Google übernimmt FitbitChronik eines angekündigten Scheiterns

Nach monatelangem Zaudern dürfte die EU-Kommission in wenigen Tagen dem Kauf von Fitbit durch Google zustimmen. Das sind schlechte Nachrichten für europäische Hersteller – und unsere digitale Souveränität. Ein Kommentar.

Wearables
Wearables sind ein Wachstumsmarkt – in dem nun Google die Oberhand erhalten könnte – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Adam Birkett

Google kann wohl einen Sieg verbuchen. Der Suchmaschinenkonzern hat vor über einem Jahr bekanntgegeben, dass er den Wearables-Hersteller Fitbit kauft. Seither ringt der Suchmaschinenkonzern mit Wettbewerbsbehörden in den USA, Europa und anderswo um grünes Licht für den Deal, der Google sensible Gesundheitsdaten von Millionen Menschen liefern würde.

Nun steht in Brüssel eine Entscheidung vor der Tür: Die EU-Kommission dürfte ihre Zustimmung für Googles Übernahme von Fitbit geben. Ihr bleibt wenig anders übrig. Denn Anfang Januar läuft die Frist für die Entscheidung aus, der rechtliche Spielraum schmilzt dahin.

Die weiße Flagge der EU hatte sich schon abgezeichnet, als die Kommission im Herbst darauf verzichtete, eine formelle Liste an Beanstandungen an Google zu schicken.

Auflage der Kommission für die Übernahme ist dem Vernehmen nach, dass Google die Daten von Fitbit-Nutzenden zehn Jahr lang nicht für Werbe-Targeting verwenden darf. Allerdings gibt es Zweifel, ob Google dies nicht umgehen könnte.

Der Deal hat große Auswirkungen für den europäischen Markt, denn zahlreiche Fitbit-Mitbewerber sitzen in Europa. Sie müssen nun gegen die geballte Macht von Google ankämpfen.

Die Taktik lautet: Konkurrenz wegkaufen

Doch trotz Bedenken aus der Branche und der Zivilgesellschaft legt die EU-Kommission der Übernahme keine wesentlichen Steine in den Weg. Behörden in Australien und Südafrika prüfen den Kauf noch, sie dürften aber ebenfalls kaum ein Veto einlegen.

Die Google-Übernahme von Fitbit weckt Anklänge an einen ähnliche Fall vor mehr als einem Jahrzehnt, als der Suchmaschinenkonzern den Werbeanbieter DoubleClick kaufte.

Die EU-Behörden winkten 2008 den Kauf von DoubleClick durch, ebenso wie jene in der USA. Google bootete daraufhin seine Mitbewerber aus und machte sich zum dominanten Akteur auf dem Online-Werbemarkt.

Auch andere Technologie-Konzerne nutzen Übernahmen, um Konkurrenz aus dem Weg zu räumen. Facebook erwarb etwa Instagram und WhatsApp für Milliardenbeträge.

Die fünf Großen – Facebook, Amazon, Microsoft, Google und Apple – kauften über die Jahre mehr als 770 Firmen auf. Zu den Erwerbungen zählen YouTube, LinkedIn, Nokia und Motorola.

Übernahmen ändern Startup-Kultur

Die Übernahmewut hat Konsequenzen: Für viele Startups aus der EU ist das ultimative Ziel heute nicht mehr, selbst zum Konzern heranzuwachsen, sondern von den Großen aufgekauft zu werden.

Deals wie jener zwischen Google und Fitbit seien schwierig zu blockieren, wenden Stimmen aus der EU-Kommission ein. Selbst bei Versuchen habe die Behörde im Lichte geltenden europäischen Wettbewerbsrechts vor Gericht wenig Chancen.

Ähnlich hatte auch die US-Marktbehörde FTC im Vorjahr argumentiert, als sie Facebook eine Strafe von fünf Milliarden Dollar für Datenschutzverfehlungen aufbrummte, aber vor einem Prozess gegen den Konzern zurückschreckte.

„Der Vergleich geht weit über das hinaus, was in einem Rechtsstreit erreicht werden könnte“, hieß es in der Begründung der FTC. Intern sprachen sich Vertreter der Demokraten gegen die Entscheidung aus, sie forderten härtere Maßnahmen.

Inzwischen klagen die Behörde und 48 US-Bundesstaaten Facebook und fordern, der Konzern müsse Instagram und WhatsApp wieder abtreten. Der Groschen ist dort gefallen.

Das Digitale-Märkte-Gesetz, das die EU-Kommission nächste Woche vorstellen will, soll neue Marktinstrumente schaffen, mit denen die Kommission faire Bedingungen im digitalen Wettbewerb durchsetzen kann. Doch bis die Mittel zur Verfügung stehen, könnten noch Jahre vergehen.

Wenig hilfreich ist für die EU-Kommission, dass Deutschland und Frankreich „europäische Champions“ schaffen wollen, die es mit den Giganten aus der USA und China aufnehmen können. Der Wunsch nach eigenen Champions steht der Zerschlagung von Technologie-Monopolen im Weg.

Europa muss Zähne zeigen

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte bei ihrem Amtsantritt, Europa müsse Schlüsseltechnologien wie Quantencomputer und Künstliche Intelligenz beherrschen. Dafür sollen die EU-Staaten Geld, Ressourcen und Wissen bündeln.

Doch alles Geld, Wissenschaftler:innen und Forschungseinrichtungen helfen nicht, wenn Europas Unternehmen von Giganten wie Google aus dem Markt gefegt werden, die durch Ankäufe und unfaire Markttaktiken Konkurrenz gar nicht erst zulassen.

Die digitalen Monopolkonzerne stellen eine Herausforderung dar, der umgehend begegnet werden muss. Die EU-Staaten, die Kommission haben zu lange gezaudert, zu lange zugesehen. Es ist Zeit, die scharfen Messer auszupacken und die Monopolkonzerne zu zerteilen.

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