Parlamentsgutachten rügt Polizei für Blockieren von Nutzern auf Twitter

Die Hausjuristen des Deutschen Bundestages zerpflücken in einer schriftlichen Stellungnahme die Argumente der Polizei für ihr Vorgehen in den sozialen Medien. Nun könnten bald die Gerichte klären, was die Polizei online darf und was nicht.

In sozialen Medien gibt sich die Polizei gerne kuschlig. Wer dort aber vorlaut wird, wird von der Polizei oft geblockt. – Public Domain Screenshot / Polizei Hamburg

Ein neues Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages hält das Blockieren von Nutzern in sozialen Medien für einen Grundrechtseingriff. Wenn ein offizielles Polizeikonto jemandem auf Facebook oder Twitter den Zugang zu seinen Nachrichten verwehrt oder erschwert, behindere die Exekutive damit das Recht auf Informationsfreiheit des Nutzers. Die Hausjuristen des Parlaments schreiben zudem, das Blockieren nehme Nutzern die Möglichkeit zum Kommentieren von Polizeimeldungen und schränke damit ihre Meinungsfreiheit ein. Betroffen seien auch das Recht auf gleiche Teilhabe an öffentlichen Leistungen und Einrichtungen sowie die Pressefreiheit, wenn Journalisten blockiert werden. Das Gutachten kommt einer harten Rüge am bisherigen Vorgehen vieler Polizeien in Deutschland gleich.

Der Wissenschaftliche Dienst machen deutlich: Polizeien dürfen einen Nutzer nicht einfach blocken, wenn dieser eine missliebige Meinungen äußert. Legitim sei das Blockieren von Nutzern und Löschen von Meldungen auf Facebook allerdings bei Straftaten, etwa Beleidigungen oder ähnlichen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts. Ein milderes Mittel zur Sanktionierung von unangemessenen Äußerungen könne ein vorübergehender Ausschluss darstellen.

Netzpolitik.org berichtete diese Woche ausführlich über das Vorgehen der Polizei auf Twitter. Wir machten das Blockieren von Nutzern durch die Polizei aber bereits davor zum Thema. Bisher sind dem Vorgehen der Polizei über geltende Rechtsnormen hinaus wenig Regeln gesetzt worden, obwohl ihr Handeln zuweilen in einen ethischen und rechtlichen Graubereich führt. Deutsche Polizeien entscheiden bisher nach eigener Maßgabe, wen sie blockieren. Derzeit sperren sie zumindest mehreren hundert Nutzerkonten den Zugang: Die Polizei Frankfurt blockierte nach eigenen Angaben zuletzt 136 Nutzerkonten auf Twitter, die Münchner Polizei 100 Konten und ihre Berliner Kollegen zuletzt 67 auf Twitter und Facebook.

Kritik von der Linkspartei

Scharfe Kritik am Vorgehen der Polizei übt der Bundestagsabgeordnete der Linken, Andrej Hunko. „Blaulicht-Accounts auf Twitter werden oft ohne Verfahrensregelungen betrieben. Follower werden ohne Höflichkeitsform angesprochen, Missliebige nach Gutdünken blockiert. Manche Polizeidirektionen speichern Betroffene sogar in einer Datei. Twitter ist damit zu einer unregulierten Spielwiese der Polizei geworden. Das muss aufhören, denn auch im Internet ist die Polizei rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichtet“, heißt es in einer Presseerklärung Hunkos.

Auf Anfrage des Linken-Abgeordneten Dieter Dehm antwortete das Bundesinnenministerium zuletzt, dass es im Blockieren von Nutzern auf Twitter keinen Eingriff in das Grundrecht auf Informationsfreiheit sehe. Nutzer könnten nämlich auch auf die Inhalte zugreifen, ohne eingeloggt zu sein, und würden lediglich nicht mehr automatisch informiert. Dieser Argumentation widerspricht aber das Gutachten aus dem Bundestag: Dies sei ähnlich sinnwidrig, wie wenn die Polizei sagen würde, dass ein behördliches Hausverbot einen Bürger nicht belaste, weil er unter falscher Identität die Amtsräume ja wieder betreten könne.

Das Vorgehen der Polizei könnte bald vor Gericht geklärt werden: Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) plant eine Klage und fordert Menschen, die von der Polizei blockiert worden sind, dazu auf, an einer Musterklage mitzuwirken.

Ulf Buermeyer von der GFF sagte der Süddeutschen Zeitung, dass Polizeidienststellen zudem auch eine andere Option hätten, als zu Blocken: Sie könnte Nutzer schließelich einfach stummschalten. Dann sehe das Social-Media-Team nicht mehr, was der Nutzer twittert. Das dürfte allerdings nicht immer ganz einfach sein: In einer Reaktion gegenüber der Süddeutschen sagte ein Polizist der Polizei Frankenthal, dass ihm die Funktion zum Stummschalten von Nutzern nicht bekannt sei.

8 Ergänzungen

  1. sehe das ambivalent – klar ist willkürliches und beliebiges Blockieren nicht in Ordnung, andererseits sind die Kommentare oft auch mehr als bescheuert. Vom „meine Herren sieht die Beamtin gut aus“ über (rechte) Hetze ist da alles dabei, was ja auch nicht der Sinn der Sache sein kann. Begreift man die Polizeitwitteraccounts als offizielles Sprachrohr sind jegliche Kommentare ganz nah dran und quasi untrennbar mit den Meldungen verbunden.

