Netzpolitischer Wochenrückblick KW 29: Etappensieg für die Netzneutralität

Die netzpolitische Woche zusammengefasst: überragender Einsatz für die Netzneutralität in Europa, Bundeswehr geht in die Cyberoffensive und die „Black Box“ in autonomen Fahrzeugen.

Foto: RachTHeH [CC-BY 2.0]

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Großer Erfolg für die Netzneutralität in Europa

Am Montag endete die öffentliche Konsultation zur Netzneutralität in Europa. Das Ergebnis ist großartig: über 500.000 Kommentare gingen beim Reguliererverband BEREC ein. Diese werden nun bearbeitet, bis BEREC Ende August das Ergebnis der Konsultation und die Leitlinien für die Netzneutralität vorstellen wird. Für ein offenes und faires Internet sprechen sich auch 126 führende WissenschaftlerInnen in einem offenen Brief aus, die darauf hinwiesen, wie wichtig Netzneutralität für den freien Meinungsaustausch und Innovation ist.

Auch für die Pläne der EU-Kommission, in allen EU-Ländern flächendeckende Geschwindigkeiten von 100 MBit/s binnen der nächsten zehn Jahre zu schaffen, sind starke Netzneutralitätsregeln erforderlich, damit Internetnutzer nicht doppelt zur Kasse gebeten werden. Für Schulen und Unternehmen sollen sogar Geschwindigkeiten von 1 GBit/s bereitgestellt werden. Die Entscheidung der Bundesnetzagentur weiter auf Vectoring zu setzen, könnte bei diesen Plänen zu Problemen führen, da dies eine Überschreitung der 100 MBit/s-Marke nicht erlaubt.

Vorratsdatenspeicherung kann unter strengen Vorgaben legal sein

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, Henrik Saugmandsgaard Øe, gab am Dienstag in einer Vorabstellungnahme bekannt, dass eine Vorratsdatenspeicherung seiner Ansicht nach legal sein kann. Es müssen jedoch strenge Vorgaben eingehalten werden, deren Einhaltung durch die nationalen Gerichte überprüft werden solle. Grund für die Wortmeldung des EuGH waren Klagen aus Schweden und Großbritannien. Einer der Beteiligten an der britischen Klage war der frisch gebackene Brexit-Minister David Davis, der sich nach der Vorstellung durch seine neue Chefin Theresa May jedoch von der Klage zurückzog. Denn die neue Premierministerin ist die Initiatorin der sogenannten „IP Bill“, die sogar noch weiter als ihr deutsches Pendant geht. In der britischen Debatte wird unter anderem wiederkehrend die Möglichkeit zur Umgehung von Verschlüsselung auf den Tisch gebracht.

Bundeswehr geht in die Cyberoffensive

Der „Cyber- und Informationsraum“ erlebt durch das neue Weißbuch der Bundeswehr eine Aufwertung. Dieses bringt nicht nur Probleme für die Trennung zwischen „Innen- und Außeneinsatz“, das Weißbuch spricht sogar klar von Offensivfähigkeiten, die es zusammen mit Defensivfähigkeiten zu entwickeln gäbe. Ungeklärt bleibt hingegen, welche Lösungen die Regierung zu völkerrechtlichen Fragen im Cyberkrieg, wie beispielsweise einer Uniformpflicht für Kombattanten, hat, obwohl sie sich der Problematik bewusst ist. Zusätzlich steht die Bundeswehr vor dem Problem, gut ausgebildete IT-Fachleute anzuwerben, welche die neuen Fähigkeiten unterstützen würden.

Providerhaftung bringt Zensurgefahr mit sich

Am Donnerstag warb Thomas de Maizière im ZDF-Morgenmagazin für eine Verschärfung der Providerhaftung. Die Provider beziehungsweise Plattformbetreiber wie Facebook oder YouTube sollen sich in Zukunft stärker an der Beseitigung von Hasskommentaren und der Unterbindung von Straftaten beteiligen. Eine Gefahr für die Unterwanderung der Meinungsfreiheit durch diese Forderungen sieht de Maizière dabei nicht. Wie gefährlich solche und andere Kontroll- und Zensurmöglichkeiten sein können, wenn sie missbraucht werden, kann man bereits heute in Südafrika und Simbabwe sehen.

