Liebe Freund:innen von netzpolitik.org,
vor einer Woche haben wir im Chat der Redaktion gejubelt. Der Bundestag hatte gerade für die Abschaffung von Paragraf 219a StGB gestimmt und damit das Werbeverbot für Abtreibungen aufgehoben. Endlich eine gute Nachricht, Party-Emojis. Wenige Stunden später war alles anders. Breaking News der New York Times: „Der Oberste Gerichtshof hat das Urteil Roe v. Wade aufgehoben und damit das verfassungsmäßige Recht auf Abtreibung beseitigt.“ Die Entscheidung werde in etwa der Hälfte der USA zu einem vollständigen Verbot führen.
Ein Schritt vor, 100 Schritte zurück.
Was die Entscheidung bedeutet, hat meine Kollegin Rahel Lang am Samstag aufgeschrieben: Massiver Angriff auf reproduktive Rechte. In den USA hat das Recht zur Abtreibung bis zur 24. Schwangerschaftswoche keinen verfassungsrechtlichen Schutz mehr. Die Staaten beschließen nun eigene Abtreibungsgesetze. Für die USA heißt das Spaltung. Wir werden Menschen sehen, „die gegen ihren Willen gezwungen werden, schwanger zu bleiben,“ prognostiziert Neesha Davé, stellvertretende Direktorin des Lilith Fund, eine Organisation für reproduktive Rechte. Menschen verlieren ein Recht, das sie sich einmal erkämpft haben. Eine neue alte Realität.
Was diese alte Realität so furchtbar neu macht: Digitale Überwachung trifft nun auch Schwangere und Menschen, die sich darüber informieren möchten. Apps mit Gesundheitsdaten wie Perioden-Tracker können Betroffenen zum Verhängnis werden. Ermittler:innen können auch den Browserverlauf als Beweis heranziehen, wenn darin Webseiten zu Abtreibungsmedikamenten auftauchen. Die Organisation Digital Defense Fund gibt Ratschläge, um den eigenen Browserverlauf zu schützen.
Nach dem Urteil des Supreme Court hat der Meta-Konzern schnell reagiert: Instagram und Facebook löschen plötzlich Hinweise über Schwangerschaftsabbrüche, sperren Beiträge zu Abtreibungspillen und versehen informative Posts mit Warnsymbolen. Die Mentalität eines Verbots.
Ich bin immer davon ausgegangen, dass in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung das Prinzip „In dubio pro libertate“ gilt, im Zweifel für die Freiheit. „Das bedeutet, dass sich staatliche Verbote, insbesondere solche des Strafrechts, nicht von selbst verstehen,“ schreibt der Jurist und Philosoph Norbert Hoerster in „Ethik des Embryonenschutzes“. Nicht wer gegen ein Verbot ist, sondern wer für ein Verbot ist, muss argumentieren, warum es eingeführt werden sollte. Wir werden weiterhin reproduktive Rechte verteidigen.
Euch ein schönes Wochenende
Esther
BERLIN (AP) — German state officials said Friday that they want advertisers and social media influencers to label any photos that have used so-called beauty filters.
Critics argue that the filters, which offer easy ways to touch up images and remove supposed blemishes, promote unrealistic standards of beauty particularly among women and girls.
https://apnews.com/article/technology-social-media-fc693b3be6a7670d484ada93b50e78ac
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