Vectoring: Bundesnetzagentur veröffentlicht neuen Regulierungsentwurf (Update)

Der Regulierungsentwurf zu Vectoring fand kein Gehör bei der EU-Kommission. CC BY-SA 2.0, via flickr/QSC AG

Die Bundesnetzagentur hat heute ihren überarbeiteten Vectoring-Entwurf vorgelegt. Dieser war notwendig geworden, da der vorherige, heftig umstrittene Entwurf offensichtliche Mängel enthielt und der vertieften Prüfung der EU-Kommission nicht standhalten konnte. Daraufhin zog die Bundesnetzagentur Ende letzter Woche den Stecker und den Regulierungsentwurf zurück.

Mit der Vectoring-Technik lassen sich auf kurzen Kupferstrecken Bandbreiten von bis zu 100 MBit/s im Downstream erzielen, allerdings nur von einem Anbieter. Wird Vectoring in einem Verteiler eingesetzt, verlieren alle übrigen Wettbewerber zwangsläufig den direkten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL), die zum Kunden führt. Im Tausch gegen eine Ausbauzusage drängt die Deutsche Telekom seit über einem Jahr darauf, Vectoring auch im Nahbereich von knapp 8.000 Hauptverteilern einsetzen zu dürfen – und das möglichst exklusiv.

Gegen dieses Tauschgeschäft läuft der Rest der Branche seitdem Sturm und warnt vor einer „Re-Monopolisierung der Netze“. Auch der Beirat der Bundesnetzagentur forderte Nachbesserungen am Regulierungsentwurf, während die Monopolkommission ein „Technologiemonopol der Deutschen Telekom“ befürchtete.

Bundesnetzagentur zuversichtlich, Bedenken ausgeräumt zu haben

Ob der überarbeitete Entwurf die Kritik entschärfen kann, bleibt derzeit noch unklar. Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, zeigte sich letzte Woche zuversichtlich, „die Bedenken der Kommission ausgeräumt zu haben“. So sollen künftig Wettbewerber in mehr Gebieten selber die Vectoring-Technik einsetzen können. Zudem sollen die „Zugangsbedingungen für den ersatzweise anzubietenden virtuellen Zugang zur ‚letzten Meile‘ an den Kabelverzweigern verbessert“ werden, hieß es aus der Bundesnetzagentur.

Der aktuelle Entscheidungsentwurf wird nun erneut der EU-Kommission sowie dem Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (BEREC) vorgelegt, die einen Monat Zeit haben, um dazu Stellung zu nehmen. Die Wettbewerber am deutschen Markt und die Deutsche Telekom sind noch dabei, den Entwurf zu prüfen. Zu erwartende Stellungnahmen werden wir als Update einpflegen, sobald sie eintreffen.

Update: Details und Reaktionen

Insgesamt haben sich lediglich sieben Punkte geändert, die meisten davon nur geringfügig. So muss an einem betroffenen Zugangspunkt nicht mehr nur einem, sondern gegebenenfalls mehreren Nachfragern ein virtueller Zugang (VULA) zur TAL zur Verfügung gestellt werden. Der Stichtag für Zugangsnachfrager hat sich entsprechend nach hinten verschoben, wobei sich die Modalitäten für einen Zuschlag geändert haben. Zuvor musste ein Wettbewerber mindestens 50 Prozent der Kabelverzweiger im Anschlussbereich mit DSL-Technik erschlossen haben.

Diesen Schwellwert hat die BNetzA auf 40 Prozent abgesenkt, jedoch eine neue Hürde eingebaut: Es reicht nicht mehr eine Mehrheit für den Zuschlag, sondern Wettbewerber müssen zudem mindestens 33 Prozent mehr Kabelverzweiger als die Telekom erschlossen haben. Bei nachträglicher Zugangsverweigerung (wenn also durch einen Vectoring-Zuschlag der direkte Zugriff auf die TAL entfällt) muss zudem ein Zugang zu Kabelkanälen oder unbeschalteter Glasfaser zwischen Hauptverteiler und Kabelverzweiger angeboten werden, wenn auch nur auf zwei Jahre begrenzt. Darüber hinaus muss die Telekom in jedem Fall einen Bitstrom-Zugang auf Layer-2-Ebene zur Verfügung stellen.

