Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.
Anlässlich der 50. Folge von „Neues aus dem Fernsehrat“ habe ich die bisher erschienen Beiträge thematisch geclustert (siehe Abbildung). Im Ergebnis führt das zu vier Schwerpunktthemen. Im Folgenden habe ich zu jedem dieser Schwerpunkte ausgewählte Erkenntnisse und den Stand der Dinge kurz zusammengefasst. Zuvor aber noch eine kurze Liste mit jenen fünf Beiträgen, die am meisten Reaktion in Form von Ergänzungen und Kommentaren hervorgerufen haben:
Die fünf meistkommentierten unter den ersten 50 Beiträgen der Reihe „Neues aus dem Fernsehrat“:
- Zehn Thesen zur Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien: 52 Ergänzungen
- Drohende Löschwelle öffentlich-rechtlicher Inhalte bei YouTube: 37 Ergänzungen
- Ergebnisse der Online-Konsultation zum Telemedienauftrag: 32 Ergänzungen
- Blick über die Grenze zurück nach Deutschland: 32 Ergänzungen
- Nominierung von „presseähnlich“ als Unwort des Jahres: 22 Ergänzungen
Freie Lizenzen für öffentlich-rechtliche Inhalte
11 Beiträge: #2, #8, #10, #16, #17, #24, #33, #37, #41, #46, #49
Bereits die zweite Folge erschien unter dem Titel „Mehr Creative Commons im ZDF?“. Die Frage, warum öffentlich finanzierte Inhalte nicht frei nutzbar zugänglich gemacht werden, hatte mich schon vor meiner Berufung in den Fernsehrat beschäftigt (z.B. in Form eines White Papers zum Thema oder rund um eine Creative-Commons-Arbeitsgruppe in der ARD). Mir war also schon klar, dass es einige Herausforderungen bei der Befreiung von öffentlich-rechtlichen Inhalten geben würde. Dementsprechend zurückhaltend waren auch die ersten Reaktionen auf meine diesbezüglichen Vorschläge.
Trotzdem ist meine Zuversicht seither eher größer als kleiner geworden, dass öffentlich-rechtliche Medien die Potentiale freier Lizenzen letztendlich doch noch erkennen werden. Hintergrund dafür ist die Erkenntnis, dass freie Lizenzen einen wesentlichen Beitrag zur Reichweite öffentlich-rechtlicher Bildungs- und Informationsinhalte im Zeitalter digitaler Plattformöffentlichkeit leisten werden. Ich habe deshalb auch aufgehört, die Nutzung freier Lizenzen als Zugeständnis oder Nettigkeit von Seiten der Anstalten anzusehen. Umgekehrt, die öffentlich-rechtlichen Medien werden zunehmend auf die Verbreitung ihrer Inhalte durch Communities wie jene der Wikipedia oder freier Medienprojekte angewiesen sein. Umso schöner, dass die Redaktion der ZDF-Dokureihe Terra X jetzt für ihre Veröffentlichung von Clips unter Creative Commons mit prominenter Platzierung in Wikipedia-Artikeln wie jenem zum „Klimawandel“ belohnt wurde.
Transparenz und demokratische Struktur von Rundfunkaufsicht
11 Beiträge: #1, #5, #6, #13, #22, #27, #30, #31, #36, #42, #43
Genauso oft wie freie Lizenzen waren die Strukturen des Fernsehrats selbst sowie von Rundfunkaufsicht im Allgemeinen Thema. Das lag einerseits daran, dass es mir restriktive Vertraulichkeitsvorgaben teilweise nicht einfach gemacht haben, über meine Arbeit im Fernsehrat zu berichten und mich mit einer interessierten Öffentlichkeit darüber auszutauschen. So sind zwar die Plenumssitzungen des Fernsehrats prinzipiell öffentlich, die allermeisten Vorlagen, über die dort diskutiert wird, sind jedoch vertraulich. Das macht es nicht nur jenen schwer, den Sitzungen zu folgen, die es nach Mainz geschafft haben. Es zwingt mich auch dazu, relevante Passagen im Fernsehrat vorzulesen, damit ich sie dann auch auf Twitter oder hier im Blog zur Diskussion stellen kann.
Glücklicherweise bin ich nicht die einzige Person im Fernsehrat, die diese Situation frustriert. So wird mittlerweile freundeskreisübergreifend über die Einrichtung eines Livestreams diskutiert und im „Freundeskreis Werneke“ hat man sich darauf geeinigt, zumindest Vorlagen zu öffentlichen Plenumssitzungen ebenfalls öffentlich zugänglich machen zu wollen. Ob es in der laufenden Fernsehratsperiode noch zu entsprechenden Änderungen in der Geschäftsordnung des Fernsehrats kommen wird, ist unklar. Ein halbes Jahr wäre dafür noch Zeit.
Digitale und öffentlich-rechtliche (Plattform-)Öffentlichkeiten
8 Beiträge: #3, #4, #15, #21, #29, #38, #44, #48
Während die Nutzung freier Lizenzen und höhere Transparenz der Rundfunkaufsicht spezifische und relativ kurzfristig umsetzbare Anliegen sind, gilt es derzeit auch grundlegendere Weichen für öffentlich-rechtliche Angebote im Zeitalter digitaler Plattformöffentlichkeiten zu stellen. Gemeinsam mit Ex-WDR-Rundfunkrat Christoph Bieber (Uni Duisburg) und Jörg Müller-Lietzkow (HCU Hamburg) habe ich dafür das Konzept einer Internetintendanz entwickelt, die komplementär zu den bestehenden Anstalten die notwendige Infrastruktur für öffentlich-rechtliche Plattformalternativen vorantreiben könnte.
