#netzrückblick: Das Urheberrechtsjahr 2015 in Star-Wars-Metaphern

campact via flickr (CC BY-NC 2.0)

In ihrem Buch „Internet: Segen oder Fluch“ widmen Sascha Lobo und Kathrin Passig ein ganzes Kapitel dem Thema Internet-Metaphern und beobachten deren gehäuftes Auftreten beim Thema Urheberrecht:

„Besonders die Debatte um Urheber- und Verwertungsrechte im Internet wird derart metapherndurchtränkt geführt, dass allein die Begriffe schon ein Weltbild samt Universallösung installieren, noch bevor das erste Argument ausgetauscht ist.“

Statt eines Jahresrückblicks in Buchform gibt es dieses Jahr jeden Tag im Dezember einen Artikel als Rückblick auf die netzpolitischen Ereignisse des Jahres. Das ist der 18. Beitrag in dieser Reihe. netzpolitik.org finanziert sich über Spenden. Wenn euch unsere Berichterstattung in diesem Jahr gefallen hat, freuen wir uns über ein kleines Weihnachtsgeschenk für unseren Blog.

Im Rahmen dieses Rückblicks auf das Urheberrechtsjahr 2015 wollen wir die vorhandene Metaphernvielfalt um solche aus dem Star-Wars-Universum bereichern.

copyright-wars

Die dunkle Bedrohung aka die Reform des EU-Urheberrechts

Die Grundzüge des EU-Urheberrechts wurden in der 2001 verabschiedeten und daher lange vor YouTube, Facebook und Wikipedia verhandelten Info-Soc-Richtlinie festgelegt. Viele aktuelle Probleme mit dem Urheberrecht lassen sich deshalb auch auf deren Einseitigkeit und Inflexibilität zurückführen. Im Jahr 2015 wurde aber endlich damit begonnen, die Regeln dieser Info-Soc-Richtlinie kritisch zu hinterfragen und damit den Auftakt zur anstehenden EU-Urheberrechtsreformdebatte zu liefern.

Den Anfang machte ein Evaluationsbericht des EU-Parlaments, der unter Federführung der deutschen Piratenabgeordneten Julia Reda erarbeitet und schließlich mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Während Redas Vorgängerin als Piratenabgeordnete, Amelia Andersdotter, schon deren Entwurf als zu wenig weitreichend kritisiert hatte, erntete Reda unerwarteten Zuspruch unter anderem von Seiten des Sprechers der „Initiative Urheberrecht“, Gerhard Pfennig. Die heftige Debatte um den Reda-Bericht mit über 500 Änderungsanträgen zeigte aber auch, dass es vor allem Extrempositionen von Teilen der Rechteinhaber sind, die auch nur moderate Anpassungen des Urheberrechts sehr schwierig machen.

Eine dunkle Bedrohung für eine zeitgemäße Reform des Urheberrechts stellen hingegen die teilweise kryptischen Pläne der EU-Kommission bzw. des deutschen EU-Kommissars Günter Oettinger dar. Denn abgesehen vom begrüßenswerten, aber letztlich nur halbherzigen Kampf gegen Geoblocking, bemüht sich Oettinger scheinbar vor allem darum, ein in Deutschland gescheitertes Leistungsschutzrecht für Presseverleger auf EU-Ebene wiederauferstehen zu lassen.

Die Jedi-Ritter aka Fair Use

Während in Europa die Modernisierung des Urheberrechts also gerade erst anläuft, belegte das zweitinstanzliche Urteil im Google-Books-Prozess einmal mehr die größere Innovationsoffenheit des US-Copyrights. Dessen Fair-Use-Klausel erlaubt es, innovative neue Dienste erst einmal anzubieten und erfordert nicht für jede neue Nutzungsweise eine Gesetzesänderung.

Fair Use ermöglicht einen zweifelsohne wünschenswerten Dienst wie Google Books, der unzählige längst vergriffene Bücher digital im Volltext durchsuchbar macht. So positiv die Entscheidung für den Zugang zu und die Nutzung von englischsprachigen Büchern auch ist, zwei Nachteile sind mit ihr verbunden. Erstens bleiben nicht-englischsprachige Werke größtenteils außen vor und zweitens ist Fair Use prinzipiell nicht vergütet. Beides zusammen macht deutlich, wie sehr ein europäisches, pauschalvergütetes Pendant zu Fair Use fehlt, um auch nicht-englischsprachige Werke digital zugänglich zu machen. Norwegen zeigt hier mit seinem Bokhylla-Projekt, dass die Massendigitalisierung von Büchern inklusive freiem Volltextzugang gegen pauschale Vergütung nicht nur wünschenswert, sondern auch praktikabel sein könnte, entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen (z. B. „extended collective licensing“) vorausgesetzt.

