Das Jahr neigt sich langsam dem Ende zu, auch wenn das dieses Jahr nicht von Unmengen an Punsch auf dicht gedrängten Weihnachtsmärkten begleitet wird. Für alle, die ihren Punsch vermissen, hier ein kleiner Trost: Schon ab Samstag geht die Sonne wieder später unter, auch wenn der kürzeste Tag im Jahr noch aussteht.
Bei netzpolitik.org haben wir diese Woche einem Netzwerk gefälschter Auslandsmedien nachgespürt. Daniel Laufer hat in einer Kooperation mit WELT eine Reihe von vermeintlich hiesigen Online-Portalen enttarnt, die Lügen in russischen Medien mehr Glaubwürdigkeit verleihen sollen. Die Spur reicht von einem ukrainischen Programmierer bis zum russischen Geheimdienst. Der Artikel ist auch auf Englisch verfügbar.
Außerdem klingt uns noch das Wochenende im Ohr. Im aktuellen Netzpolitik-Podcast haben Stefanie und Ole erzählt, warum wir diesen Dezember wieder ein Spendenbanner auf der Seite haben und wofür wir das ganze Geld eigentlich ausgeben. Außerdem verlieren sie ein paar Worte zu unserem Datenscham-Rechner – mit dem kurzen Test könnt ihr euren Privacy-Score ausrechnen (aber psst… nicht weitersagen). Nach aktuellem Stand fehlen uns noch knapp 70.000 €. Vielen Dank an alle Unterstützer:innen! Ohne euch wäre alles, was hier steht, nicht möglich.
Big Tech in Not
Diese Woche krachte es in der Welt der großen Technologiekonzerne. Pornhubs gesamtes Imperium sah sich gezwungen strengere Regeln für Uploads einzuführen. Die Reaktion folgte auf einen Artikel in der New York Times, der auf die jahrelangen Vorwürfe aufmerksam machte, der Konzern gehe nicht ausreichend gegen Darstellungen von Kindesmissbrauch vor.
Auch für Facebook gab es diese Woche keine guten Neuigkeiten. Die Übernahme von WhatsApp und Instagram durch Facebook war nicht rechtens. Zu dem Schluss kommt die oberste Marktaufsicht der USA gemeinsam mit den 48 Justizbehörden. In einer Reihe von Klagen verlangen sie die Aufspaltung des Konzerns.
Bei Google kam es zu internen Protesten, nachdem die Schwarze KI-Ethik-Forscherin Timnit Gebru die Firma verließ. Die hochangesehene Wissenschaftlerin spricht von einer Entlassung, Google von Kündigung. Inzwischen verlangen Tausende Google-Angestellte in einem offenen Brief eine Aufklärung der Vorgänge.
Airbus dürfte bald 2.000 Drohnen hergestellt haben, unter anderem für die Bundeswehr. Die unbemannten Luftfahrzeuge werden zum Beispiel dafür gebraucht, um im Training von Flugabwehrkräften abgeschossen zu werden. Bis zu 200 Millionen Euro könnte Airbus damit verdient haben.
Netzpolitik in der Europäischen Union
Nächste Woche stellt die EU Pläne vor, die die digitale Welt neu ordnen sollen. Wir haben das Reformpaket „Plattformgrundgesetz“ getauft, denn was man bisher weiß, hat es in sich. Von einheitlichen Moderationsregeln bis zu Transparenzpflicht für Empfehlungs-Algorithmen: Wir haben zusammengefasst, was uns nächste Woche erwarten könnte. Wenn ihr mehr wissen wollt, schaltet ab Dienstag wieder ein: Wir werden die Vorstellungen des Gesetzespakets natürlich auf netzpolitik.org begleiten.
Der Europäische Datenschutzbeauftragte hält Maßnahmen aus dem EU-Migrationspakt vom September für problematisch. Ihn sorgt die Ausweitung der Speicherung von Fingerabdrücken, die verhindern soll, dass in mehreren Ländern Asylanträge gestellt werden. In einer Stellungnahme betont er, dass Datenschutz auch für Asylsuchende gelten muss.
Die EU hat sich auf ein Gesetz zur Eindämmung terroristischer Inhalte im Netz geeinigt. Tomas Rudl hatte vor der Verabschiedung noch die größten Kritikpunkte der Digital-NGOs zusammengefasst. Mit dem nun verabschiedeten Gesetz gelten demnächst schärfere Regeln für die Moderation von terroristischem Material. Künftig müssen Plattformen schneller auf Löschanordnungen reagieren, Ausnahmen soll es für bestimmte Dienste und journalistische oder satirische Inhalte geben. Der umstrittene Uploadfilter hat es am Ende nicht in das Gesetz geschafft.
Ermittlungsbehörden sollen dank eines neuen Gesetzes Zugriff auf elektronische Beweismittel in ganz Europa bekommen, was Datenschützer:innen auf den Plan ruft. Abgeordnete des EU-Parlaments fordern vor allem Schutzmaßnahmen vor politisch motivierten Datenabfragen in Drittstaaten und warnen vor „blindem Vertrauen“ in die Behörden.
Auch die Debatte um Hintertüren zu verschlüsselter Kommunikation geht weiter. Laut einem Aktionsplan möchte sich die EU-Kommission Zugriff verschaffen und schließt dabei verpflichtende Hintertüren nicht explizit aus. Stattdessen wird auf eine Arbeitsgruppe mit Plattformkonzernen und Expert:innen verwiesen, die sich des Themas annehmen soll.
