Netzpolitischer Wochenrückblick KW 26: BND-Reform und Netzsperren vor der Tür, Netzneutralität am Horizont

Die netzpolitische Woche zusammengefasst: Entscheidungen zur BND-Reform und EU-Netzsperren stehen vor der Tür, keine neue Videoüberwachung in Berlin und wie Du die Netzneutralität in Europa retten kannst.

Foto: Ken Billington [CC BY-SA 3.0]

Im Netzpolitischen Wochenrückblick fassen wir jeden Freitag die wichtigsten Themen der Woche zusammen. Ihr könnt ihn auch als Newsletter abonnieren.

Bundesregierung legt Gesetzentwurf zur BND-Reform vor

Am Dienstag beschloss die Bundesregierung die Reform des BND-Gesetzes. Die als Bändigung des Geheimdienstes angepriesene Reform ist jedoch bei genauerem Hinsehen das Gegenteil. Denn die Befugnisse des BND werden nicht beschränkt, sondern noch erweitert. Zudem werden die durch Snowden und den NSAUA aufgedeckten illegalen Praktiken des BND ganz einfach legalisiert. Zivilgesellschaft, NGOs, Opposition und auch die Privatwirtschaft schlagen Alarm und finden klare Worte für die BND-Reform: „Alles, was NSA und GCHQ vorgeworfen wurde, soll dem BND jetzt auch erlaubt sein“ so Klaus Landefeld vom DE-CIX, dem größten Internetknoten der Welt.

Abstimmung über Netzsperren verschoben, Privacy Shield nicht

Die eigentlich für vergangenen Montag geplante Abstimmung über Netzsperren im Innenausschuss des EU-Parlaments wurde diese Woche gleich zweimal verschoben. Als Grund wurde der Ausgang des Brexit-Referendums in Großbritannien angeführt. Bei den Beratungen über die Anti-Terror-Richtlinie hatte die federführende Berichterstatterin Monika Hohlmeier (CSU) die umstrittenen Netzsperren als Kompromissvorschlag auf den Tisch gebracht.

Offenbar steht das britische Debakel der Neuregelung transatlantischer Datenflüsse aber nicht im Weg. Diese Woche hat die EU-Kommission einen endgültigen Entwurf des EU-US-Privacy-Shield an die Mitgliedstaaten verschickt, der das vom EuGH gekippte Safe-Harbor-Abkommen ersetzen soll. Laut Experten wurden die grundsätzlichen Mängel jedoch nicht ausgeräumt. Absegnen sollen es die Mitgliedstaaten aber trotzdem bereits nächste Woche.

Ausweitung der Videoüberwachung in Berlin auf Eis gelegt

Eine positive Nachricht kommt diese Woche aus Berlin. Die Pläne des Berliner Innensenators Frank Henkel zur Ausweitung der Videoüberwachung in der Hauptstadt, über die wir schon letzte Woche berichtet hatten, sind vorerst vom Tisch. Zumindest in dieser Legislaturperiode wird der Vorschlag nicht weiter diskutiert, da sich CDU und SPD bei der erlaubten Reichweite der Überwachungsmaßnahmen nicht einig wurden.

Amazon startet Portal für (offene) Lernunterlagen

Anfang der Woche startete mit AmazonInspire ein Portal für offen lizenzierte Lernunterlagen. Die Lernmaterialien werden kostenlos zur Verfügung gestellt, darüber hinaus wird als Standardlizenz CC-BY 4.0 verwendet, andere Lizenzen sind jedoch auch nutzbar. Das Ziel, offene Lernunterlagen in den USA zum Standard zu machen, verfolgt auch die Initiative #GoOpen des US-Bildungsministeriums, das das Amazon-Programm begrüßt.

Soziale Netzwerke wissen ganz schön viel über uns – und wollen mehr

Dass Netzwerke wie Facebook und Google verdammt viel über uns wissen, dürfte niemanden mehr überraschen. Dennoch ist es aufschlußreich, mal nachzusehen, was beispielsweise Google über einen ansammelt. Neuestes Tool ist die Anzeige „My Activity“ im Google-Account. Dort lassen sich tageweise die Aktivitäten von Android, Chrome, Maps, Suche, Bildersuche und YouTube ansehen.

Eine Niederlage erlitten diese Woche Datenschützer aus Belgien. In einem Streit um die Frage, ob Facebook Informationen über belgische Internetnutzer sammeln darf, die nicht Mitglied des sozialen Netzwerks sind, entschied das Gericht zugunsten von Facebook. Grundlage des Urteils ist die mangelnde Zuständigkeit der belgischen Behörden, da der europäische Sitz des Social-Media-Giganten nicht in Belgien, sondern in Irland liegt. Das Unternehmen kündigte an, die Praxis nun wieder einzuführen, die es angesichts einer täglichen Strafe von 250.000 Euro im Dezember letzten Jahres eingestellt hatte.

Für Aufregung sorgte eine Funktion von Facebook, die den Nutzern auf Basis des Handystandortes Vorschläge nach dem Muster „Personen, die du vielleicht kennst“ gemacht hat. Mittlerweile hat die soziale Plattform aber einen Rückzieher gemacht und beteuert, Standortdaten nicht (mehr?) für dieses Feature zu nutzen. Nutzern in der Türkei dürfte vergangene Woche aber wohl eher Sorgen bereitet haben, dass sie auf die Seite gar nicht zugreifen konnten. Nach den jüngsten Anschlägen von Istanbul wurde dort erneut eine Sperre über Facebook, Twitter und Youtube verhängt.