„Black Box“ in autonomen Fahrzeugen

Verkehrsminister Dobrindt hat seinen Wunsch nach einer „Black Box“ zum Ausdruck gebracht. Bei Autos mit Autopiloten solle so eine Box zum Einsatz kommen. Damit autonom fahrende Autos in Zukunft am deutschen Straßenverkehr teilnehmen dürfen, bedarf es noch einer Änderung der Gesetze. Bereits jetzt erhältliche Autos mit Fahrassistenten sind nicht direkt betroffen, bei ihnen wird ständige Aufmerksamkeit und die Verantwortung des Fahrers verlangt. Die Autohersteller lobten den Vorstoß. Genaue Informationen, wie lange beispielsweise ein anders beschäftigter „Fahrer“ braucht, um wieder die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen, werden gerade erforscht.

Dass eine separate Black Box für die Überwachung der Bewegungsstellen nicht zwingend notwendig ist, legt ein Gerichtsurteil des Landgerichts Köln nahe. Dort wurde der Fahrer eines Nutzers des DriveNow-Dienstes anhand Bewegungsdaten aus dem gefahrenen BMW verurteilt.

Pokémon Go zwischen Fastfood-Sponsoring und Abmahnungen

Das weltweite Phänomen „Pokémon Go“ bleibt weiterhin in den Schlagzeilen. In Japan ist eine geheime Absprache zwischen dem Spieleentwickler Niantic und McDonald’s aufgetaucht, mit der sich die Fastfoodkette die Platzierung von 3.000 Arenen in seinen Filialen zusicherte. Und auch in anderen Städten wie New York nutzen Geschäfte die Möglichkeiten der App, um Kunden anzulocken. Währenddessen hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Niantic wegen Mängeln in den Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen abgemahnt.

Mehrheit der jungen Menschen gegen die Klarnamenpflicht

Aus einer Umfrage des Stern geht hervor, dass eine Mehrheit der jungen Menschen gegen eine Klarnamenpflicht im Netz ist. Beim Thema zeichnet sich eine Spaltung zwischen den Altersgruppen ab: 81 Prozent der befragten über 59-Jährigen sprachen sich für einen Zwang zur Verwendung des Klarnamens in sozialen Netzwerken aus, während 58 Prozent der 18-29-Jährigen diesen Zwang ablehnen. Gegen die Klarnamenpflicht gibt es gute Gründe, die man hier nachlesen kann.

Transparenz nur für die anderen

Im schleswig-holsteinischen Landtag wurde diese Woche in erster Lesung ein Entwurf zum Informationsfreiheitsgesetz behandelt. Darin werden Veröffentlichungspflichten für die schleswig-holsteinische Verwaltung festgeschrieben. Dem Antrag der Regierungskoalition hatten sich andere Fraktionen, also die der CDU und FDP, allerdings nicht die Piraten-Fraktion angeschlossen. Diese moniert, dass der wissenschaftliche Dienst des Landtages von der Informationspflicht ausgenommen werde. Nach jetziger Rechtsprechung müsste er Auskunft erteilen.

Leistungsschutzrecht führt zu unklarer Rechtssituation

Das Leistungsschutzrecht sorgt weiterhin für Rechtsunsicherheit. Jetzt hat ein Startup vor einem Oberlandesgericht seine Klage gegen eine einstweilige Verfügung verloren. Durch das Leistungsschutzrecht können Presseverlage eine Lizenzgebühr für Textausschnitte beispielswiese auf Newsaggregatoren verlangen. Wie lange diese Textausschnitte genau sein dürfen, bleibt aber auch nach dem Urteil unklar.

Mutmaßlicher KickassTorrents-Betreiber festgenommen

Nach der Verhaftung des mutmaßlichen Betreibers der weltweit größten Torrent-Plattform KickassTorrents durch die polnische Polizei, ist die Seite derzeit nicht mehr erreichbar. Die Verhaftung geschah auf Ersuchen der USA. Ob die Plattform zurückkehren wird, ist bislang noch offen, eine Ende des Filesharing per Torrent wird es wohl kaum sein.

Internet und Gesellschaft erforschen und diskutieren

Am Donnerstag eröffnete die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf das Düsseldorfer Institut für Internet und Demokratie (DIID), das die Auswirkungen des Internets auf politische Systeme erforschen will. Außerdem startete das Datenspuren-Symposium in Dresden einen Call for Participation nach Vorträgen, Workshops, Projekten oder Kunstinstallationen.

EU-Kommission plant Exportkontrollen für Überwachungstechnologien

Autoritäre Regime weltweit nutzen europäische Überwachungssoftware zum Ausspähen von Oppositionellen. Nach öffentlichem Druck plant die EU-Kommission, den Export der Spähprogramme stärker zu reglementieren. Das geht aus einem heute geleakten Entwurf hervor.

