Breitbandausbau: Bald mehr digitale Strategien als Anschlüsse

Die deutschen Internetminister Bundesverkehrsminister Dobrindt, Bundesinnenminister de Maizière und Bundeswirtschaftsminister Gabriel sollten mehr miteinander reden. – Alle Rechte vorbehalten BMWi/Susanne Eriksson

Üblicherweise bezeichnet „Strategie“ eine Art längerfristigen Plan, mit dem sich schwierige Aufgaben strukturiert bewältigen lassen. Zwei oder mehr Strategien vervielfachen daher die Effizienz, oder? Diesen Eindruck erweckt derzeit die Bundesregierung, deren viele Köche beim Thema Digitalisierung mitreden möchten.

Zuletzt am Wort: Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel, der gestern auf der Cebit die „Digitale Strategie 2025“ vorgestellt hat. Darin fordert der Internetminister (ein Titel, den sich auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Bundesinnenminister Thomas de Maizière gerne an die Brust heften würden) ein Ende von „isolierten Insellösungen“ und, als „logische Kosequenz“, den Aufbau einer regierungsübergreifenden Digitalagentur. Diese soll derzeit fragmentierte Kompetenzen bündeln und Deutschland dabei helfen, beim Digitalisierungsprozess eine internationale Vorreiterrolle einzunehmen.

Seitenhiebe galore

Zentrales Thema des Strategiepapiers ist die Errichtung einer zukunftsfähigen Glasfaser-Infrastruktur, ohne die Deutschland die immer schneller voranschreitende Digitalisierung nicht bewältigen könne. Dafür zuständig ist eigentlich das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), das jedoch nicht einmal die eigene Organisationsstruktur im Griff zu haben scheint. So übte etwa der Bundesrechnungshof in einem (noch nicht veröffentlichten) Bericht scharfe Kritik am Ressort Dobrindts und unterstellte dem Ministerium unter anderem, sich nicht „vorab systematisch mit den zu erledigenden Aufgaben“ befasst zu haben.

Insofern überraschte die Wortwahl Gabriels nicht, der seine Strategie als „den ersten systematischen Ansatz“ bezeichnete, um die in Zukunft notwendigen Instrumente aufzuzeigen. Deutliche Worte fand der Vizekanzler auch zum aktuellen Ausbaustand: „Deutschland hat kein schnelles Internet“ heißt es etwa ausdrücklich und leicht überraschend, denn bislang konnte man von der Regierung keine derart deutlichen Worte vernehmen. Kritisiert wird ferner die „aktuelle deutsche Breitbandstrategie, die im Wesentlichen auf die Bereitstellung asymmetrischer Anschlüsse für Privatkundinnen und Privatkunden abzielt“. Dieser Ansatz spiegelt sich beispielsweise in der bevorstehenden Vectoring-Entscheidung der Bundesnetzagentur wider, die den Einsatz von Kupferkabeln wohl auf Jahre hin festzementieren und gleichzeitig dafür sorgen dürfte, das Geschäftsmodell von Glasfaseranbietern zu untergraben.

Finanzierung

Mit bisherigen Strategien der Regierung passt auch der geforderte „Zukunftsinvestitionsfonds für Gigabitnetze in ländlichen Räumen“ nicht ganz zusammen, jedenfalls, was die Finanzierung betrifft. So ist von einem Fondsvolumen von rund 10 Milliarden Euro die Rede, was weitere Investitionen bis 2025 auslösen und den Finanzierungsbedarf von bis zu 100 Milliarden abdecken soll. Zum Vergleich: Das Ende vergangenen Jahres beschlossene „Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau“ des BMVI verfügt über Mittel in der Höhe von gerade Mal 2,7 Milliarden Euro. Damit soll freilich nicht flächendeckend Glasfaser ausgerollt werden, sondern nur das im Koalitionsvertrag und in der „Digitalen Agenda“ verankerte Breitbandziel von 50 MBit/s (im Downstream) erreicht werden.

Woher die 10 Milliarden kommen und vor allem, ob sie rechtzeitig zur Verfügung stehen können, bleibt jedoch unklar. So werden mögliche Erlöse aus der nächsten Frequenzversteigerung genannt, wobei die derzeitigen UMTS-Lizenzen erst Ende 2020 auslaufen. Abgesehen davon könnte das Zusammenwirken bestehender Förderprogramme wie der erwähnten Breitbandförderrichtlinie mit anderen Töpfen „optimiert“ werden und sonstige Synergieeffekte genutzt werden. Zusätzlich dazu fordert Gabriel einen „Runden Tisch Gigabitnetz“, wo „Telekommunikationsanbieter, Bund, Länder und Gemeinden, Unternehmen und Verbände“ zusammentreffen und Strategien entwickeln sollen, um endlich Gigabitnetze in Deutschland zu verwirklichen. Ob dieser Arbeitskreis die nicht gerade erfolgreiche „Netzallianz Digitales Deutschland“ ergänzen oder ganz ersetzen soll geht aus dem Strategiepapier nicht hervor – der im BMVI angesiedelte Arbeitskreis findet mit keinem Wort Erwähnung.

