Neues aus dem Fernsehrat (1): Erste Eindrücke und das Dilemma der (fehlenden) Transparenz

In der Pilotfolge der Serie ‚Neues aus dem ZDF Fernsehrat‘ werden die wichtigsten Protagonisten („Freundeskreise“) vorgestellt und erklärt, warum es gar nicht so einfach ist, über die Tätigkeit im Fernsehrat zu bloggen.

Panorama der 1. Sitzung des XV. Fernsehrats am 8. Juli 2016 (CC-BY)

Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem #Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.

Auf gemeinsamen Vorschlag von Chaos Computer Club (CCC), D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e. V., eco – Verband der Internetwirtschaft und media.net berlinbrandenburg e. V. hin wurde ich dieses Jahr vom Land Berlin für den „Bereich ‚Internet'“ in den ZDF-Fernsehrat entsandt. Ganz allgemein soll der Fernsehrat als „Anwalt des Zuschauers […] die Interessen der Allgemeinheit gegenüber dem ZDF“ vertreten und deshalb „so vielfältig wie die Gesellschaft selbst“ sein.

Genau an dieser Vielfalt hatte es in dem größtenteils mit BerufspolitikerInnen besetzten alten Fernsehrat gefehlt. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2014 musste der Anteil von sogenannten „staatsnahen“ VertreterInnen auf ein Drittel reduziert werden. Stattdessen wurden u. a. neue Bereiche wie „Migranten“, „Inklusive Gesellschaft“, „Digitales“* oder eben „Internet“ eingeführt. Details zur Struktur des Fernsehrats und deren Änderungen hat Boris Rosenkranz für Übermedien zusammengeschrieben.

Fernsehrat-Freunde

Dort erklärt Rosenkranz auch, dass der Fernsehrat bislang von einem „schwarzen“ und einem „roten“ Freundeskreis und deren informellen Absprachen geprägt war. Wobei „informell“ sich alleine darauf bezieht, dass solche Freundeskreise weder im alten noch im neuen ZDF-Staatsvertrag vorgesehen waren bzw. sind. Tatsächlich ist es so, dass nicht nur der Fernsehrat, sondern auch die Freundeskreise über Vorsitzende und Vorstände verfügen, allesamt gewählt in geheimer Wahl mit gedruckten Stimmzetteln.

Stimmzettel
Stimmzettel im Fernsehrat

Zumindest zu Beginn der neuen Fernsehratsperiode hat sich an der Bedeutung dieser Freundeskreise nichts geändert. Alle anwesenden Mitglieder waren in einem der beiden Freundeskreise zugegen, Ausschussvorsitzende und StellvertreterInnen wurden genau halbe/halbe verteilt und auch sonst lief die Abstimmung zwischen den Freundeskreisen reibungslos, zog sich die Farbenlehre durch bis hin zum Häppchenbuffet am Vorabend der ersten Sitzung.

Rot und schwarze Häppchen für rote und schwarze Freundeskreise
Rote und schwarze Häppchen für rote und schwarze Freundeskreise

Transparenz im Fernsehrat

Neben der Forderung nach größerer „Staatsferne“ und Vielfalt der Mitglieder des Fernsehrats hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil auch mehr Transparenz eingemahnt – ein Anliegen, dem noch im alten Fernsehrat eine Arbeitsgruppe gewidmet worden war. Deren wichtigstes Ergebnis war eine überarbeitete Geschäftsordnung (PDF), bei der offensichtlich um jedes Wort gerungen worden war:

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Auszug aus der Geschäftsordnung des Fernsehrates im Track-Changes-Modus

So wurde in § 9 Abs. 3 das Wort „grundsätzlich“ in jenen Satz eingefügt, der Sitzungen der Ausschüsse – im Unterschied zum Plenum – als „nicht öffentlich“ festlegt. Rechtlich erlaubt die Einfügung dieses Wortes, Ausschusssitzungen im Ausnahmefall doch öffentlich abzuhalten. An der „Vertraulichkeit von Beratungsunterlagen sowie Vorlagen“ ändert sich dadurch nichts. In der Praxis sind aber vor allem „Beratungsunterlagen und Vorlagen“ von großer Bedeutung sowie nicht-öffentliche Ausschuss- und Freundeskreissitzungen, in denen kontrovers diskutiert wird. In der Plenumssitzung werden vornehmlich die Ergebnisse dieser Debatten berichtet und festgehalten.

Als Gründe für den Ausschluss der Öffentlichkeit in Ausschüssen wird angeführt, dass das offenere Diskussionen erlaubt. Auch Stellungnahmen und Vorlagen würden anders – lies: vorsichtiger, schwammiger, detailärmer – formuliert, wenn klar wäre, dass diese öffentlich zugänglich wären. Und in der Tat würde umfassende Öffentlichkeit in den Ausschüssen wohl dazu beitragen, dass noch mehr Diskussionen jenseits der Gremien in informelle Zirkel und Freundeskreise verlagert werden.

Gleichzeitig ist damit für Mitglieder des Fernsehrates aber ein veritables Problem verbunden. Gerade kontroverse Themen von öffentlichem Interesse können so nur schwer öffentlich diskutiert werden. So gibt es beispielsweise eine Stellungnahme des Intendanten zur Nutzung von Creative Commons im ZDF. Als Mitglied des Fernsehrates kann ich diese zwar im Ausschuss thematisieren, die Position des ZDF bzw. der übrigen Ausschussmitglieder hier im Blog zur Diskussion stellen darf ich jedoch nicht.