Video- und Interviewtipps fürs Wochenende

Ein Interview aus der Cyberwar-Reihe von VICE zeigt den Hacker Phineas Fisher repräsentiert durch eine Sockenpuppe. VICE gibt hierdurch ein Beispiel, wie man ein Video mit einer Quelle, die unerkannt bleiben will, ansehnlich darstellen kann. Die vorerst letzte Folge des Elektrischen Reporters und wie es danach weiter geht, ein NDR-Portrait über SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil und die ARTE-Dokumentation „Schattenwelt BND“, für die auch Constanze Kurz und unsere Zeichnerin Stella Schiffczyk interviewt wurden.

Vielen Dank an Hendrik für die Mithilfe. :)

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3 Ergänzungen

  1. @ Markus Beckedahl & Redaktion:

    Der Amokläufer von München soll seine Pistole aus dem Darknet haben (was übrigens keineswegs überraschend ist).

    Damit ist klar: Ab heute wird über das Verbot von Tor diskutiert werden – flankiert von Panik- und Stimmungsmache, Fehlinformationen, Halbwahrheiten.

    Ihr als netzpolitik.org solltet spätestens ab morgen massiv erklären, was Tor und das darüber erreichbare Darknet sind, welche positiven und negativen Aspekte es dabei gibt und warum ein Verbot von Tor schädlich für viele gute Menschen in der Welt wäre. Am bestens befragt Ihr dazu Kate Krauss (sie ist Director of Communications von Tor Project).

    Ein paar Argumente von meiner Seite:
    – Entfernen wir Tor, werden Kriminelle wie bisher auch geschlossene Foren im offenen Web, klassischen Straßenschwarzmarkt und Botnets (= eigene Relay-Netzwerke) nutzen. Die Kriminellen werden nicht nachhaltig geschwächt.
    – Entfernen wir Tor, werden jedoch investigative Journalisten, Whistleblower, Umweltschutz-/Bürgerrechts-/Menschenrechtsaktivisten, Regierungskritiker, Stalking- und Mobbing-Opfer, generell Minderheiten und Randgruppen, Privacy-Interessierte, Diplomaten und sogar die Strafverfolger selbst keine sichere Kommunikations-, Meinungsäußerungs- und Recherchemöglichkeit mehr haben.
    – Das Darknet kann den Ermittlern sogar die Arbeit erleichern: Das illegale Waren-/Dienstleistungsangebot kann offen eingesehen werden. Man kann dort als Lockvogel verdeckt kaufen und verkaufen. Man kann hacken. Man kann erfolgreich gegen den illegalen Darknet-Markt vorgehen, ohne Tor verbieten zu müssen.

    Leider befürchte ich das Schlimmste. Das dämonisierte Darknet wird in den nächsten Tagen sämtliche Medien dominieren. Lauter Leute, die keine Ahnung haben, werden die uninformierte Masse gegen eine Technologie aufhetzen.

  2. Das Internet ist eh tod wegen der Überwachung und des Datenhandels entspricht Menschenhandel. Alle diejenigen die Informiert sind werden das über kurz oder lang nichtmehr benutzen!! Siehe Caspar Bowden Microsoftkritiker wegen zusammenarbeit mit NSA, CIA usw. FISA 702 benutzte kein Internet und kein Handy mehr Wers glaubt das Tor abgeschafft wird? Erstens ist Tor ein Projekt des US Verteidigungsministeriums. Zweitens die jetzige Chefin Shari Steel ist Juristin, war bei der NSA und beim FBI. Glaub mir Tor bleibt weil alle glauben dort wären se sicher sind se aber nicht weil der Bodensatz auf alle Schnittstellen gleichzeitig zugreifen kann.

    Zuletzt was ist Darknet? Da fällt mir nur ein rechtsfreier Raum ein also das weltweite Finanzsystem, Geheimdienste, Militär, Polizei, Justiz inklusive der Politik und der Pseudobehörden(Geheimdienste) die sich an keinerlei Gesetze halten. Woher kommen denn sonst die Kriege der Terror, Diktaturen oder wehrlose werden von der Polizei erschossen in USA, aktuell Mexico im Zuge von NAFTA Demonstrationen, Putsch in Brasilien nach Umweltverschmutzung durch englische Firmen so groß wie Portugal usw. aber 2300 Sicherheitsexperten sind nicht in der Lage das schlimmste zu verhindern bzw ein messbares Ermitlungsergebnis zu bringen außer Behauptungen wo die zu Täter gemacht werden die man haben will siehe auch RAF im Zusammenhang mit Alfred Herrhausen und Rohweder oder NSU.

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