Hackspace in UlmVerschwörhaus verliert seinen Namen an die Stadt

Wem gehört der Name „Verschwörhaus“? Nachdem die Stadt Ulm und die ehrenamtliche Community des berühmten Hackspaces im Zoff auseinandergingen, hat nun das Landgericht Stuttgart der Stadt Recht gegeben. Das Verschwörhaus spricht von einer „problematischen Signalwirkung“ für das digitale Ehrenamt.

Ein Bild aus glücklichen Zeiten: Das Verschwörhaus im Jahr 2018. CC-BY-SA 4.0 Matti Blume

Das Landgericht Stuttgart hat der Klage der Stadt Ulm in Bezug auf die Marke „Verschwörhaus“ stattgegeben – in allen Punkten. Die Stadt hatte gegen den Verschwörhaus-Verein geklagt, dessen Ehrenamtliche den über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Hackerspace einst mit Leben gefüllt hatten. Dem Prozess war eine Auseinandersetzung vorausgegangen, bei der die Stadt der Community ein Konzept für das Verschwörhaus diktieren wollte – und diese nach deren Ablehnung quasi vor die Tür gesetzt hatte.

Laut der als PDF verbreiteten Pressemitteilung des Landgerichts wurde dem Verein nun untersagt, „im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Klägerin das Zeichen „Verschwörhaus“ zu verwenden, insbesondere als Vereinsnahmen (sic!) und zur Kennzeichnung von Dienstleistungen im Bereich der Bildung und Weiterbildung, für Social Media Accounts und Websites.“ Bei Zuwiderhandlung droht dem beklagten Verein ein Ordnungsgeld von bis zum 250.000,00 Euro. Zugleich muss der Verschwörhaus-Verein seine Widersprüche gegen die Markenanmeldung der Stadt zurücknehmen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Verschwörhaus-Verein hatte vorgetragen, dass die Community den Namen schon 2015 genutzt habe. Dem folgte das Gericht mit der Begründung nicht, dass die Community mangels „erforderlichen Rechtsbindungswillens der variierenden ehrenamtlichen Mitglieder“ keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewesen sei und deswegen keinen Namensschutz für sich in Anspruch nehmen könne. Das Gericht argumentiert weiter, dass das Verschwörhaus gar nicht ohne die Hilfe und Mittel der Stadt hätte entstehen können, ein Mitglied der Community sei zudem bei der Stadt angestellt gewesen. Der Name habe immer dem „Etablissement“ gegolten und nicht der Community, die heute noch den Namen trägt.

„Problematische Signalwirkung“

Der Verschwörhaus-Verein hat seine Sicht in einem Thread auf Twitter dargestellt: „Das Urteil hat für uns eine problematische Signalwirkung“, heißt es dort. „Digitales Ehrenamt konzentriert sich zunächst oft auf inhaltlich wechselnde Projekte, anstatt auf die Etablierung rechtlicher Strukturen, wie z.B. einen e.V. oder den Schutz von Markenrechten. Wie sollen Communities wie die unsre nun agieren, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, einem Machtgefälle zu unterliegen, durch das Verwaltungen ehrenamtliche Arbeit einseitig für sich reklamieren können? Wie können sie sicherstellen, dass ihnen nicht die Identität genommen wird?“

Der Verein könnte nun durch eine „vorläufige Vollstreckung“ der Stadt schon kurzfristig seinen Namen verlieren. Trotzdem haben die Aktivist:innen angekündigt, ihre inhaltliche Arbeit fortzusetzen. „Hoffentlich können wir sehr bald auch wieder mit einem bunten Angebot neue Türen öffnen“, heißt es weiter.

Vom Leuchtturm zum Fall fürs Gericht

Das Verschwörhaus war lange vor allem als erfolgreiche Zusammenarbeit von Verwaltung und Ehrenamtlichen bekannt gewesen. Es entstand 2015 auf Initiative von Menschen aus der Programmierer:innen-, Open-Data- und Maker:innen-Szene. Die Stadt bezahlte die Räumlichkeiten, Ehrenamtliche gründeten den Verein Verschwörhaus e.V. und entfalteten zahlreiche Aktivitäten rund um die Digitalisierung. Zusätzlich wurde auf Seiten der Stadt eine Projektstelle geschaffen, die die Zusammenarbeit koordinierte.

Bei der Stadt lief das Projekt lange Zeit unter dem Namen „Stadtlabor“, während die Aktivist:innen nach eigener Auskunft den Namen „Verschwörhaus“ erfanden und gegen anfänglichen Widerstand der Stadt durchsetzten. Lange Zeit funktionierte das Projekt gut, es gab Fördergelder und gute Presse, bis die Stadt eine Neuausrichtung plante und die Community damit überraschte.

Der Streit eskalierte, als im vergangenen Jahr herauskam, dass die Stadt Ende 2021 den Namen „Verschwörhaus“ und das Logo des Projektes beim europäischen Markenamt EUIPO für sich selbst registriert hatte. Dagegen legte der Verein Widerspruch ein, die Stadt koppelte den weiteren Nutzungsvertrag an die Rücknahme desselben. Dem kam die Community nicht nach. Im Juni 2022 hatte die Stadt Ulm die Schlösser zum „Verschwörhaus“ austauschen lassen. Das war bis dahin der Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen Stadtverwaltung und Community.

Danach klagte die Stadt gegen den Verein auf Unterlassung, die Verschwörhaus-Community reagierte mit einer Widerklage, die der Stadt die Nutzung untersagen sollte. Bei der Unterlassungsklage setzte die Stadt den Streitwert mit einem sechsstelligen Betrag so hoch an, dass das Verfahren direkt beim Landgericht in Stuttgart landete. Dort begann das Verfahren am 24. Januar dieses Jahres. Kurz vor dem ersten Verhandlungstag Ende Januar hatte die Stadt noch eilig eine Markenanmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt hinterhergeschoben. Das Verfahren wurde dann schriftlich geführt bis zur heutigen Urteilsverkündung.

6 Ergänzungen

  1. Markensachen gehen unabhängig vom Streitwert immer zum Landgericht. Steht in § 140 Abs. 1 MarkenG.

  2. Bleibt nur sich umbenennen und „Verschwoerhaus“ als Marke durch konsequenten Boykott zu verbrennen.

  3. Gibt doch auch andere tolle Namen, wie
    Verstörthaus oder Entstörhaus…

    Was für eine schlechte Urteils-Begründung

  4. Sie könnten ja als neuen Namen „Anti Verschwörhaus“ nehmen. Das wäre doch mal ein klares Statement !

  5. Kleiner Fehler im Text: „Trotz haben die Aktivist:innen angekündigt …“
    Müsste heißen: „Trotzdem haben die Aktivist:innen angekündigt …“

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