Vectoring: EU-Kommission genehmigt Entwurf, fordert jedoch Nachbesserungen (Updates)

Nicht ganz ohne Bauchschmerzen hat die EU-Kommission den überarbeiteten Vectoring-Regulierungsentwurf der Bundesnetzagentur genehmigt. Nun sollen die deutschen Regulierer nachlegen und ein konkretes Vorleistungsprodukt vorstellen, das Telekom-Wettbewerber nicht benachteiligt.

Die Vectoring-Debatte nähert sich langsam ihrem Ende zu. CC BY-NC-ND 2.0, via flickr/delbz

Die EU-Kommission hat heute die Vectoring-Pläne der Bundesnetzagentur (BNetzA) grundsätzlich genehmigt und damit eine Weichenstellung vorgenommen, die langfristige Auswirkungen auf den Breitbandausbau in Deutschland haben dürfte. Am überarbeiteten Regulierungsentwurf hatte die Kommission vorrangig auszusetzen, dass die BNetzA nach wie vor kein Vorleistungsprodukt spezifiziert hat, das Wettbewerbern der Deutschen Telekom einen möglichst gleichberechtigten Zugang zu den Internetanschlüssen potenzieller Kunden ermöglichen soll.

Mit der Vectoring-Technik lassen sich auf kurzen Kupferstrecken Bandbreiten von bis zu 100 MBit/s erzielen, allerdings verlieren Konkurrenten den direkten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL), die zum Kunden führt. Im Tausch gegen eine Ausbauzusage drängt die Deutsche Telekom seit über einem Jahr darauf, Vectoring nicht nur in Kabelverzweigern, sondern deutschlandweit auch im Nahbereich von knapp 8.000 Hauptverteilern einsetzen zu dürfen – und das tunlichst exklusiv.

Dabei sind negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zu erwarten, da für Marktteilnehmer nicht mehr die gleichen Bedingungen gelten; zudem rechnet sich für Netzbetreiber in Gebieten, die mit der vergleichsweise kostengünstigen Vectoring-Technik erschlossen sind, der Ausbau von zukunftsfesten Glasfaserleitungen nicht. Deutschlands Infrastruktur läuft also Gefahr, auf unabsehbare Zeit auf veralteten Kupferleitungen sitzenzubleiben und so den Umstieg auf die oft verlangte Gigabit-Gesellschaft zu verpassen.

Oettinger zufrieden

Der Digitalkommissar Günther Oettinger gab sich insgesamt mit der Entscheidung zufrieden, forderte jedoch Nachbesserungen bei den Zugangsbedingungen für Wettbewerber: „Als Ergebnis unserer Prüfung hat die deutsche Regulierungsbehörde einen besseren Ausgleich zwischen der Modernisierung des Netzes und einem hochwertigen Zugang zum Netz für die Wettbewerber hergestellt“, hieß es in einer Pressemeldung. „Die zusätzlichen Garantien, die die BNetzA jetzt vorschlägt, schützen den nachhaltigen Wettbewerb und schaffen Anreize für zukunftsfähige Netze der Gigabit-Gesellschaft. Es sind jedoch weitere Verbesserungen erforderlich, und wir werden genau darauf achten, dass sie vorgenommen werden“, sagte Oettinger. Gegenüber netzpolitik.org erklärte die BNetzA, dass man sich mit den Anmerkungen der Kommission in der endgültigen Entscheidung auseinandersetzen‎ werde.

Die von Oettinger angedeuteten Verbesserungen des nun genehmigten, überarbeiteten Regulierungsentwurfes kratzen jedoch an der Oberfläche, wie teilweise selbst die Kommission auf einer Übersichtsseite einräumt. Für die Telekom-Wettbewerber bleiben die Anpassungen bloß „kosmetischer“ Art und hätten sich in bestimmten Punkten sogar noch verschlechtert. So muss etwa ein Konkurrent 40 Prozent der Kabelverzweiger im Anschlussbereich mit DSL-Technik versorgen und zudem mindestens 33 Prozent mehr Kabelverzweiger als die Telekom erschlossen haben, um einen Vectoring-Zuschlag zu erhalten.

Ebenfalls für „kosmetisch“ hielt die grüne Bundestagsabgeordnete Katharina Dröge, Sprecherin für Wettbewerbspolitik und Mitglied im Beirat der Bundesnetzagentur, die Korrekturen der BNetzA. Es sei sei zu erwarten, dass der Entscheid den Wettbewerb spürbar einschränken werde. „Investitionen in Glasfaser, die dringend notwendig sind, werden hinausgezögert. Dem gegenüber stehen einige wenige Haushalte, deren Internetanbindung leicht verbessert wird“, erläuterte Dröge.

