KW 17Die Woche, als das digitale Briefgeheimnis vor dem Scheitern stand

Die 17. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 16 neue Texte mit insgesamt 187.200 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Grün-gelbes Fraktal
Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

während diese Woche die lang erwartete ePrivacy-Verordnung auf der Kippe steht, haben wir uns auf ein Jubiläum vorbereitet. Im Juni werden die ersten Snowden-Enthüllungen 10 Jahre alt. Als wir im Team angefangen haben, darüber zu sprechen, war ich erstmal erstaunt. 10 Jahre ist das schon her, das konnte ich kaum glauben.

Am 2. Mai wollen wir zurück- und vorausblicken. Deshalb haben wir gemeinsam mit der Digitalen Gesellschaft einen Themenabend zum bevorstehenden Jahrestag der Enthüllungen vorbereitet. Dabei sein könnt ihr um 20 Uhr in der c-base Berlin und im Live-Stream.

An einiges aus der Zeit kann ich mich noch recht gut erinnern. Zum Beispiel, wie ich mich im Sommer 2013 immer wieder fragte: Wie lange geht das noch weiter? Gefühlt kamen im Abstand weniger Tage immer neue Enthüllungen und es schien einfach nicht aufzuhören. Immer neue Codenamen und Abkürzungen zu immer neuen Überwachungsprogrammen prasselten auf uns ein. Prism, XKeyscore, Tempora, Boundless Informant, Wharpdrive. Den Überblick zu behalten, war fast unmöglich.

Später wurde dann mehr und mehr klar, wie eng auch die deutschen Geheimdienste mit ihren US-Partnern zusammenarbeiteten. Und wie sich auch „befreundete“ Dienste gegenseitig im Visier hatten. An Angela Merkels Satz „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“ können sich vermutlich viele von euch erinnern. Wir haben gelernt: Offensichtlich geht das doch.

Wir haben die Enthüllungen von Anfang an begleitet; so richtig los ging es, als in Folge der Veröffentlichungen ein Untersuchungsausschuss im Bundestag eingerichtet wurde. Von April 2014 bis Juni 2017 gab es insgesamt 134 Sitzungen, 66 davon öffentlich. Wir haben uns diese Sitzungen angeschaut, protokolliert, immer wieder die Themen der Befragungen aufbereitet. 5,6 Millionen Zeichen Live-Blogs kamen so zustande.

Aus unserer Redaktion saßen damals vor allem mein Kollege Andre und ich im Ausschuss. Regelmäßig gingen die Sitzungen bis spät in den Abend, es stellte sich eine verschworene Gemeinschaft ein unter den regelmäßigen Besucher:innen auf der Tribüne im Sitzungssaal. Man versorgte sich gegenseitig mit Mate und Schokolade, lachte gemeinsam, empörte sich und überbrückte die Wartezeit, wenn mal wieder eine Sitzung unterbrochen wurde.

Mich hat diese intensive Zeit sehr geprägt und ich habe viel gelernt über das, was BND, Bundesverfassungsschutz und Co. so treiben. Aber genauso aufschlussreich war es, direkt beobachten zu können, welches Selbstverständnis die deutschen Geheimdienstler:innen vor den Abgeordneten präsentierten. Manche traten mit fast unterträglicher Arroganz in die Befragung, manche schienen von Kopf bis Fuß mit Teflon beschichtet, andere hatten Gedächtnislücken so groß wie die Radarkuppeln der Abhörstation in Bad Aibling.

Ich freue mich, am nächsten Dienstag etwas darüber zu erzählen, was von den Snowden-Enthüllungen (offen) geblieben ist und gemeinsam mit Anne Roth, Thorsten Wetzling und Kilian-Vieth Ditlmann zurück und nach vorn zu blicken. Und ich freue mich, wenn ihr dabei seid oder zuschaltet.

Bis dahin ein sonniges, langes Wochenende!
anna


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PEGA-UntersuchungsausschussZwölf EU-Staaten kontrollieren Geheimdienste nicht

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