Indes haben sich die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags einen Entwurf zur Bekämpfung von Missbrauchsmaterial auf verschlüsselten Kanälen angeschaut. Ihr Fazit: Die Vorschläge der EU-Kommission schießen an der Realität vorbei. Von umsetzbaren Lösungsansätzen fehlt jede Spur.
Seid ihr schon gesetzesmüde? Dann kurz durchatmen, wir sind erst bei der Halbzeit.
Hauptsache schnell
Das EU-Parlament hat währenddessen im Eilverfahren ein Gesetz beschlossen, das den Weg für das Durchleuchten privater Nachrichten an anderer Stelle freigibt. Facebook und Skype durchforsten schon seit Jahren automatisiert private Bilder und Videos auf Hinweise von Kindesmissbrauch. Diese Praxis soll damit fortgesetzt werden.
Noch im Dezember soll neben dem IT-Sicherheitsgesetz 2.0 auch das BND-Gesetz verabschiedet werden. Zu schwache Kontrolle, zu viele Befugnisse und zu wenig Schutz für Medienschaffende, heißt es in verschiedenen Stellungnahmen von Expert:innen zum aktuellen Entwurf. Aber die Zeit für die Einarbeitung von Korrekturen ist knapp.
Und überhaupt sind Gesetze keine Last-Minute-Weihnachtsgeschenke, findet Anna Biselli. In ihrem „fast weihnachtlichen Kommentar“ bemängelt sie, dass die Bundesregierung die Meinung zivilgesellschaftlicher Expert:innen ignoriert. Stattdessen will sie lieber Gesetze, die teilweise zwei Jahre lang in Arbeit waren, noch schnell verabschieden.
Aus dem Recht auf schnelles Internet scheint nichts mehr zu werden. Aus dem Versprechen im Koalitionsvertrag ist ein verwässerter Gesetzesentwurf geworden. Die Mindestanforderungen lassen sich darin so niedrig ansetzen, dass der „Rechtsanspruch auf freies Internet“ bereits erfüllt sein könnte, „wenn Verbraucher Zugang zu Diensten wie Email, Anrufe, Videoanrufe und der Nutzung von sozialen Medien bekommen“, kritisiert der Verbraucherzentrale Bundesverband.
Schnell geht es wohl auch für viele Nutzer:innen von Fitbit zu, die die Fitnesstracker verwenden, um sich in Form zu halten. Vor über einem Jahr hat Google angekündigt, den Wearables-Hersteller kaufen zu wollen. Die Zusammenführung sensibler Gesundheitsdaten von Millionen Menschen steht dabei auf dem Spiel. Nun sieht es so aus, als würde die EU-Kommission der Übernahme zustimmen. Schlechte Nachrichten für europäische Hersteller und unsere digitale Souveränität, findet Alexander Fanta.
Urheberrecht
Aus einem Urteil des Bundesgerichtshofes geht hervor, dass E-Mail- und IP-Adressen nicht als Anschrift gelten. Hintergrund ist ein Streit von Constantin Film mit YouTube, die Firma hatte die Informationen dreier Personen verlangt, die illegal Filme hochgeladen hatten. YouTube hielt dagegen, dass es sich bei den verlangten Daten nicht um Adressdaten handele, was der BGH jetzt bestätigte.
Gleichzeitig arbeitet die Bundesregierung an einem völlig neuen Urheberrechtsgesetz. In ihrer Kolumne meint Julia Reda, der Entwurf würde nicht ohne Uploadfilter auskommen. Jetzt heißt es dort ansetzen, wo legale Nutzung vor Sperrung schützen sollte.
Und sonst so?
Die Corona-Warn-App ist jetzt auch in einer vollkommen freien Version verfügbar. Eine Handvoll Open-Source-Entwickler:innen hat eine Version der App geliefert, die auf die proprietäre Schnittstelle von Apple und Google verzichtet. Android-Nutzer:innen können die neue App im F-Droid Store herunterladen.
Das Budget der Zentralen Stelle für IT im Sicherheitsbereich soll 2021 doppelt so hoch werden wie 2019. 66 Millionen soll die „Hacker-Behörde“ dann bekommen. Begründet wird das unter anderem mit dem erhöhten Arbeitsaufwand, die immer größer werdende Menge an Daten zu verarbeiten und der Ausbildung von Personal.
Am Freitag wurde das Plenum des ZDF-Fernsehrats zum ersten Mal virtuell und zum ersten Mal öffentlich einsehbar abgehalten. Leonhard Dobusch, der dort den Bereich Internet vertritt, hat für uns eine Themenvorschau erstellt.
In einer umfangreichen Recherche hat ein norwegischer Journalist nachgezeichnet, wie seine eigenen App-Nutzungsdaten in die Hände eines Datenbrokers kamen, der mit US-Polizeibehörden zusammenarbeitet. Markus Reuter hat die Recherche zusammengefasst.
Die Corona-Krise bedeutete für viele Theater ein vorläufiges Ende ihrer Aufführungen. Viele suchten nach digitalen Alternativen für den Betrieb, aber nicht alle Versuche waren gleich erfolgreich. Die Wissenschaftlerin für Digitale und vernetze Medien Judith Ackermann erklärt in einem Interview, was funktioniert und was nicht.
Wir wünschen euch ein schönes Wochenende. Und wenn wir uns noch was wünschen dürfen: Reduziert eure Kontakte.
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