Wer sich dafür interessiert, wie sich rechte Bewegungen wie Pegida, Afd & Co. im Internet vernetzen, dem sei der Monitoringbericht „Rechtsextreme und menschenverachtende Phänomene im Social Web“ der Amadeu-Antonio-Stiftung ans Herz gelegt. Allzu sehr in die Tiefe geht der Bericht zwar nicht, für Einsteiger in die Materie bietet er aber dennoch einen ersten Überblick.

Vor Gericht verloren hat die zu Yahoo gehörende Foto-Plattform Flickr. Ein Patent sei verletzt worden, wenn die Bilddateien von einem mobilen Gerät aus hochgeladen würden. Deshalb ist das Hochladen von Bildern bei Flickr ist nur noch eingeschränkt möglich. Betroffen sind die mobile App und die Mobilversion der Website.

Vorhersage von Straftaten

Aus dem reichen Datenfundus sozialer Netzwerke wollen offenbar auch Ermittlungsbehörden schöpfen. Die Polizei in Baden-Württemberg testet die Nutzung von Informationen über den Ausländeranteil eines Wohnviertels für die Vorhersage von Straftaten. Dazu nutzt sie öffentlich verfügbare Informationen. In einem nächsten Ausbauschritt sollen künftig auch Daten aus sozialen Netzwerken hinzukommen. Parallel dazu drängen die Regierungen Deutschlands und Frankreichs auf die europaweite Verbreitung von Software zur Vorhersage von Einbruchsdiebstahl.

Initiative Volksverschlüsselung gestartet

Am Mittwoch startete die Initiative Volksverschlüsselung offiziell. Das vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie (SIT) und der Deutschen Telekom gestartete Projekt will Verschlüsselung massentauglich machen und entwickelte dazu eine Software, die den Nutzer bei den ersten Schritten in die Welt der E-Mail-Verschlüsselung an die Hand nehmen soll. Eine löbliche Initiative, die jedoch mit Problemen durchsät ist. Die Software gibt es zunächst nur für Windows, die mangelnde Freiheit der Software ist problematisch und eine Nutzung ist nur nach Authentifizierung des Nutzers möglich.

Rückschlag für Pornosammler

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien muss dem Antrag zur Herausgabe eines vergriffenen Sexfilms aus seinem Archiv doch nicht nachgehen. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden und damit eine ursprünglich erfolgreiche Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) rückgängig gemacht. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren die angebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit – und das Urheberrecht. Die Behörde fürchtete, aus Konsequenz andere vergriffene Filme mit rechtsextremistischem und „pädophil-orientiertem“ Inhalt herausgeben zu müssen.

Wer halbwegs regelmäßig IFG-Anfragen stellt, sollte sich eine Anschaffung der zweiten Auflage des Kommentars von Friedrich Schoch zum Informationsfreiheitsgesetz überlegen. Der 1.100 Seiten starke Ratgeber bietet sowohl im Umgang mit möglichen Ablehnungsgründen als auch bei Verfahrensfragen praktische Hilfe.

Unterdessen hat der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Rheinland-Pfalz seinen Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit veröffentlicht. Darin analysiert er ausführlich das neue Transparenzgesetz im rot-grün regierten Bundesland und zeigt Erfolge sowie Herausforderungen beim Zugang zu amtlichen Informationen auf.

Die schwarz-grüne Koalition in Hessen hat hingegen noch ihre Probleme mit der Informationsfreiheit. Als eines von vier Bundesländern hat es noch immer kein Informationsfreiheitsgesetz. Laut Auskunft der Landesregierung soll ihr eine Evaluation im Herbst bei der Entscheidung über die Einführung eines IFG helfen.

Internetwirtschaft warnt vor den Kosten der Vorratsdatenspeicherung

Der Verband der Internetwirtschaft eco warnt vor den Folgen der Vorratsdatenspeicherung. Besonders kleine und mittelständige Unternehmen könnten durch die hohen Anforderungen des Gesetzes in den Ruin getrieben werden. „Wenn hier nicht schnell nachgebessert wird, steuert der Gesetzgeber auf ein erneutes Fiasko bei der Vorratsdatenspeicherung zu“ erklärte der eco-Vorstand Oliver Süme.

Wenige Tage zuvor bezeichnete die Interessensvertretung die Vorratsdatenspeicherung als „Mittelstandskiller“, da der Anforderungskatalog der Bundesnetzagentur unrealistisch hohe Sicherheitsanforderungen stelle. Den Entwurf des Katalogs haben wir bei der Gelegenheit gleich mitveröffentlicht.

Wenn es nach den Kabelbetreibern geht, sollen öffentlich-rechtliche Sender künftig wieder Gebühren dafür zahlen, damit ihre Programme in die Kabelnetze eingespeist werden. Bei dieser Forderung werden sie tatkräftig vom Verkehrsministerium unterstützt, das damit den Breitbandausbau querfinanzieren will. Wir haben bei den Staatskanzleien und Sendern nachgefragt, wie sie die Erfolgsaussichten des Unterfangens einschätzen. Die einhellige Antwort: Nicht groß.

Immerhin hat sich Verkehrsminister Dobrindt aber dazu durchgerungen, unabhängig davon mehr Mittel für den Breitbandausbau bereitzustellen. Das können wir nur begrüßen.

Mach mit und rette die Netzneutralität!

Das Banner in der rechten Leiste von netzpolitik.org (und auf hunderten anderen Webseiten) weist bereits seit ein paar Tagen darauf hin: Die Konsultation zur Netzneutralität läuft bald ab. Es verbleiben nur noch wenige Tage, um sich an der Befragung zu beteiligen. Das geht ganz einfach innerhalb von zwei Minuten über das Tool von savetheinternet.eu. Also schnell noch mitmachen, um sich später damit rühmen zu können, dass man sich für ein offenes und faires Internet eingesetzt hat :)

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