Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick! Fangen wir ausnahmsweise mal mit guten Nachrichten an, wie wir sie Euch gerne viel öfter präsentieren würden: Unser Jahrbuch Netzpolitik 2014 ist jetzt auch zum kostenlosen Download verfügbar. Wir empfehlen: Herunterladen, lesen, weiterverteilen! Und wir haben Zuwachs bekommen: Constanze Kurz, ehrenamtliche Sprecherin des CCC, verstärkt unser Redaktionsteam.
Leider gibt es auch wieder reihenweise nicht ganz so fröhliche Nachrichten. Uns wurde der Entwurf für das Verfassungsschutz-Gesetz zugespielt. Ursprünglich als Antwort auf den NSU-Skandal geplant, verspricht das plötzlich viel mehr Stellen für den Verfassungsschutz und einen massiven Ausbau der Netz-Überwachungskompetenzen des Bundesnachrichtendienstes. Die Antwort der Bundesregierung auf NSA und NSU lautet leider „mehr Überwachung wagen“. Den typischen Beißreflex von Politikern, die schamlos Terroranschläge ausschlachten, beschreibt unsere detaillierte Übersicht, wer wann wie schnell nach einem Anschlag die Vorratsdatenspeicherung forderte. Als ob diese jemals geholfen hatte, einen dieser Anschläge zu verhindern.
Eine ganz merkwürdige Interpretation unserer Auskunftsrechte bei Überwachungsmaßnahmen hat die Staatsanwaltschaft Hamburg. Die sieht es als Service an, überwachte Bürger nicht zu informieren – nachher macht man sich ja noch Sorgen! Der Generalbundesanwalt hat Vorermittlungen bezüglich des Einsatzes deutscher Spionagetechnologie durch den bahrainischen Geheimdienst gegen Ziele in Deutschland aufgenommen. Erfahrungsgemäß findet dieser wahrscheinlich nichts raus, was zu richtigen Ermittlungen führen könnte. Diverse informelle Strukturen einiger EU-Innenminister werden gerne dazu genutzt, immer weiter Grundrechte abzubauen und Überwachungsinfrastrukturen aufzubauen. Aus einer 6er-Gruppe wurden irgendwann 12. Apropos Gegenwehr: Wisst Ihr, in welchen Datenbanken was über Euch gespeichert ist? Die Initiative Datenschmutz bietet ein praktisches Formular an, wo man genau das von Polizeibehörden bis zur Schufa bequem abfragen kann.
Die Enthüllungsserie „Kriminelle befreundete Geheimdienste schaffen massive Unsicherheit im Namen der Sicherheit“ geht leider in der nächsten Staffel weiter. S76E01 lenkte in einer Wiederholung mit Mehrwert Aufmerksamkeit auf das Vorgehen einer Truppe bezahlter Staatshacker, die gezielt die Firmware von Festplatten der großen Hersteller infiltrieren und darüber Daten abgreifen. In S76E02 kam heraus, dass auch Frankreich sich mit Staatstrojanern zu beteiligen scheint. Und Höhepunkt dieser Wochen-Staffel war dann, dass NSA & GCHQ gar nicht Mobilfunk-Verschlüsselung aufwändig knacken brauchen, weil sie gleich den Schlüssel bei einer niederländischen Firma geklaut-kopiert haben. Wie bewertet das eigentlich unsere Bundesregierung?
Währenddessen sind in Leipzig rund 150 Handys und Smartphones in der Asservatenkammer der Leipziger Polizei verschwunden, die Demonstranten abgenommen wurden. In den USA sind gute Regeln zur Sicherung der Netzneutralität leider immer noch nicht in trockenen Tüchern, wir lassen uns mal überraschen, was kommende Woche konkret präsentiert wird. Dafür wurde jetzt in den USA eine Debatte gestartet, wie man denn kommerzielle Drohnen-Nutzung regulieren könnte.
Der Ausschuss für Digitale Agenda im Bundestag feiert einjähriges Bestehen und dessen Vorsitzender hat offensichtlich einen Community-Fetisch. Kommende Woche findet der Europäische Polizeikongress, die Messe für Überwachungsfreunde, um die Ecke von unserem Büro statt. Wir würden gerne für Euch von dort berichten, wurden aber als einziges Medium abgelehnt. Das sehen wir mal als verstecktes Lob für unsere kritische Arbeit!
Wir wünschen ein entspanntes Wochenende und freuen uns wie immer auf die kommende Woche.
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Könnt ihr euch evtl. mit der TAZ/SZ-Keylogger Problematik befassen? Ich würde da gerne von einem Blog wie dem eurigen drüber lesen, nicht so sehr von „den Medien“ ™.