Bundesministerien blockieren auf Twitter Nutzer nach Gutdünken

Die Bundesbehörden betreiben hunderte Konten in dem sozialen Netzwerk. Für rund 270 Nutzer ist der Zugriff auf diese aber gesperrt. Der Linken-Abgeordnete Movassat hält das für „verfassungsrechtlich hochproblematisch“.

Von allen Bundesressorts blockiert das BMI die meisten Nutzer auf Twitter CC-BY 2.0 Screenshot

Die Bundesministerien und Bundesbehörden blockieren auf ihren diversen Konten auf Twitter derzeit zumindest 268 Nutzer. Dabei gehen die jeweils zuständigen Regierungsmitarbeiter größtenteils nach eigenem Gutdünken vor, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Niema Movassat und Andre Hahn hervorgeht. „Die Bundesressorts entscheiden selbstständig und aus eigenem Recht darüber, nach welchen Kriterien Nutzer blockiert werden“. Für Linken-Politiker Movassat ist das Verhalten der Bundesregierung „verfassungsrechtlich hochproblematisch“.

Die Bundesbehörden betreiben mehrere Hundert Twitter-Konten zur Außenkommunikation. Allein das Auswärtige Amt verfügt neben @AuswaertigesAmt über 100 Spartenkanäle und Konten von Auslandsvertretungen. Neben den Ministerien und Behörden ist auch die Bundespolizei mit zahlreichen Konten vertreten. In ihrer Antwort listet die Bundesregierung zumindest 268 Nutzer auf, die von Behörden gesperrt werden – real dürfte es sich aber um weit mehr handeln, da viele Ministerien keine Angaben machen wollten.

„Verbreitung verhindern“

Als Grund für die Blockaden nennt die Bundesregierung etwa „die Verhinderung der Verbreitung von Beleidigungen, Verleumdungen, übler Nachrede sowie von Kommentaren mit gewaltverherrlichenden, diskriminierenden, rassistischen, sexistischen, hasserfüllten, menschenverachtenden oder verfassungsfeindlichen Äußerungen oder Inhalten“. Auch wollten einzelne Bundesministerien die „Verbreitung von Werbung und Inhalten von Spam-Accounts“ verhindern. In derselben Anfragebeantwortung räumt die Bundesregierung allerdings ein, dass sie nicht die Möglichkeit hat, Twitterkonten selbst zu sperren – also die Verbreitung der genannten Inhalte nicht verhindern kann. Blockieren auf Twitter macht Inhalte lediglich für den Sperrenden unsichtbar, wenn er eingeloggt ist. Ausgeloggt oder über andere Konten sind die Inhalte weiterhin einsehbar.

Der Linken-Abgeordnete Movassat zieht überdies die Gründe für die Sperrung mancher Konten in Zweifel. „Die Bundesregierung behauptet, dass einige Twitter-Nutzer blockiert wurden, weil sie strafrechtsrelevante Inhalte gepostet haben. Doch wenn dem so ist, warum hat kein Ministerium jemals auch nur eine einzige Strafanzeige wegen eines Tweets erstattet?“, schreibt er in einer Stellungnahme. Die Blockade beschneide die Meinungs- und Informationsfreiheit der Nutzer und könne, da sie vielleicht auch Journalisten treffe, damit die Pressefreiheit beeinträchtigen, erklärt Movassat.

Kritik am Blockieren durch Polizeien

Unsere Berichterstattung löste zuletzt Debatten über das Vorgehen der Polizei auf Twitter aus. Dabei beleuchteten wir auch die heikle rechtliche Lage: Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag bezeichnete etwa das Blockieren von Nutzern in sozialen Medien durch die Exekutive als einen Grundrechtseingriff. Dieser sei nur unter gewissen Voraussetzungen zulässig, etwa bei Straftaten, Beleidigungen und ähnlichen Verletzungen von Persönlichkeitsrechten. Nach Recherchen von netzpolitik.org blockieren Polizeidienststellen in Deutschland nach eigener Maßgabe Hunderte von Nutzern. Das sorgte für Kritik von Kriminologen und Bürgerrechtlern.

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6 Ergänzungen

  1. Hallo,

    Ein Account auf ein sozialen Netzwerk darf von Einrichtungen des ÖD in der Regel nur als Zusatzangebot betrieben werden. Es ist in keinen Fall als offizielles Verlautbarungsmedium zu verwenden. Entsprechend Vorgaben was offizielle Verlautbarungswege sind, gibt es. Social Media gehört nicht dazu.
    Hinzu kommt, dass Social Media Plattformen aufgrund des beschränkten Publikums (nicht jeder kann oder will die jeweilige Plattform nutzen) ohnehin nicht geeignet wären, alle Menschen unter gleichen Bedingungen zu erreichen.
    Vorgaben und Einschränkungen dazu gibt es auch aus dem Gebiet des Datenschutzes und der Barrierefreiheit, die durch Verordnungen fixiert sind.

