinen Debatte um die Nutzung von Twitter mittels des Anonymisierungsdienstes Tor gekommen, auf die Constanze und Jens Kubieziel hier reagiert haben. Niemand sollte die „Finger von Tor lassen“, stattdessen sollte die Nutzung und Entwicklung von sicheren und nutzbaren Anonymisierungswerkzeugen vorangetrieben werden!
Pressefreiheit: Ein Blick in die Welt
Apropos Twitter: Das Berkman Center for Internet & Society der Universität Harvard veröffentlichte vergangene Woche eine Studie über die Nutzung von Twitter in Saudi-Arabien. Während die klassischen Medien einer strikten staatlichen Kontrolle unterliegen, ist Twitter vergleichweise frei und wird ausgiebig genutzt, um politische und soziale Themen zu diskutieren. Dass das nicht immer gut ausgeht, zeigt ein aktueller Fall aus Brasilien: Innerhalb von elf Tagen sind dort zwei Blogger und ein Radio-Journalist ermordet worden. Diese sind wahrscheinlich noch nicht in der sowieso schon erschütternden Jahresbilanz der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen vermerkt: Demnach wurden 54 Journalist*innen im Laufe des Jahres entführt sowie 153 hauptberufliche Journalist*innen in Haft genommen.
Von Brasilien handelt auch die folgende Meldung: Der Nachrichtendienst WhatsApp sollte dort für 48 Stunden gesperrt werden, weil die Betreiberfirma in einem Strafverfahren nicht kooperiert haben soll. Ein anderes Gericht sah dies aber als unverhältnismäßige Bestrafung an und verbot die Sperrung nach 14 Stunden.
Laut der spanischen Whistleblower-Plattform filtra.la hat die dortige Regierung nun eine Lizenz für das umfassende Überwachungssystem Evident-X-Stream, welches Daten abfangen, sie analysieren, aufbereiten und an die Strafverfolgungsbehörden versenden kann. Eine gute Abwehrmethode bleibt aber auch bei diesem Programm: Mit verschlüsselten Inhalten und Verbindungen kann Evident-X-Stream nichts anfangen. Encrypt everything!
Remixe, Kurzgeschichten, Weihnachtsgeschenke
Für unseren #netzrückblick hat Georg Fischer, Betreiber des Blogs Jäger und Sampler, einen Blick auf die Remixe des Jahres 2015 geworfen. Die Wikipedia lässt in einem Video das Jahr ausschließlich mit Inhalten unter freier Lizenz Revue passieren. Dem Urheberrechtsjahr näherten wir uns in derselben Reihe mithilfe von Star-Wars-Metaphern: Die Reform des Urheberrechts als die dunkle Bedrohung, Fair Use als Jedi-Ritter und zu guter Letzt der Wissenschafts-Verlag Elsevier als Imperator Darth Sidious.
Für alle, die noch eine Geschenkempfehlung brauchen, hat das netzpolitik.org-Team mal in das Büroregal geschaut und die besten Bücher, Dokumentarfilme, Serien und Podcasts zu netzpolitischen Themen der vergangenen Monate zusammengestellt. In der Liste fehlt allerdings der empfehlenswerte Kurzgeschichten-Band „Pwning Tomorrow“ der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) aus den USA.
Kompetenz als Einstellungsgrund?
Zugegebenermaßen eine rhetorische Frage, besonders wenn es um Führungspositionen in Behörden, die was mit diesem Internet machen, geht. Neben unserem Lieblings-EU-Kommissar Oettinger, dem wir einen eigenen #netzrückblick-Artikel widmeten, ging es in dieser Woche um den neuen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Vielleicht würde ihm die Lektüre des Einführungspapiers IT-Sicherheit der Stiftung Neue Verantwortung bei der nötigen Weiterbildung vor dem Antritt seines Postens helfen.
0 Ergänzungen
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.