Wettbewerber sehen „Quasi-Monopol“ der Telekom

Dennoch zeigten sich die Betreiberverbände Breko, Buglas und Vatm zweckoptimistisch, wenn auch enttäuscht von der Entscheidung. „Auch der neue Beschlussentwurf der Bundesnetzagentur räumt dem Bonner Ex-Monopolisten ein weitreichendes Quasi-Monopol zum (Vectoring-) Ausbau in den so genannten Nahbereichen innerhalb einer Entfernung von etwa 550 Metern bis zum Hauptverteiler (HVt) ein“, erklärten die Verbände in einer gemeinsamen Stellungnahme. Nun setzen sie darauf, „dass die durchaus kritischen Kommentare der EU-Kommission doch noch Berücksichtigung im finalen Beschluss der Bundesnetzagentur finden werden“.

Ein Sprecher der Deutschen Telekom begrüßte, „dass die EU-Kommission auf eine erneute vertiefte Prüfung verzichtet hat und die Bundesnetzagentur jetzt zügig ihre Regulierungsverfügung bekannt geben kann“. Ohne Details zu kennen, müsse man allerdings prüfen, „welche Auswirkungen die von der EU-Kommission ins Spiel gebrachte Verknüpfung von Nahbereich-Vectoring mit einem bestimmten Vorleistungsprodukt hat.“ Dies war im Regulierungsentwurf der BNetzA nicht vorgesehen.

Vorleistungsprodukt entscheidend

Mit der genauen Ausgestaltung eines entsprechenden Vorleistungsproduktes steht und fällt nämlich die gesamte Entscheidung. Ursprünglich hatte die BNetzA Spezifikationen für den 1. Januar 2016 angekündigt, die Vorstellung jedoch in den Sommer hinein verschoben. Passiert ist bislang jedoch noch nichts. Selbst wenn die BNetzA noch im Sommer eine endgültige Regulierungsverfügung erlassen sollte, darf Vectoring erst dann ausgerollt werden, wenn ein solches Vorleistungsprodukt marktreif ist.

Experten der EU-Kommission betonten gegenüber netzpolitik.org, dass man entsprechende Vorschläge der BNetzA eingehend prüfen werde, sobald sie in Brüssel zur Notifizierung vorgelegt werden. Zu erwarten sei dies nach der Sommerpause im September oder Oktober. „Wir haben heute sehr klar gemacht, im Besonderen in Hinblick auf die technischen Parameter, dass Verbesserungen der aktuellen Ausgangslage immer noch notwendig sind. Wir haben gegenüber der BNetzA eine Erwartungshaltung an den Tag gelegt, die deutlich macht, dass wir von ihr weitere Arbeit erwarten“, hieß es aus der Kommission.

Update: Wortmeldung der Bundesnetzagentur nachgetragen.

Update 2: Mittlerweile liegt der Beschluss der EU-Kommission im Volltext vor.

Update 3: Stellungnahme von Katharina Dröge nachgetragen.

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3 Ergänzungen

  1. Wenn das der VULA Zugang ohne Probleme und mit gleicher Performance läuft wie ein eigener VDSL Zugang, reicht es dem Kunden.
    Und dann haben auch die Unternehmen wie Breko, VATM und co. keinen Grund zu meckern.
    Klar ist die Vergabe der entsprechenden Bereiche zu sehr Telekom freundlich gestaltet worden, aber dann hätten Sie in der Vergangenheit mehr leisten müssen und sich nicht nur auf Rosinenpicken begrenzen sollen.
    Jetzt jammern bringt nichts mehr.

    Martin

  2. Damit ist die Gigabit-Gesellschaft zunächst mal abgesagt und zwar auf Jahre, die Kunden am langen Ende der TAL sind weiterhin geachtet und die Wettbewerbfähigkeit wird geschwächt!

    1. Die Gigabit Gesellschaft wird es vielleicht zwischen 2025 und 2035 geben in DE.
      Oder falls zu viel Druck von den Unternehmen in den nächsten Jahren kommt, vielleicht sogar früher.
      Der Standort Deutschland wird schon seit Jahren immer unbrauchbarer für digitale Firmen.
      Ich kann deshalb auch nicht nachvollziehen, warum sich Herr Gabriel immer ein deutsches Silicon Valley wünscht, wenn die Regierung nicht mal die Grundlagen dafür schafft.

      Aber schauen wir mal we sich der Spaß entwickelt.
      Mit viel Glück rüstet die DT ihr VDSL Vectoring bis 2020 auf G.Fast auf und somit wären wir schon relativ nah am Gigabit.
      Auch wenn direktes FTTH eigentlich alternativlos ist.

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