Auch vieles im Bereich der boomenden Remixkunst und -kultur, das bereits Thema eines eigenen #Netzrückblicks war, würde mit einem an Fair Use angelehnten Recht auf Remix legalisiert werden und so helfen, eine Bresche in die dunkle, kulturfeindlichen Seite der Urheberrechtsmacht zu schlagen. Jedi-Style eben.

Die Rebellen aka Creative Commons

Wie die Rebellen sind auch die Verfechter alternativer Urheberrechtslizenzen wie Creative Commons in der Minderheit und dem (Urheberrechts-)Imperium scheinbar hoffnungslos ausgeliefert. Im Jahr 2015 konnten Creative-Commons-Rebellen dennoch beachtliche Geländegewinne in Form von Plattformunterstützung verbuchen. So erweiterte Flickr die Creative-Commons-Unterstützung um besonders liberale Lizenzversionen und auch die Blogplattform Medium implementierte die Lizenzalternativen.

CC-licensed-works2015

Kein Wunder, dass Creative Commons im Bericht „State of the Commons“ 2015 erstmals das Überschreiten von 1 Milliarde Creative-Commons-lizenzierter Werke vermeldet. Gleichzeitig gibt es besonders starkes Wachstum bei sehr offenen Lizenzvarianten die nur Namensnennung bzw. Weitergabe unter gleichen Bedingungen vorschreiben.

Der ‚Battle of Yavin‘ aka ‚Metall auf Metall‘ vor dem BVerfG

Der Kampf um Yavin führte zur Zerstörung des ersten Todessterns und war der erste große Sieg der Rebellen im Kampf gegen das Imperium. Der fast schon ewige Rechtsstreit um ein zweisekündiges Sample des Kraftwerk-Songs „Metall auf Metall“ wiederum landete 2015 vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht (BVerfG).

Das BVerfG hat nun die Gelegenheit in seiner für Anfang 2016 erwarteten Entscheidung, eine verfehlte und übertrieben restriktive Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu korrigieren, der in seiner Entscheidung auf einen „durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten“ abgestellt hatte. Dieser Maßstab ist aber in einer Zeit, in der Sampling mit jedem Smartphone möglich ist, nicht mehr zeitgemäß. In den Worten von Volker Tripp, der für den Digitale Gesellschaft e. V. als sachkundiger Dritter bei der Verhandlung in Karlsruhe vor Ort war:

Bei der Herleitung des Maßstabs für die Zulässigkeit des Samplings lässt das Gericht außer Acht, dass digitale Technologien und digitale Vernetzung schon seit Jahren in der Breite der Bevölkerung angelangt sind. Viele Menschen, die nicht als professionelle Musikproduzenten arbeiten, nutzen daher heute nahezu ständig elektronische Werkzeuge, mit denen sie in einfacher Weise bestehende mediale Inhalte zitieren, umgestalten und verbreiten können. Weitaus schwieriger ist es für diese Menschen jedoch, einzelne Sequenzen einer bestehenden Aufnahme nachzuproduzieren. Indem der BGH für die Zulässigkeit des Samplings darauf abstellt, ob ein durchschnittlicher professioneller Musikproduzent zum Nachspielen des betreffenden Ausschnitts in der Lage wäre, werden Phänomene wie Remix, MashUp und Mem, die im Internet längst zu alltäglichen Kommunikations- und Kulturtechniken avanciert sind, weitestgehend illegalisiert.

Da die Entscheidung noch aussteht, ist noch nicht gesichert, ob „Battle of Yavin“ wirklich die richtige Metapher für die Verhandlung vor dem BVerfG gewesen sein wird – oder ob nicht doch eher „Battle of Hoth“ angemessen wäre. Letzterer endete mit einer vernichtenden Niederlage der Rebellen.

Ewoks aka Promis verletzen das Urheberrecht

Ewok (Bild: Andres Rueda Lopez, CC-BY)
Ewok (Bild: Andres Rueda Lopez, CC-BY)

Vor Jar Jar Binks (siehe nächster Punkt) waren Ewoks wahrscheinlich das größte Ärgernis im Star-Wars-Universum. Eigentlich auf der guten Seite der Macht, aber dennoch irgendwie nervig. Im Urheberrechtsjahr 2015 sind es, wie schon in den Jahren davor, vor allem Promis die eine ähnliche Rolle ausfüllen. Das betrifft nicht nur die UnterzeichnerInnen des fast schon traditionellen, offenen Briefs zum Urheberrecht (dieses Mal ein Protestbrief gegen die überfällige und in weiten Teilen begrüßenswerte Reform des Urhebervertragsrechts), sondern prominente Urheberrechtsverletzer wie Jan Böhmermann oder Armin Wolf.