    Kurzum: Dies bedeutet ziemlich klar, dass ein Social Media Account eben nicht einem offiziellen Verlautbarungsweg , wie dem Amtsblatt, gleichgestellt ist.
    Und das wiederum hat natürlich Auswirkung darauf, wie und ob der Account verwendet wird und ob jemand hier Ansprüche anmelden kann.

    Meines Erachtens ist es weltfremd, an einem Social Media Account wie Twitter die Regeln eines Amtsblatts anzuwenden. Es ist in diesem Medium durchaus für Social Media Teams notwendiges Mittel auch Accounts blocken zu können. Und für jeden Arbeitgeber, der Aufsichtspflicht über seine Mitarbeiter/innen ernst nimmt ist das möglicherweise geboten: Wenn die Mitarbeiter (oder Vertragsfirmen), die den Auftrag haben den Account zu betreiben, durch die Arbeit persönlich belästigt werden, dann muss es möglich sein, diese zu schützen. Das kann dadurch sein, dass man den Mitarbeiter eine andere Aufgabe zuweist. Was unwahrscheinlich ist und wohl kaum dessen Wünschen entspricht. Es kann aber ein richtiges und wirtschaftlich sinnvolleres Mittel sein, die persönliche Belästigung von Mitarbeitern durch das Muten oder Blocken zu sperren.

    Frage an Netzpolitik: Wie handhabt ihr es den bei persönlichen Angriffen? Würdet ihr einen Mitarbeiter, der das nicht mehr ertragen kann, einen Job in der Besenkammer geben?

  2. Wo soll das Problem sein? Die Behörde lässt Heini nicht auf ihren Account. Aus welchem Grund auch immer. Wenn Heini die angepöbelt hat, macht er das eben kein zweites Mal. Die Frage wäre eher, was haben Behörden auf öffentlichen Medien überhaupt zu suchen? Wollen die dadurch moderner erscheinen? Wenn sie was mitzuteilen haben, können sie das auf ihrer eigenen Webseite, die auch nur wenige frequentieren werden. Aber, wer ehrliches Interesse hat, schon.

  3. Ich sehe hier ausschließlich, daß sich die Behörden wie kleine Kinder benehmen.
    Das Blocken betrifft doch, wenn ich das richtig verstanden habe, ausschließlich sie selbst. Sie müssen Unliebsames nun nicht mehr sehen, wenn sie nicht vergessen, sich einzuloggen.

    Ich würde ja fast so weit gehen, daß man das in dem Fall doch sogar tolerieren kann, da das ja nicht der Kanal sein wird, auf dem sich der Bürger mit seinen Anliegen an die Behörden wendet.

  4. Wer von den 270 Accounts wurde aus welchen Gründen geblockt, das würde mich interessieren.
    Wenn Leute da nur Hass kotzen, dann ist es gut die zu blocken.

  5. Einen schönen Sonntag-Nachmittag!

    Vorgestern wurde ich von der Nationalratsabgeordneten Dr. Gudrun Kugler, ÖVP, auf ihrem öffentlichen Facebook-Account, auf dem sie über ihre politische Arbeit berichtet, so blockiert, dass ich ihre Postings nicht mehr kommentieren und ihr keine Nachrichten mehr senden kann. Ich hatte ihre Postings einige Male kritisch kommentiert, jedoch im Rahmen der Meinungsfreiheit, also ohne Beschimpfungen und Verleumdungen. Oder ist der Satz:: „Frau Dr. Kugler, wäre das nicht etwas für sie als Menschenrechtssprecherin?“ – und dann den Link zu einem Zeitungsartikel einer bürgerlich ausgerichteten Zeitung zu posten, etwa eine Verleumdung? Es fällt auch auf, dass ihr unter ihren Postings praktisch nur zustimmende und keine kritischen Kommentare zu finden sind. Wenn sich jemand schüchtern kritisch meldet, dann antwortet Frau Kugler und fährt relativ autoritär drüber. Dieses Vorgehen wäre einmal einer näheren Betrachtung wert i.m.A. Mit freundlichen Grüßen

  6. Ich habe mehrfach Post und Email an den Bundestag an verschiedene Abgeordnete gesendet und habe keine Antwort bekommen. Jetzt vermute ich, dass ich dort blockiert werde. Ist so etwas überhaupt möglich? In meinen Schreiben ging es nie um Hass oder Beleidigungen. Jetzt bin ich neugierig ob jemand ähnliche Erfahrungen gemacht hat.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.