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Ich mach mir die DSGVO, widdi wie sie mir gefällt
Wenn Ihr in den letzten Tagen nach Eurer Einwilligung zum Erhalt von Newslettern gefragt wurdet, die Ihr nie bestellt habt, dann ist dafür nicht in erster Linie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verantwortlich. Doch nicht nur Anbieter von Newslettern versuchen, Nutzer*innen die Einwilligungspistole auf die Brust zu setzen. Das neue Regelwerk ist ab heute wirksam und wir haben mal einige besonders dreiste Beispiele für Euch zusammengetragen und erklärt. Wer weitere Fälle hat, darf sie gerne mit uns teilen – in der Kommentarspalte oder per Mail. Ob die Datenschutzgrundverordnung das große Versprechen einhalten kann, das Machtverhältnis zwischen Datenverarbeitern und Betroffenen fairer zu machen, hängt davon ab, wie sie in den kommenden Jahren um- und durchgesetzt wird.
Dabei kommt es auch darauf an, dass Verbraucher*innen ihre Rechte kennen und einsetzen. Dabei kann ein neues Infoportal der Digitalen Gesellschaft helfen: „Deine Daten. Deine Rechte.“
Im Mittelpunkt der DSGVO-Debatte der vergangenen Wochen stand neben dem heraufbeschworen Horror-Szenario einer neuen Abmahnindustrie auch immer wieder die Kritik an den verschärften Sanktionsmöglichkeiten für Datenschutzbehörden. In einem Gastbeitrag hat der Jurist Dr. Malte Engeler sich der Diskursverschiebung gewidmet und Missverständnisse aufgeklärt. Ein Blick auf die mangelhafte Personalsituation und oft fehlenden Kompetenzen lässt ihn schließen: keine Panik vor dem Bußgeld-Phantom.
Wie gefährlich die Missachtung der neuen Datenschutzregeln und insbesondere des Prinzips der Datensparsamkeit sein kann, erklärt Katharina Nocun in ihrem Gastbeitrag „Tracking durch die Versicherung: Zu Risiken und Nebenwirkungen“. Am Beispiel der Krankenversicherungen zeigt die Bürgerrechtlerin und Publizistin eine in unseren Gesellschaften vorherrschende Verwertungslogik auf. Es ließe sich eine schleichende Diskriminierung beobachten, das Recht auf Privatsphäre könne schnell zu einem Privileg für Besserverdiener verkommen.
The Zuck im EU-Parlament, Dark-Ads gegen Abtreibung und Breitbandstillstand
Bei der Anhörung ging es zwar um für Facebook durchaus unangenehme Themen, der Chef und Daten-Oligarch Zuckerberg musste dann aber gar nicht so lange antworten und konnte außerdem den kritischsten Fragen aus dem Weg gehen. Doch war die missglückte Anhörung vielleicht auch ein Weckruf für die EU-Behörden? Wir haben die Anhörung für Euch live mitverfolgt, hier unsere Einschätzung.
In Sachen Wahlmanipulation macht sich der Konzern gerade wieder einen Namen, und zwar im Zuge des irischen Abtreibungsreferendums. Facebook und auch Google mussten sich in Sachen politischer Werbung weit aus dem Fenster lehnen, nachdem enthüllt wurde, dass eine Facebook-Kampagne von radikalen Abtreibungsgegnern aus den USA finanziert wurde. Wir haben die Angelegenheit für Euch aufgearbeitet und einige politische Forderungen formuliert.
Was macht eigentlich unser Infrastrukturminister? Bisher nicht viel. Während sich die Ausgabereste anhäufen, ist es still geworden um den Breitbandausbau in unterversorgten Gebieten. Wir ziehen deshalb eine kritische Zwischenbilanz.
Mehr Polizei für Alle
Trotz enormen Protests hat die CSU in Bayern das Polizeiaufgabengesetz in der vorletzten Woche verabschiedet. In Bremen konnte ein vergleichbares Gesetzesvorhaben zunächst auf Eis gelegt werden. In NRW und Sachsen sind Ausweitungen polizeilicher Befugnisse bereits in der Planung, in Niedersachsen gibt es schon einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur „Bekämpfung des islamistischen Terrorismus“. Darin sieht die Landesregierung vor, Videoüberwachung im öffentlichen Raum, das Abhören von Telefongesprächen und Abfangen von E-Mails und Chat-Nachrichten und elektronische Fußfesseln schon bei einem bloßen Verdacht einsetzen zu dürfen. Eine Protestbewegung nach bayrischem Vorbild formiert sich bereits, zunächst mit einer vergleichenden Übersicht zum neuen Polizeigesetz.