Jan Böhmermann hatte für die unlizenzierte Nutzung eines Fotos auf Twitter eine Abmahnung kassiert und danach einen Shitstorm gegen den abmahnenden Fotografen sowie eine Debatte zum Urheberrecht in sozialen Netzwerken losgetreten. Unser erster Beitrag zur Böhmermann-Abmahnung, in dem wir eine konkrete Lösung für das Problem vorgeschlagen haben, entpuppte sich als der meistkommentierte Beitrag des Jahres 2015.

Armin Wolf wiederum, Fernsehjournalist und Österreichs reichweitenstärkster Facebook- und Twitternutzer, veröffentlichte auf seiner Facebookseite die Übersetzung einer Reportage der New York Times – im Volltext und ohne Rechteklärung, gefolgt von dem stolzen Verweis auf über 450.000 Zugriffe. Angesprochen auf die urheberrechtliche Fragwürdigkeit seines Vorgehens zeigte sich Wolf uneinsichtig und meinte, er leiste „public service im allerbesten Sinn“. Schön dokumentiert ist der Fall bei onlinejournalismus.de.

Jar Jar Binks aka Reiss-Engelhorn-Museen

Die mit Abstand nervigste Rolle und damit den Jar Jar Binks des Urheberrechtsjahres 2015 spielten jedoch die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen. Statt stolz ihrem öffentlichen Auftrag nachzukommen und gemeinfreie Werke der Allgemeinheit zur freien Nutzung digital zur Verfügung zu stellen, mahnten sie zahlreiche Nutzer von Fotos gemeinfreier Werke ab. Die meisten von den Abgemahnten, unter ihnen auch die gemeinnützige Musikwebseite für Kinder „Musical&Co“, hatten die Bilder in der Wikipedia bzw. auf Wikimedia Commons gefunden und gutgläubig genutzt.

Bei Wikimedia Commons gibt es iinzwischen eine eigene Kategorie für Bilder, die vom Rechtsstreit mit den Reiss-Engelhorn-Museen betroffen sind (Screenshot)
Bei Wikimedia Commons gibt es iinzwischen eine eigene Kategorie für Bilder, die vom Rechtsstreit mit den Reiss-Engelhorn-Museen betroffen sind (Screenshot).

Ganz abgesehen davon, dass die Abmahnungen auf rechtlich äußerst wackeligen Beinen stehen, sind sie jedenfalls politisch falsch, wie wir in einem Beitrag zur Causa ausführlich erläutert haben. Der einzig positive Nebeneffekt der Abmahnungen durch die Mannheimer Museen könnte darin bestehen, dass die Frage nach dem urheberrechtlichen Schutz von Fotos gemeinfreier Werke auf diese Weise endlich höchstrichterlich geklärt werden könnte.

Imperator Darth Sidious aka Elsevier

Imperator Darth Sidious
Imperator Darth Sidious

Die Urheberrechtsdebatte ist alles andere als arm an Schurken. Dennoch fällt die Suche nach dem Oberschurken im Urheberrechtsjahr 2015 nicht schwer, dem Imperator Darth Sidious entspricht ganz eindeutig der große Wissenschaftsverlag Elsevier. Nicht nur deshalb, weil dessen neue „Sharing Policy“ den Namen nicht verdient, sondern vielmehr die Weitergabe von wissenschaftlichen Erkenntnissen selbst zwischen einzelnen Forscherinnen und Forschern einschränken möchte.

Ganz allgemein ist Elsevier für seine ausbeuterische Preisgestaltung berüchtigt (vgl. z.B. eine Liste der 20 teuersten Zeitschriftenabos der Universitätsbibliothek Nürnberg, von denen 19 von Elsevier vertrieben werden). Wenn sich deshalb ganze Herausgeberkreise kollektiv von Elsevier abwenden, wie dieses Jahr im Fall der Zeitschrift „Lingua“ geschehen, dann ist sich der Großverlag auch nicht zu schade, noch mit Un- und Halbwahrheiten nachzutreten. Die Überschrift von John Weitzmanns Beitrag zum Thema lautete dementsprechend und das Motiv dieses Beitrags vorwegnehmend: „The Empire Strikes Back: Großverlag Elsevier verleumdet abtrünnige Wissenschaftler“.

Fazit

Metaphern sind nie ganz richtig, sie sind eine sprachbildliche Vereinfachung ähnlich einer Theorie oder eines Modells. Lobo und Passig zu Folge taugen Metaphern demzufolge „allenfalls zur Heranführung an eine neue Thematik, für erste Annäherungen“. In diesem Sinne können die Star-Wars-Metaphern auch nur eine erste Annäherung an das Urheberrechtsjahr 2015 liefern. Fest steht jedoch, dass sowohl die Urheberrechtsdebatte als auch das Star-Wars-Franchise wohl noch viele Jahre lang mit immer neue Varianten ähnlicher Gefechtskonstellationen aufwarten werden.

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