KW 16Die Woche, in der „leider“ gesagt wurde

Die 16. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 18 neue Texte mit insgesamt 149.140 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

es gibt immer wieder Momente, in denen ein einzelnes Wort das große Ganze erleuchtet. In dieser Woche war es das Wort „leider“. Im Zusammenhang mit den Klimaprotesten der „Letzten Generation“ und der zunehmenden Gewalt von Autofahrer:innen gegen Demonstrierende bedauerte die Berliner Innensenatorin Iris Spranger, dass die Polizei Selbstjustiz verfolgen müsse. Sie sagte: „Das muss leider dann auch zur Rechenschaft gezogen werden“. Leider.

Ein kleines Wort mit großer Tragweite. Denn Spranger steht mit dieser verbalen Rechtsstaatsbeugung beispielhaft für eine erregte Debatte, in der der Chefredakteur der „Welt“ verklausuliert zur Gewalt gegen Klimaaktivist:innen aufruft und der Bundesjustizminister Weimarer Zustände wegen friedlicher Straßenblockaden herbeihalluziniert.

Als demokratische Gesellschaft müssen wir verdammt aufpassen, dass wir nicht bald einen neuen Dutschke-Moment erleben, in dem ein aufgepeitschter Autofahrer als Vollstrecker des vermeintlichen Volkswillens jemanden in einer Sitzblockade zu Tode fährt. Vielleicht sollten wir alle mal innehalten, durchatmen, nachdenken – auf Auto-Deutsch „einen Gang runterschalten“. Und dann über Maßnahmen gegen die Klimakrise reden, statt den Protest zur Verhinderung ebenjener zu skandalisieren.

Dass die Zivilgesellschaft ins Visier gerät, ist nichts Neues: Auf dem Rettungsschiff  Sea-Watch 5 wehrt man sich deswegen mit Kameras gegen mögliche Repressionen, während das Zentrum für Politische Schönheit – erstmals angeklagt – nun mit Anwälten die Kunstfreiheit verteidigen muss.

Sechs Beiträge zu Chatkontrolle in einer Woche

Gerade passiert auch beim Thema Chatkontrolle sehr viel. Kommt die EU-Verordnung in der jetzigen Form durch, könnten unser aller Kommunikationsinhalte und Daten auf Cloud-Speichern anlasslos durchleuchtet werden. Wir begleiten dieses wichtige netzpolitische Thema so engmaschig wie kein anderes Medium in Europa. Ganze sechs Artikel haben wir rund um die Chatkontrolle in dieser Woche geschrieben, viele davon mit Originaldokumenten, die uns nicht nur vorliegen, sondern die wir auch veröffentlicht haben.

Die Essenz: Die Chatkontrolle ist noch lange nicht vom Tisch, die Befürworter:innen kämpfen mit unlauteren Mitteln und das Innenministerium hat sich in der Ampel-Koalition mit seinen Forderungen weitgehend durchgesetzt. Und die Regierung hat damit – hier kann man ohne Einschränkungen „leider“ sagen – einmal mehr den Koalitionsvertrag gebrochen.

Es gibt aber auch gute Nachrichten: Der Frühling kommt. Im Hinterhof blüht und zwitschert es.

Ein schönes Wochenende wünscht

Markus Reuter

Politische PartizipationZiviles Engagement im Internet gewinnt an Bedeutung

Ein Bericht des Weizenbaum-Instituts zeigt, wie sich bürgerschaftliches Engagement verändert. Während einige analoge Beteiligungsformen durch die Pandemie deutlich zurückgegangen sind, haben digitale Formen an Bedeutung gewonnen. Das birgt die Chance, Barrieren für gesellschaftliche Teilhabe abzubauen.

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Überwachte G'schichtFunkzellenabfragen rund um Kanzlei des Ibiza-Video-Anwalts

Julian Hessenthaler war der Mann hinter den Ibiza-Videos, die Österreich in eine Regierungskrise stürzten. Er saß bis vor kurzem in Haft, doch nicht wegen der Videos selbst. Eine Recherche von Correctiv zeigt, dass bei den Ermittlungen gegen Hessenthaler offenbar auch die Kanzlei des Berliner Anwalts Johannes Eisenberg überwacht wurde.

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Abitur in NRW600.000 Liter giftiges Downloadwasser verseuchen Rhein bei Düsseldorf

Der Zustand der deutschen Digitalisierung zeigt sich beim Störfall einer Download-Anlage in Nordrhein-Westfalen. Wegen einer „massiven technischen Störung“ musste im Bundesland das Zentralabitur in einigen Fächern um zwei Tage verschoben werden. Noch ist unklar, wann die Anlage wieder hochgefahren wird. Ein Kommentar.

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Falsche BehauptungenSo unseriös machen einige Kinderrechtsorganisationen für die Chatkontrolle mobil

In einer Anhörung des Deutschen Bundestages fiel die Chatkontrolle vor wenigen Wochen bei allen Sachverständigen durch. Das passte einigen Kinderschutzorganisationen gar nicht. Sie schoben eine eigene Stellungnahme hinterher. Allerdings ist diese mit falschen und unbelegten Behauptungen gespickt. Eine Analyse.

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1 Ergänzungen

  1. Ist vielleicht schon zu spät für das Aufpassen der Gesellschaft ?,
    gestern in der Abendschau kam ein kurzes schockierendes Video zu einer Polizeiaktion:

    https://www.rbb-online.de/abendschau/videos/20230423_1930/Video-loest-Debatte-um-Verhaeltnismaessigkeit-polizeilichen-Vorgehens-aus.html

    Meine in der Vergangenheit hier getätigten Sätze, dass ich selbst bisher nur gute Erfahrungen mit fairen, sympathischen Polizisten in Berlin gemacht habe, stimmen immer noch, aber : die Berliner Polizei ist offenbar in Gefahr, auf die schiefe Bahn zu geraten!
    Und das ist verhängnisvoll für uns, das ist wirklich gruselig; ich hoffe, der im Video betroffene Aktivist schaltet jetzt den Bürgerbeauftragten für Polizeifragen ein (oder klagt vor Gericht), damit wir uns wieder in die gute Richtung zurück bewegen können nach diesem Vorfall.

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