KW 35Die Woche, als wir zum Abschied leise Servus sagten

Die 35. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 20 neue Texte mit insgesamt 136.818 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leute,

wenn ihr diese Zeilen lest, arbeite ich schon nicht mehr bei netzpolitik.org. Seit heute recherchiere ich für das Investigativmedium Follow the Money. Auch in meinem neuen Job geht es um die Schnittstelle zwischen Technologie und Politik. Schreiben werde ich dort auf Englisch. Also selbe Aufgabe, neue Sprache. Ich freue mich auf die Herausforderung.

Mein Abschied stimmt mich trotzdem wehmütig. Es waren aufregende, außerordentlich produktive fünfeinhalb Jahre bei netzpolitik.org. 622 Artikel sind unter meinem Namen erschienen, von der Kurzmeldung bis zur 40.000-Zeichen-Recherche. Ich habe bei der Arbeit und durch meine Kolleg:innen in Berlin viel über Technologie gelernt, aber auch über den Politikprozess und den Journalismus.

Als erster Korrespondent in Brüssel habe ich ab September 2018 etwas gemacht, das es davor bei netzpolitik.org und auch bei anderen deutschsprachigen Medien nicht gab: Ich habe ständig und detailliert aus dem Herzen der EU über netzpolitische Entwicklungen berichtet. Dort saß ich in einem Mini-Büro neben dem Ratsgebäude im Brüssel und konnte mir einen guten Überblick über das Geschehen verschaffen, tatsächlich und metaphorisch.

In der Zeit sind dort wichtige Sachen beschlossen werden, etwa die umstrittene Urheberrechtsrichtlinie oder das Digitale-Dienste-Gesetz. Aktuell wird dieses Gesetz auch in Deutschland umgesetzt – und Amazon, Facebook und Google schludern, wie nun Verbraucherschützer:innen warnen. Mein Kollege Tomas Rudl hat das diese Woche hier eingeordnet. Weitere wichtige Gesetze stehen vor der Türe, darunter die KI-Verordnung und das berüchtigte Gesetz zur Chatkontrolle.

Wegen der Wust an Gesetzen und ihren oft weltweiten Auswirkungen sprechen einige Leute schon vom „Brussels effect“, erklären die EU zum wichtigsten digitalpolitischen Regulator der Welt. Ob das tatsächlich stimmt, lässt sich mit Blick auf die holpernde Durchsetzung der DSGVO gegenüber den großen Technologiekonzernen hinterfragen. Es ist aber aus meiner Sicht richtig, dass sich die Geschehnisse in Brüssel aus netzpolitischer Sicht kaum ignorieren lassen.

Während meiner Zeit ist netzpolitik.org gewachsen und hat sich professionalisiert, ohne seine Ideale zu verlieren. Wir haben neue Formate erfunden, unsere internen Prozesse verbessert und unsere Ziele in ein Grundsatzdokument gegossen – die Redaktionsprinzipien, an denen ich mitarbeiten durfte.

Erfreulicherweise hat unsere Arbeit in Berlin und Brüssel viel Anerkennung erhalten. Während meiner Zeit bei netzpolitik.org erhielt die Redaktion einige Journalismuspreise, darunter den Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik. Zuletzt gewann mein Essay zur Macht von Google über den Journalismus einen Pressefreiheits-Preis des Bayerischen Journalisten-Verbandes.

Dieser Essay wäre nicht möglich gewesen ohne die Studie „Medienmäzen Google“, die mein Kollege Ingo Dachwitz und ich 2020 verfasst haben, sowie die vielen Artikel, die wir davor und danach zu dem Thema recherchierten. Ich kenne nur wenige Arbeitgeber, die ihren Mitarbeiter:innen so viel Freiraum geben und tiefgehende Arbeit ermöglichen. Danke, liebes netzpolitik.org!

Besonders vermissen werde ich jedoch den Austausch mit meinen Kolleg:innen in Berlin, mit denen ich über die Jahre hinweg Freud und Leid unserer Arbeit geteilt habe. Eine besondere Freude war für mich auch die Zusammenarbeit mit den Praktis und studentischen Mitarbeiter:innen, die ich im Laufe der Zeit bei netzpolitik.org kennenlernen durfte.

Da ich mich meist in Wien, Brüssel oder irgendwo dazwischen aufhalte, konnte ich mich von den meisten Leuten nicht in real life verabschieden. Ich hoffe sehr, wir können das irgendwann nachholen. Inzwischen sage ich, mit etwas österreichischem Schmalz, zum Abschied leise Servus.

Ihr werdet mir fehlen!

Alex


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Automatisierte Entscheidungssysteme müssen ins Gleichbehandlungsgesetz aufgenommen werden, empfiehlt eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Gleichzeitig soll in Gerichtsverfahren die Beweislast umgekehrt werden, weil die Betroffenen die genaue Funktion der Systeme nicht kennen können.

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BSISchönbohm verklagt Innenministerium wegen Mobbing

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