In der nächsten Folge von ‚Neues aus dem #Fernsehrat‘: Was sich trotz Ausschluss der Öffentlichkeit zum Thema „Creative Commons im ZDF“ sagen lässt.

* Das für den Bereich „Digitales“ verantwortliche Bayern hat das Recht der Benennung übrigens an den Branchenverband der Telekommunikationsindustrie BITKOM vergeben. Dieser nominierte wiederum keinen BITKOM-Funktionär, sondern mit Wolfgang Kopf den Leiter Politik und Regulierung der Deutschen Telekom AG in den #Fernsehrat. Eine angesichts der Konkurrenzsituation zwischen ZDF und der Telekom AG (u. a. wegen deren Angebot EntertainTV) durchaus fragwürdige Entscheidung.

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14 Ergänzungen

  1. Das muss man also so interpretieren: die CSU will verhindern, dass der ZDF-Fernsehrat sich für Netzneutralität einsetzt, hat sich aber nicht getraut, das selbst zu machen sondern BITKOM vorgeschoben. Tja.

  2. Und da ist es wieder. Die fehlende Transparenz. Ich zahle für etwas, was ich nicht einsehen darf. Das Wort an sich sagt mir, dass ich für eine Leistung alles erfahren darf, was in meinem Beitrag steckt. Wirklich alle Informationen. Es gibt keine Ausnahmen. Das ist für mich Transparenz. Der Rest ist Scheinheiligkeit und es gibt keine Kontrolle der Beitragszahler.

  3. Spinn‘ ich denn? Inoffizielle Freundeskreise? Was hat das denn bitte mit dem demokratischen Auftrag zu tun, wenn die Sender von jahrzehntealten Klüngeln regiert werden?!

    1. Die Rundfunkanstalten verprassen unser Geld!
      Würden diese „lediglich Ihren Auftrag“ erfüllen, könnten in Schulen Bildungsinhalte von den ÖR abgerufen werden, via TV oder Internet!

      Wer es wissen möchte, wohin die Gelder verschwinden … lookste mal hier -> http://www.kef-online.de/

  4. Andere staatsferne Organisationen wie die Sozialversicherungen, Handwerkskammer sowie die Industrie und Handelkammern lassen ihre Mitglieder über die Besetzung der Kontrollorgane abstimmen.
    Nur die öffentlich-rechtlichen Medien sind dazu nicht in der Lage, obwohl es dem Beitragsservice genau bekannt ist welcher Beitragspflichtige in welchen Haushalt wohnt (er weis damit mehr als jede ander Behörde…).

    Die Besetzung der Rundfunkräte in freier, geheimer und demokratischer Wahl ist überfällig. Gleichzeitig müssen die Sonderrechte der öffentlich-rechtlichen Medien fallen.
    Es kann nicht sein das Verstöße der öffentlich-rechtlichen Medien gegen die Rundfunkstaatsverträge straffrei sind, während die privaten Medien dafür von den Landesmedienanstalten bestraft werden können.

    1. … laut KEF ist der ÖR eine Arbeitsgelegenheit (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) für gescheite(erte) Mandatsträger!

  5. Auch dem Fernsehrat mangelt es anscheinend an Courage seine Meinung nicht nur innerhalb des Ausschusses zu äußern, sondern auch in der Öffentlichkeit dazu zu stehen.

    Traurig.

    In Zeiten des globalen Shitstorm-Klimas aber auch kaum verwunderlich. Man stelle sich nur vor, selbst im so einem Rat zu sitzen und würde (rein hypothetisch) für das Ende sämtlicher Fußball Übertragungen, beendigung der Serie Tatort oder für noch mehr Merkel zur Primetime stimmen. Öffentlich! Das würde wohl niemand überleben, oder?

    1. Doch,
      man macht einfach eine Umfrage, nennt sich Demokratie
      Am einfachsten wäre ein Konzeptplan, wie viel welcher Inhalt kostet und wie viel Sendezeit der haben soll, bei Unternehmen wird das auch so gehandhabt
      Auch wenn das die Sendeanstalten vermutlich anders sehen
      Hat jemand zufälligerweise eine komplette Kostenübersicht (über sämtliche) Produktionen ?

  6. mehr Transparenz?
    Na dann macht doch!
    Das IST doch wohl der Auftrag an Leonhard Dobusch, also wollen wir bitte alles lesen, was im Fernsehrat besprochen wird, alle Zahlen, alle Fakten und die Positionen der Vertreter.
    Danke schonmal vorab.

  7. Da kann man wirklich nur den Kopf schütteln. Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil hatte man die Chance auf einen Kulturwechsel und auf einen Neuanfang. Aber man sie nicht genutzt. Alle machen weiter mit mit der HinterzimmerPolitik in den Freundeskreisen. Selbst der Autor macht mit und findet es nicht so schlimm.
    Es war halt schon immer so…
    Es muss sich wirklich kein Fernsehratsmitglied oder Politiker wundern wenn die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit dieses Systems immer weiter schwindet!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.