KW 27Die Woche, als wir die Suche nach einem neuen Büro begannen

Die 27. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 21 neue Texte mit insgesamt 253.581 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser*innen,

mein Thema der Woche sind Umzüge, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Erst einmal müssen wir selbst umziehen. Unsere Büros an der Schönhauser Allee sollen wir bis Ende des Jahres verlassen. Also haben wir die öffentliche Suche nach einer neuen Bleibe in Berlin gestartet. Mindestens 12 Arbeitsplätze suchen wir, mit Konferenzraum, Technik-/Abstellraum und Kaffeemach-Möglichkeit. Von wo aus werden wir in Zukunft für digitale Grund- und Freiheitsrechte kämpfen? Wir sind dankbar für jeden Tipp an kontakt@netzpolitik.org und bedanken uns für all die lieben Hinweise, die uns schon erreicht haben.

Eine neue Bleibe suchen auch zahlreiche Twitter-Nutzer*innen, mal wieder. In dieser Woche ist die von Elon Musk ramponierte Plattform noch ungastlicher geworden. Plötzlich verschwanden alle Tweets hinter einer Login-Seite. Das heißt, ohne Account ließ sich nichts mehr lesen. Und selbst wer sich einloggte, wurde ausgebremst. Nutzer*innen ohne Premium-Account durften nicht mehr als 600 Tweets pro Tag sehen. Das ist lächerlich wenig. Möglicherweise ist das nur temporär. Doch wenn man sich bei Twitter auf eines verlassen kann, dann auf Chaos.

Ich finde es klug, von Twitter ins Fediverse zu ziehen. Einfach mal losreißen von datengierigen Konzernen. Hier eine Anleitung für den Wechsel zu Mastodon. Es ist schön dort, und wirklich nicht so kompliziert, wie manche sagen.

Kein Interesse habe ich an einem Umzug zu Metas neuem Twitter-Klon namens Threads. Seit Donnerstag ist der Dienst außerhalb der EU verfügbar. Meta-Chef Zuckerberg will mit Threads nicht nur Twitter das Wasser abgraben, sondern auch im Fediverse Fuß fassen. Das größte Problem bei Threads hat Markus Beckedahl diese Woche in seiner Kolumne zusammengefasst: Auch Threads folgt den Prinzipien des Überwachungskapitalismus, na klar. Es bindet unsere Aufmerksamkeit, hortet Daten, bildet Profile und dreht uns personalisierte Werbung an. Mein Fazit: gar kein Bock.

Umziehen macht Kummer. Man lässt einen Teil vom Alltag zurück, vielleicht auch einen Teil von sich selbst. Ich vermisse das alte Twitter. Ich konnte dort alle relevanten Kolleg*innen und Expert*innen direkt finden, direkt anschreiben, direkt Antwort bekommen. Meine Güte, war das schön. Ich werde auch unser Büro direkt unterm Dach in der Schönhauser Allee vermissen. Wenn es regnet, hört man das Geprassel in jedem Zimmer. Das Wasser strömt über die Fenster wie in einer Waschanlage. Dann einen Kaffee aufbrühen und Artikel schreiben. Herrlich.

Umziehen macht aber auch Spaß. Wir entdecken neue Seiten von uns und wachsen aus schlechten Gewohnheiten heraus. Im Fediverse bemerke ich viel weniger von der ätzenden Selbstdarstellerei, die mein Lebensgefühl auf Twitter lange dominiert hat. Das tut gut. Und wer weiß, welche positiven Überraschungen ein neues Büro für netzpolitik.org bereit hält?

Ich wünsche euch ein Wochenende, an dem ihr euch zu Hause fühlen könnt
Sebastian


Wissenschaftler warnenChatkontrolle ist der falsche Weg

Die Idee einer anlasslosen Chatkontrolle stößt auf Widerstand in der Wissenschaft: Dreihundert Unterzeichner eines internationalen offenen Briefes melden „ernsthafte Vorbehalte“ gegen den Vorschlag an. Namhafte Forscher und Wissenschaftler aus mehr als dreißig Ländern wenden sich mit technischen Argumenten gegen die geplante systematische Überwachung.

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Surveillance advertising in EuropeThe adtech industry tracks most of what you do on the Internet. This file shows just how much.

The advertising industry has more than 650,000 labels to target people. Reading through them reveals how even the most sensitive aspects of our life are monitored. EU-based data brokers play a vital role in this system.

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Bestandsdatenauskunft 2022Behörden fragen sekündlich, wem eine Telefonnummer gehört

Staatliche Stellen haben letztes Jahr 23 Millionen Mal abgefragt, wem eine Telefonnummer gehört. Damit ist die Zahl der Anfragen das erste Mal seit Langem rückläufig. Auch Inhaber von IP-Adressen werden abgefragt, doch darüber will auch die Ampel-Regierung weiterhin keine Transparenz.

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Offener Brief der WissenschaftDas Client-Side-Scanning ist zum Scheitern verurteilt

Die EU-Kommission will massenweise persönliche Nachrichten scannen, um Darstellungen von sexuellem Missbrauch zu bekämpfen. Wissenschaftler:innen aus aller Welt fordern nun, die Pläne zurückzuziehen. Sie hätten ohnehin keine Aussicht auf Erfolg. „Das lobenswerte Ziel, Kinder zu schützen, ändert an dieser technischen Realität nichts.“ Wir haben den Brief übersetzt.

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ChatkontrolleEU-Staaten wollen Verschlüsselung doch nicht schützen

Die EU-Staaten wollen Internet-Dienste verpflichten, auch in verschlüsselten Inhalten nach Straftaten zu suchen. Die Mehrheit lehnt einen Vorschlag zum Schutz von Verschlüsselung ab. Damit kann die Bundesregierung dem Chatkontrolle-Gesetz nicht zustimmen. Wir veröffentlichen drei eingestufte Verhandlungsprotokolle.

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