Von Seiten der Sender-Chefs Thomas Bellut (ZDF) und Ulrich Wilhelm (ARD) werden Ideen einer gemeinsam Plattforminfrastruktur hingegen skeptisch gesehen. Sie fordern stattdessen eine stärkere Verschränkung in Form eines öffentlich-rechtlichen Netzwerks. Abgesehen davon, dass auch ein öffentlich-rechtliches Netzwerk oder Ökosystem einheitliche Standards und Schnittstellen erfordert, wird sich am 2020 anstehenden Relaunch von heute.de erstmals beobachten lassen, wie ernst es den Anstalten mit ihrer Netzwerk-Strategie tatsächlich ist.
Telemedienauftrag und Depublizierungspflichten
6 Beiträge: #11, #12, #18, #20, #26, #45
Als Vertreter für den Bereich „Internet“ bin ich natürlich auch Mitglied des Fernsehrat-Ausschusses für „Telemedien“, dem rundfunkrechtlichen Synonym für Internet. Online-Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Sender dürfen nur auf Basis eines vom Fernsehrat genehmigten Telemedienkonzepts erfolgen. Eben dieses Konzept wird gerade erneuert, weil mit dem seit 1. Mai diesen Jahres gültigen Rundfunkstaatsvertrag die Möglichkeiten für eigenständige Online-Angebote stark ausgedehnt wurden.
In den Bereich Telemedien fällt aber auch eines der häufigsten Missverständnisse, mit denen ich in meiner bisherigen Zeit im Fernsehrat konfrontiert worden bin. Und zwar betrifft das die Depublizierung öffentlich-rechtlicher Inhalte, oft gefolgt von deren Angebot bei privaten Streaming-Diensten wie Netflix oder Amazon Prime.
Es gibt nämlich zwei Gründe, warum öffentlich-rechtliche Inhalte depubliziert werden. Neben gesetzlichen Vorgaben zur Depublizierung bestimmter Inhalte sind das schlicht und einfach Lizenzkosten, vor allem im Fiction-Bereich (Serien und Spielfilme): selbst wenn es den öffentlich-rechtlichen Anbietern gesetzlich erlaubt wäre, diese Inhalte dauerhaft online zugänglich zu machen, müsste immer im Einzelfall entschieden werden, ob es sich lohnt, dafür die Rechte zu erwerben. Bei prinzipiell knappen Mitteln ist das dann eine Abwägungsfrage: soll mehr für längere Verweildauer bereits produzierter Inhalte oder mehr für die Produktion neuer Inhalte ausgegeben werden.
Gesetzliche Depublizierungspflichten sind dagegen grundsätzlich und in jeder Hinsicht abzulehnen. Sie verhindern, dass es ein umfassendes zeithistorisches Archiv von öffentlich-rechtlicher Berichterstattung im Bereich von Information und Bildung gibt. Umso wichtiger ist es, die mit dem neuen Rundfunkstaatsvertrag möglichen, unbegrenzten Verweildauern in den Bereichen Information, film- und fernsehhistorische Produktionen sowie Bildungs- und Kulturinhalte unbedingt auch auszuschöpfen. Darum wird es unter anderem im nächsten Ausschuss Telemedien Anfang Dezember gehen.
Zwischenfazit nach 50 Folgen
In der Zusammenschau der einzelnen Themenbereiche lässt sich erkennen, dass sich in jedem Bereich durchaus einiges in die richtige Richtung bewegt. Inwieweit mein Engagement innerhalb und außerhalb des Fernsehrats dazu einen Beitrag geleistet hat, ist auch im Rückblick schwer zu beurteilen.
Was das Ziel betrifft, durch Bloggen und Twittern für mehr Bekanntheit und Transparenz der Arbeit des Fernsehrats zu sorgen, so glaube ich dieses erreicht zu haben. Dafür spricht unter anderem, dass knapp 35.000 Menschen auf YouTube oder Media.ccc.de in meinen #35C3-Vortrag zu „Chaos im Fernsehrat“ hineingeschaut haben. Hinzu kamen viele positive Rückmeldungen auf meine Blogeinträge und Vorträge gerade auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der öffentlich-rechtlichen Anstalten selbst. Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt es offenbar eine nicht unerhebliche Zahl an Menschen, die sich mehr Tempo und mehr Ambitionen bei der digitalen Transformation wünschen. Weiter geht’s.
„knappe Mittel“ …
3,8 Mille im Jahr aber den Hals trotzdem nicht voll kriegen und hinterrücks die Leute ausbeuten.
Aber wo kämen wir denn als „Demokratie“ hin ohne das Sendungsbewußtsein der ÖRR Staatssender. Und den unermüdlichen Einsatz der Intendanten für Pressefreiheit und wahrheitsgetreue Berichterstattung, die man sich gleich mal für das Doppelte eines Kanzlergehalts im Jahr vergüten lässt.
Hör mir blos auf Kerl… sonst bekomm ich wieder nen Infarkt.
Knappe Mittel meint nur, dass eine Abwägungsentscheidung zu treffen ist. Nicht, dass die Mittel allgemein „zu knapp bemessen“ wären oder ähnliches. Wobei ich auch hier kein grundsätzliches Problem sehe.