„Leere Worthülsen“

Der Bundestagsabgeordnete Herbert Behrens von Die Linke begrüßte netzpolitik.org gegenüber zwar den Vorstoß von Gabriel, „sein Plan wird aber sicherlich nicht aufgehen“. Eine „leere Worthülse“ sei der Zukunftsinvestitionsfonds, da die Mittel aus der Frequenzversteigerung in frühestens vier Jahren genutzt werden könnten. Auch sonst sei nicht nachvollziehbar, warum Mittel aus der Digitalen Dividende II, die bisher nicht in den Breitbandausbau geflossen sind, erst jetzt ins Spiel gebracht werden. „Der Satz ‚Darüber hinaus sind neue Finanzierungsinstrumente erforderlich‘ ist keine besondere Erkenntnis, belegt aber, dass der Wirtschaftsminister nicht mehr weiter weiß“, so Behrens weiter.

Seine Fraktionskollegin Halina Wawzyniak fügte hinzu: „Mit seiner ‚Digitalen Strategie 2025‘ grenzt sich Gabriel mit voller Absicht von seinem Ministerkollegen Alexander Dobrindt ab. Dobrindt forciert lieber einen Breitbandausbau, der veralteten Technologien den Vorzug gibt, anstatt konsequent auf Glasfaser zu setzen. Es zeigt sich, dass die Bundesregierung sich nicht einig wird, wie die Digitalisierung gestaltet werden soll“. Anstatt eine weitere Strategie „öffentlichkeitswirksam in Konkurrenz zur Digitalen Agenda der Bundesregierung und in Konkurrenz zu Ministerkollegen zu stellen, sollte Sigmar Gabriel und mit ihm die gesamte Bundesregierung endlich Taten walten lassen“.

[Update] Die Sprecherin für Digitale Infrastruktur von Bündnis 90/Die Grünen, Tabea Rößner, wiederholte die Forderung ihrer Partei nach einem „massiven Glasfaserausbau“, den man mit einer vollständigen Privatisierung des Ex-Monopolisten Telekom Deutschland finanzieren könne. Zum derzeitigen Kompetenzwirrwarr innerhalb der Bundesregierung teilte sie uns mit: „Die SPD und Sigmar Gabriel haben reichlich spät begriffen, dass die Breitbandstrategie von CSU-Kollege Dobrindt zu kurz gegriffen und rückständig ist. Allerdings hilft regierungsinterne Oppositionsarbeit auch niemanden weiter, der Wirtschaftsminister sollte viel eher seinen Einfluss für eine Kurskorrektur geltend machen, anstatt hübsche Papiere zu veröffentlichen. Auch dass sein Ministerium maßgeblich hinter der Vectoringentscheidung steht, verschweigt er lieber“.

Trotz mehrfacher Anfragen erhielten wir weder vom BMVI noch vom BMWi eine Antwort.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

6 Ergänzungen

  1. Es ist so lächerlich und gleichzeitig eine Schande für die Industrienation Deutschland. Der wievielte Ausbauanlauf ist das jetzt? International gesehen sind wir mit dem „Breitbandausbau“ ganz schön am Ars….
    Da sind einige sogenannte Entwicklungsländer schon viel weiter. Wäre schön wenn Deutschland auch mal Entwicklungsland ist… dann würde sich vlt. auch was entwickeln!

  2. Vor etwa 8-10 Jahren hat eine 2800 Seelen-Gemeinde in Zusammenarbeit mit der dort ansässigen Sparkasse ihren Gewerbepark eigenständig mit schnellem Internet auf Glasfaserbasis ausgebaut und damit erfolgreich eine ganze Reihe steuerzahlender Gewerbebetriebe angeworben.

    Zitat aus einem Zeitungsbericht von 2008: … dass im Gewerbepark noch bessere Glasfaserkabellösungen existierten, die für den Hausgebrauch allerdings zu kostspielig seien.

    Ein Zuschuss über die KfW direkt an die Gemeinden, die die Sache selbst in die Hand nehmen, ohne den ganzen Selbstbedienungsladen der Länder und die Sache ist geritzt. Die Lücken schließt man notfalls mit Richtfunk über Relaisstationen.

    Ein solche kurzfristige, pragmatische Lösung vor Ort würde den papierproduzierenden Intelligenzbestien in Berlin niemals einfallen. Da balgt man sich lieber jahrelang um Kompetenzen, rechnet die eierlegende Wollmilchsau hoch, damit auch ja astronomische Summen zustande kommen, und legt das Ziel in die ferne Zukunft, nur um nichts Konkretes tun zu müssen.

    1. Das stammt noch aus der Zeit, als Sparkassen und Volksbanken eigene Kabel legten und wegen Überkapazitäten damals sogar Provider wurden. Das war vor der dot.com-Blase.

      Das damalige Projekt in Sternenfels wurde von der Sparkasse Pforzheim als steuerminderndes Projekt mit Außenwirkung und zur Kundenbindung aufgesetzt. Die Aktivitäten des Gründerzentrums blieben in all den Jahren sehr überschaubar, und konnten kaum einen Beitrag dazu leisten, die Gemeinde von ihren Problemen zu befreien.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.