Netzpolitischer Jahresrückblick 2014: Juni

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Bald endet das Jahr 2014. Zeit, um jeden verbleibenden Tag auf je einen Monat des Jahres zurückzublicken und zu schauen, was im und um das Netz wichtig war.

Bisherige Rückblicke:

  1. Januar
  2. Februar
  3. März
  4. April
  5. Mai

Im Juni jährte sich der NSA-Skandal, was Gelegenheit zum Protest vor dem Bundeskanzleramt gab, da die Bundesregierung bisher primär dadurch aufgefallen war, die Aufklärung der Spähaffäre zu behindern. Wir haben außerdem das im Juli 2013 als Reaktion auf die Überwachungsenthüllungen von Kanzlerin Merkel ausgerufene “Acht-Punkte-Programm zum besseren Schutz der Privatsphäre“ nochmal unter die Lupe genommen und festgestellt, dass schon die ursprünglichen Ziele unkonkret waren und sich an vielen Stellen mehr auf wirtschaftliche Aspekte als auf den Schutz der Privatsphäre fokussierten. Es gab und gibt keine konkreten Handlungen, die zu einer Verbesserung der Lage geführt hätten, stattdessen katzbuckelten die Kanzlerin und ihre Regierung weiter vor den amerikanischen Freunden und zogen sich auf einen „Cyber-Dialog“ zurück. Apropos Cyber: Der Bundesrechnungshof kam zu dem Schluss, dass der Nutzen des Cyberabwehrzentrums fraglich ist und urteilte in einem an die Öffentlichkeit gelangten Bericht, es sei „nicht geeignet, die über die Behördenlandschaft verteilten Zuständigkeiten und Fähigkeiten bei der Abwehr von Angriffen aus dem Cyberraum zu bündeln.“

In der 7. Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses kamen Sachverständige in völker- und europarechtlichen Fragen zu dem Schluss, dass die globale Massenüberwachung nicht mit Grundrechten vereinbar ist. Gilt natürlich auch für die eigenen Dienste. Und so tat es uns nicht besonders leid, als der BND vorerst nur sechs seiner beantragen 300 Millionen für die Strategische Initiative Technik bewilligt bekam. Auch wenn das nur eine vorläufige Entscheidung darstellte. Dafür erfuhr man, dass auch das Verteidigungsministerium Forschungen zur automatisierten Analyse von öffentlichen Quellen im Internet betreibt, ebenso der Verfassungsschutz.

Und dieser andere deutscher Geheimdienst, der Verfassungsschutz, hat den Datenaustausch mit US-Geheimdiensten im Jahr 2013 weiter intensiviert. Es ergab sich eine signifikante Steigerung des Austauschvolumens, die Süddeutsche berichtet von 1163 übermittelten Datensätzen, darunter Handynummern, Bewegungsprofile und Aufenthaltsorte. Diese Zahl habe sich damit in einem Vierjahreszeitraum beinahe verfünffacht, 2012 beispielsweise lag die Zahl der übermittelten Datensätze an die amerikanischen Geheimdienste nach Angaben eines Dokumentes aus dem Innenministerium bei 864.

Zum Thema Übermittlung passt auch, dass wir bekannt gemacht haben, vom wem der Deutsche Bundestag bis dato seine Internet-Adressen bezog: vom amerikanischen Anbieter Verizon. Er präsentierte dadurch die eigentlich schützenswerte Kommunikation den fremden Geheimdiensten quasi auf dem Silbertablett. Nachdem dies einiges Medienecho und Unverständnis auf sich gezogen hatte, kündigte der Bundestag dem Anbieter.

Passend zum Snowden-Jubiläum veröffentlichte der Spiegel mit einem Mal 53 Dokumente mit Deutschlandbezug. Aus diesen ging unter anderem hervor, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst daran beteiligt war, internationale Glasfaserkabel abzuschnorcheln und demnach direkt mit der NSA bei der Totalüberwachung der digitalen Kommunikation zusammenarbeitet Außerdem enthielten sie eine Liste der ausländischen Top-Level-Domains, die nicht überwacht werden – darunter Deutschland, Guam, Nördliche Mariannen und Neuseeland. „.org“ ist leider nicht dabei.

Was im ersten Jahr nach Snowden klar geworden ist: Wir müssen einen langen Atem haben. Doch es geht nicht nur Überwachungspotential von NSA und anderen Geheimdiensten aus. Auch an anderen Stellen arbeitete man auf Hochtouren an der genauen Erfassung der Einzelnen. So wurden einige weitere Details über Funkzellenabfragen bekannt. In NRW stieg die Anzahl der eingesetzten Funkzellenanfragen auf täglich elf Handy-Rasterfahnungen an und in München und Halle wurden in einzelnen Fällen Tausende Handynutzer erfasst, die sich in der Nähe eines Tatortes aufgehalten hatten.

Ab nächstem Jahr müssen außerdem alle Neuwagen in Europa mit GPS-Empfänger und Mobilfunk-Modem ausgestattet sein, um bei einem Unfall automatisch einen Notruf abzusetzen. Das schreiben zwei EU-Verordnungen vor. Neben der Verkehrssicherheit geht es vor allem um Industrieförderung – und mit “freiwilligen Zusatzdiensten” fallen alle Datenschutzbestimmungen.

Der Juni brachte für uns zwei große erfreuliche Dinge in eigener Sache: Unser Blog hat einen neuen, schönen Anstrich bekommen und kurz darauf wurde und ein Grimme-Online-Award verliehen. Reichlich Motivation, um auch den Rest des Jahres für Digitale Grundrechte zu kämpfen.

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