  2. Da packt man das Problem aber von der falschen Seite an. Natürlich ist es irgendwie positiv, dass öffentliche Stellen über FB oder Twitter einen direkteren Draht zur Bevölkerung haben. Auf der anderen Seite ist es mehr als fraglich, ob öffentliche Institutionen auf derartgien Seiten überhaupt etwas zu suchehn haben. Zum einen poppt auf beiden Netwerken ständig und penetrant die Aufforderung auf, sich doch bitte zu registireren, was Menschen ohne Account auch teilweise die Inhalte blockiert. Zum anderen legitimiert man die strafbaren Datenschutzverstöße dieser Netwerke, in dem man den Eindruck erweckt, dass eine Seite, auf der die Polizei einen offiziellen Account hat, schon nichts illegales tun werde.

    1. „…eine Seite, auf der die Polizei einen offiziellen Account hat, schon nichts illegales tun werde.“
      Klar, auch immer mein erster Gedanke. [/ironie]

      Vielleicht sollte man sich weniger von derartigen „Sicherheiten“ leiten lassen.

      Gibt es überhaupt eine Instanz, der man uneingeschränkt und in jedem Fall glauben kann/sollte, auf die man sich immer verlassen kann?
      Mir fällt da gerade keine ein.

      1. @Horst
        „Gibt es überhaupt eine Instanz, der man uneingeschränkt und in jedem Fall glauben kann/sollte, auf die man sich immer verlassen kann?Mir fällt da gerade keine ein.“

        Mein Hund .

        1. Aber auch nur, weil der nicht spricht und Du nicht weißt, was der in deiner Abwesenheit macht. ;-)

          1. @Horst
            „Aber auch nur, weil der nicht spricht und Du nicht weißt, was der in deiner Abwesenheit macht. ;-)“

            Da passt er auf unser Auto auf und verdient sich noch mehr Anerkennung und Zuneigung.
            Und wenn er poltert,große Fresse hat,alles nur für sich haben möchte ,großkotzig,mies,despotisch sich zu armen Hunden verhält,die nichts haben,so nenne ich ihn nur kurz „Jens Spahn“ und schon kommt er traurig zu mir und bittet mich um eine mildere Strafe für sein Egoistentum,denn so schlecht und herzlos kann er niemals sein und dann drücke ich ihn und bitte ihn um Entschuldigung für den üblen Vergleich.

          2. Vielleicht sollte sich mal jemand finden, der Jens Spahn drückt.
            Der hatte bestimmt ne ganz schreckliche Kindheit.

  3. Stummschalten ist praktisch. Ist so wie mit dem „Plonken“.
    Dumme Menschen „Plonken“, sie posaunen also heraus Jemand in ihren Mülleimer („Plonk“-Geräusch) geworfen zu haben. Ihn nun auf „Ignore“ zu setzen. Habe mich schon immer gefragt WEN die Person damit bestraft.
    Glaubt die Person sie ist so wichtig, dass das für den geplonkten eine Ehrverletzung ist.
    Nun kann der Geplonkte aber weiter für alle Anderen sichtbar schreiben, auch schlecht über den Plonker.

    Wenn ich auf so einen Tweet antworte ist es evtl. ganz gut wenn das Team der Polizei es nicht sieht.
    Also fällt es denen nicht sofort auf, wenn ich wie gerne gemacht z.B. mein Foto einer Bundesdienstflagge in der Toilette anhänge.
    Auch wenn Ich deren „@“-Name entferne, theoretisch können die über das Konto ja noch meinen Kommentar sehen. Wenn sie mich aber ausblenden, nicht mehr.
    Heute habe Ich noch in einem Tweet zur Bundesnetzagentur und einem namentlich von mir genannten Mitarbeiter gefragt ob das Inkompetenz oder Vorsatz (Bösartigkeit) war, dass er im ZDF bei einem Rauchmelder mit Kamera behauptete der wäre illegal.
    JEDER BnetzA-Mitarbeiter MUSS IMMER wissen dass eine getarnte Kamera nur dann illegal ist, wenn sie ihr Live-Video per Funk überträgt. Die gezeigte Rauchmelder-Kamera hatte aber einen internen Speicher. Er hatte sogar noch auf den Bewegungsmelder hingewiesen, und den haben ja nur Geräte mit Speicherkarte. Zusätzlich noch bei Google als „Würde Ich nicht empfehlen“ bewertet, und auch da im Text mit seinem Namen erwähnt. Inkl. Hashtags #bnetza, #fake_news und #vollekanne.
    Nein, bin kein AFD-ler oder Rechts, aber das waren „Fake-News“, und auch Gefährliche.
    Denn Bürger könnten glauben dass die Geräte illegal sind, und darauf verzichten.
    Und ja, das ist NICHT OK. Diese Rauchmelder, Wanduhren, Weckeruhren, Kugelschreiber, „Auto-Funkschlüssel“ etc. sind alle LEGAL. So einen „Funkschlüssel“ hatte der auch gezeigt.
    Was ist besser, Inkompetenz oder Vorsatz? Also bewusst Falschinformationen verbreiten, um Menschen davon abzuschrecken ihre Rechte wahrzunehmen.
    Es gab jemand der fand in einer versteckten Kamera zwei Schlapphüte wie sie eine Wanze verstecken.
    Das kann jedem Aktivisten passieren. Oder man sieht „nur“ den Einbrecher, und hat Material.
    Der Einsatz solcher Geräte ist absolut legitim. Und ein „Rauchmelder“ benutzt man eh nur in der eigenen Wohnung.
    Oder will der Typ jetzt das Szenario vom Vermieter bemühen, der eine Mieterin beobachtet?
    Das wäre jämmerlich. Der müsste dann aber regelmäßig da rein, um die Karte zu wechseln…

    Das Gerät wäre nicht mal verboten, hätte es eine NAS-Funktion über die man auf den internen Speicher zugreifen kann.
    Denn verboten ist nur die Liveübertragung einer getarnten Überwachungskamera per Funk.
    Nicht aber aufgezeichneten Daten später.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.