Netzpolitischer Wochenrückblick KW 50: Woche der Überwachung

CC BY-SA 2.0, via flickr/Clevergrrl

Diese Woche war auch ohne Stattfinden des Geheimdienst-Untersuchungsausschusses von Überwachung geprägt.

Zunächst wollen wir aber auf eine Umfrage von uns, in Zusammenarbeit mit Studenten der Universität der Künste, hinweisen. In der Umfrage geht es darum, wer unsere Leserinnen und Leser sind, was sie von uns halten und was sie von uns erwarten. Da wir keine Daten über unsere Leserschaft sammeln, haben wir dazu wenig Informationen. Darum sind wir auf Eure Teilnahme angewiesen.

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Die Überwachungswoche

Der EU-Ministerrat drängt auf eine einheitliche Vorratsdatenspeicherung aller Mitgliedsstaaten. Die europäische Justizbehörde Eurojust argumentiert, eine einheitliche Umsetzung dieser anlasslosen Massenüberwachung würde Strafermittlungen und Anklagen vereinfachen. Dass die Argumente für eine Vorratsdatenspeicherung haltlos sind, dürfte aus der Vergangenheit bekannt sein.

Die Vorratsdatenspeicherung war jedoch nur ein kleiner Teil der Überwachungswoche. Google trackt nämlich Schüler bei der Nutzung von Chromebook-Schulcomputern. Die Electronic Frontier Foundation (EFF) fand das heraus und beschwerte sich daraufhin berechtigterweise bei der US-Handelskommission. Google will die Standardeinstellung der kritisierten Sync-Funktion ändern. Die EFF fordert jedoch auch die Löschung sämtlicher bisher gesammelter Daten.

Weiter ging es mit einem Leak von Gesetzentwürfen des französischen Innenministeriums zu einem Verbot von öffentlichen WLANs und dem Anonymisierungsdienst Tor. Die Pläne sind nun allerdings wieder vom Tisch. Der französische Innenminister dementierte die Pläne und bestritt, dass jemals der Plan bestanden habe, öffentliche WLANs und das Tor-Netzwerk zu verbieten.

Der EU-Ministerrat einigte sich derweil auf einen Kompromiss zur Fluggastdatenspeicherung. Die Diskussion um die Fluggastdatenspeicherung dauert bereits etwa fünf Jahre, wobei das EU-Parlament bisher dagegen war. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung kam zuletzt sogar die Hoffnung auf, das Thema könne dauerhaft beerdigt werden. Nun ist die Fluggastdatenspeicherung wieder da, und mit dem neuen Kompromiss wird die Zustimmung des Parlaments deutlich wahrscheinlicher.

Die digitalen Städte der Zukunft

Berlin soll in Zukunft nicht nur Politik- und Techno-, sondern auch digitale Hauptstadt sein. Michael Müller, der amtierende Bürgermeister, veröffentlichte mit dem Präsidenten der Technischen Universität Berlin eine Agenda mit entsprechenden Plänen. Angedacht sind beispielsweise ein flächendeckendes 5G-Netzwerk, dreißig neue Professuren im IT-Bereich und die Verbesserung von Perspektiven für Frauen in der IT-Forschung. Wir finden, man hätte darauf auch früher kommen können.

Zwischen Weihnachten und Silvester findet der 32. Chaos Communication Congress statt. Damit wird Hamburg erstmal für ein paar Tage Deutschlands digitale Hauptstadt, denn dort findet der Congress statt. Die Tickets sind bereits ausverkauft, dafür wird für alle, die kein Ticket haben, wieder fleißig gestreamt. Für alle Interessierten ist nun auch das Programm online. Wir sind ebenfalls dort und werden berichten.

BND-Leaks und Informationsfreiheit

Beim BND haben die Leaks interner Dokumente dieses Jahr zugenommen. 29 von 32 Fällen gehen dabei auf Medienveröffentlichungen zurück. Das zeigt sehr deutlich, wie dringend ein Whistleblower-Schutzgesetz benötigt wird. Die Information über die Zahl der Leaks hatte der Tagesspiegel gegenüber dem Bundeskanzleramt herausgeklagt.

Der Bundestag hat bisher mehr als 100.000 Euro ausgegeben, weil er Dokumente nicht herausgeben wollte. Das Geld wurde für zwei Prozesse ausgegeben, in denen es um die Herausgabe von Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz ging. Herausgefunden hatte das abgeordnetenwatch.de: mit dem Informationsfreiheitsgesetz.