Ein Sprecher der Deutschen Telekom erklärte gegenüber netzpolitik.org:

Die Bundesnetzagentur ist den Wettbewerbern noch einmal stark entgegen gekommen: Sie können noch mehr Nahbereiche exklusiv ausbauen und bekommen noch mehr Möglichkeiten, unsere Infrastruktur für sich zu nutzen. Die Wettbewerber sind jetzt gefordert, ihre Versprechen auch einzuhalten.

Laut Kalkulationen der Telekom würden sich durch die neue Verfügung deutlich mehr Nahbereiche ergeben, die Wettbewerber exklusiv ausbauen könnten. „Zudem gibt es neben dem neuen Zugang zum Kabelverzweiger-Anschlusspunkt unter bestimmten Umständen auch Zugang zur unbeschalteten Glasfaser beziehungsweise zum Kabelkanal“, so der Sprecher.

Die Wettbewerber reagierten empört auf den überarbeiteten Entwurf und sprachen von Anpassungen „rein kosmetischer Art“. In der Praxis würden die Ausbaumöglichkeiten für den Wettbewerb allenfalls geringfügig verbessert. In einer gemeinsamen Aussendung der Verbände BREKO, BUGLAS und VATM hieß es:

„Die leichte Absenkung der im ersten Entwurf vorgesehenen Mehrheitsregelung – hier musste ein alternativer Netzbetreiber in jedem Fall mindestens 50 Prozent aller ‚grauen Kästen‘ am Straßenrand und insgesamt mehr Kabelverzweiger als die Deutsche Telekom erschlossen haben – auf nunmehr mindestens 40 Prozent wäre zwar isoliert betrachtet eine geringe Verbesserung“, erläutern die drei Geschäftsführer. „Allerdings muss ein ausbauwilliger Wettbewerber nun auch mindestens 33 Prozent mehr Kabelverzweiger erschlossen haben als die Telekom, was die Schwelle in vielen Fällen weit über 40 und auch mehr als 50 Prozent heben dürfte.“ Diese neue Regelung erhöht zudem die Komplexität und das Risiko für die Investoren.

Zudem sei ein „echter Glasfaserausbau“ auch künftig praktisch unmöglich:

Ebenso werde auch weiterhin der für die kommende Gigabit-Gesellschaft so wichtige Ausbau mit hochmoderner Glasfaser bis direkt ins Gebäude oder die Wohnung (FTTB / FTTH) in den betroffenen Gebieten praktisch unmöglich, da dieser echte Glasfaserausbau ohne den Einbezug der in der Regel dichter besiedelten Nahbereiche vielfach nicht rentabel realisierbar sei. Dies ändere sich auch nicht durch den nun vorgesehenen, aber auf die Dauer von zwei Jahren beschränkten Zugang zu unbeschalteter Glasfaser („Darkfibre“) oder alternativ zu Leerrohren der Deutschen Telekom. Dieser soll zudem nur vom Hauptverteiler bis zum Kabelverzweiger, aber nicht für die Strecke vom Kabelverzweiger bis zum Endkunden angeboten und darf auch nicht zum weiteren Ausbau mit FTTB / FTTH – etwa zum Anschluss von Gewerbebetrieben – genutzt werden. Außerdem sieht der nun vorgelegte Entwurf weiterhin kein Überbau-Verbot von FTTB-/FTTH- und HFC-Infrastrukturen vor, sondern verpflichtet im Gegenteil die Telekom dazu, in den Nahbereichen vorhandene, leistungsfähigere Netze mit Vectoring zu überbauen.

Eine Sprecherin der EU-Kommission bestätigte uns, dass die BNetzA bereits gestern den überarbeiteten Entwurf zur Notifizierung vorgelegt hat. Die Kommission werde diesen nun bis spätestens 20. Juli 2016 prüfen und gegebenenfalls Schritte einleiten. Sollte wieder eine „vertiefte Prüfung“ notwendig werden, könne diese bis zu drei Monaten dauern.

EU-Digitalkommissar Günther Oettinger hoffte auf Twitter, dass der neue Entwurf die Kritikpunkte der Kommission ausräumt. Sollte das der Fall sein, dann würde man die Quadratur des Kreises schaffen: „Vectoring + Wettbewerb + Anreize für Investitionen“.

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