Über die Bedeutung von Protest gegen die neuen Polizeigesetze hat Constanze Kurz mit dem ehemaligen Bundesdatenschutzbeauftragten und Buchautor Peter Schaar gesprochen. Oft könnten Sicherheitsgesetze das Versprechen von mehr Sicherheit gar nicht halten. Der Widerstand gegen die neuen Polizeigesetze der Länder sei deshalb wichtig und überfällig. Denn das aktuelle Streben nach mehr Exekutivbefugnissen stehe in der politischen Tradition genau dieser trügerischen Sicherheitspolitik.
Odyssee im Weltraum, Drohnen und Killer Roboter
Airbus betreibt seit eineinhalb Jahren eine „Weltraumdatenautobahn“. Das milliardenschwere Projekt ermöglicht Drohnen- und Satellitenkommunikation in Echtzeit und wird als öffentlich-private Partnerschaft mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) allen voran durch die Bundesregierung gefördert. Der Rüstungskonzern Airbus vertreibt das Satellitensystem allerdings allein, unter anderem an Frontex – die EU-Grenzagentur will in diesem Jahr das Mittelmeer mit Langstreckendrohnen überwachen.
Auch um die Wartungsarbeiten an der Skandal-Drohne „Euro Hawk“ sollte sich Airbus kümmern. Doch wegen Zulassungsproblemen kam das 700-Millionen-Euro-Projekt der Bundeswehr nicht über die Lieferung eines Prototypen hinaus. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag verkündet die Bundesregierung nun, dass „Euro Hawk“ wahrscheinlich an die NATO verscherbelt und durch drei PEGASUS-Drohnen ersetzt werde.
In der Heinrich-Böll-Stiftung haben am vergangenen Mittwoch Politiker und Experten über den Umgang mit vollautomatischen Kampfsystemen inklusive Bewaffnung und Künstlicher Intelligenz diskutiert. Am gleichen Tag hatte die Stiftung das Heft „Autonomy in Weapon Systems“ (pdf) herausgegeben. Denn auf UN-Ebene wird aktuell völkerrechtlich ausgehandelt, ob Killer Roboter bald zum Einsatz kommen. Ein Podiumsteilnehmer berichtete stellvertretend für das Auswärtige Amt: „Das Optimum wäre ein Verbot, das ist aber nicht erreichbar“. Welche Rolle die Rüstungsindustrie dabei spielt, stand leider nicht im Fokus des Panels. Wir haben zugehört und für Euch berichtet.
Twitter ist nicht mehr das Selbe
Früher mal Spielwiese für Nerds, ist das deutschsprachige Twitter heute eine offizielle Bühne für Politik und Gesellschaft. Johannes Paßmann verfolgt die Entwicklung seit Beginn an und untersucht die Normalisierung des einstigen Nischenmediums. Wie man die Analogie, Twitter mache süchtig wie Zigaretten, wunderschön weiterspinnen kann und was der „Fickwunschverdacht“ ist, das könnt ihr in unserer Rezension zur Twitter-Ethnografie „Die soziale Logik des Likes“ lesen.
Auch Donald Trump weiß diese Entwicklung zu seinem Vorteil zu nutzen. Zu gerne würde er selber entscheiden, wer alles auf die Bühne darf, um mitzutwittern. Jetzt hat ein New Yorker Bezirksgericht entschieden, das Social-Media-Team des US-Präsidenten verletze die Redefreiheit, wenn es unerwünschte Nutzer auf Twitter blockiert. Damit legitimiert das Gericht Twitter als Plattform der politischen Debatte. Trumps Twitterkonto ist ein öffentliches Forum. In Deutschland hatte zuletzt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages die Polizei für das Blockieren auf Twitter gerügt. Auch Bundesministerien und Bundesbehörden blockieren auf ihren diversen Twitter-Konten derzeit Nutzer.
Wir wünschen ein schönes Wochenende!
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