Monopolkommission und Bundesnetzagentur

In der Vectoring-Debatte hat sich nun auch die Monopolkommission zu Wort gemeldet. Die Kommission warnt, wie schon viele andere, vor einem technologischen Monopol der Telekom in der sogenannten „letzten Meile“, dem Nahbereich der Hauptverteiler. Den Wettbewerbern werden nach dem aktuellen Entwurf der Bundesnetzagentur deutlich mehr Steine in den Weg gelegt als der Telekom.

Die Bundesnetzagentur veröffentlichte diese Woche ihren Tätigkeitsbericht. Daraus geht hervor, dass zwar mehr als zwei Millionen Haushalte über eine Glasfaser-Anbindung verfügen, diese aber nur in zwanzig Prozent der Fälle genutzt werden. Gründe dafür seien mangelnde Zahlungsbereitschaft der Haushalte und (noch) nicht vorhandene Angebote, die eine solche Bandbreite erfordern würden.

Russland, England, Miami

In Russland kann das Verfassungsgericht neuerdings Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) für verfassungswidrig erklären. Das entsprechende Gesetz wurde vom russischen Parlament festgeschrieben und ermöglicht so die Aushebelung der Urteile des EGMR.

Von der britischen National Crime Agency kam ein Fragebogen, mit dem Eltern nun in der Lage sein sollen herauszufinden, ob ihre Kinder heimliche Cyber-Kriminelle sind: ein lächerlicher, aber vor allem trauriger Versuch. Durch die oberflächlichen vermeintlichen Erkennungsmerkmale werden die betroffenen Kinder nun auch noch als mögliche Kriminelle stigmatisiert, zusätzlich zu den bereits bestehenden Klischees. Besonders anschaulich wird die Stigmatisierung in dem zur Kampagne gehörenden Video.

Eine gelungenere Aktion gab es in Miami. Dort tauchte der Künstler Trevor Paglen mit einigen anderen zu einem Transatlantik-Kabel. Dabei handelte es sich um eine Performance im Kontext einer Kunstmesse. Paglen ist dafür bekannt, mit seiner Kunst geheime Geschehen und Orte im Kontext von Macht und Überwachung zu thematisieren.

Laudatio auf Laura Poitras

Diese Woche gab es auch einen Gastbeitrag. Gerhart Baum hielt eine Laudatio auf Laura Poitras, die Regisseurin und Produzentin des Films Citizenfour. Beschrieben wird unter anderem Poitras’ Mitarbeit an der Aufarbeitung der Snowden-Enthüllungen und ihr wichtiger Beitrag, die Enthüllungen weltweit publik zu machen. Gerhart Baum ist Bundesminister a. D., Rechtsanwalt und engagierter Streiter für eine freiheitliche Gesellschaft.

Telemediengesetz und EU-Urheberrecht

Nach der ersten Lesung der umstrittenen Reform des Telemediengesetzes verschickte das „Forum der Rechteinhaber“ eine Stellungnahme an mehrere Bundestagsabgeordnete. Das Forum vertritt dabei eine Position, die den aktuellen Entwurf noch weiter verschlimmern würde. Das Forum der Rechteinhaber will, der Stellungnahme folgend, auch das Hostprovider-Privileg weiter schwächen. Das Privileg befreit Diensteanbieter von einer Haftung für Straftaten, sofern ihnen davon nichts bekannt ist und im Falle des Bekanntwerdens Maßnahmen dagegen eingeleitet werden.

Unser Cyber-Kommissar, Günther Oettinger, war auch wieder aktiv. Oettinger will eine Verordnung durchbringen, die es Nutzern von Abos wie Netflix ermöglicht, diese auch im EU-Ausland zu nutzen. Die meisten Abos kann man bisher gar nicht oder nur in einigen Ländern nutzen. Die Verordnung soll nur ein erster Schritt eines Aktionsplans sein, dessen Ziel es ist, einen grenzübergreifenden EU-Binnenmarkt zu schaffen.

Unser #netzrückblick

In unserem #netzrückblick ging es diese Woche um Netzneutralität, die besten Leserbriefe, ein paar Zahlen und Daten über uns, Open Data, den kommerziellen Teil der Überwachung und um Pressefreiheit auf internationaler Ebene.

EU-Umfrage

Bei der zweiten Umfrage diese Woche handelt es sich um die EU-Kommission, die herausfinden möchte, welche Rolle Online-Plattformen wie zum Beispiel Facebook oder Youtube spielen. Gefragt ist dabei die Zivilgesellschaft. EDRI.org hat ein Tool entwickelt, das es erheblich vereinfachen soll, die Umfrage zu beantworten.

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