USA: Netzneutralität noch längst nicht in trockenen Tüchern

In den USA soll die Netzneutralität endlich strikter gesichert werden, wie wir vor ein paar Wochen berichteten. Im Großen und Ganzen sind Verbraucherschützer und Netzneutralitätsbefürworter mit den Plänen der US-amerikanischen Federal Communications Commission (FCC) zufrieden.

Viele hatten sich jahrelang für die sogenannte „Re-klassifizierung von Netzbetreibern unter Titel II“ eingesetzt. Hierunter fielen in den USA bisher zum Beispiel Telefonleitungen: Netzbetreiber dürfen keine Anrufe bevorzugt durchstellen oder blockieren. Unter Titel II würde der Internet-Zugang zu einem Teil der Infrastruktur (wie Strom oder Wasser), zu dem jeder der bezahlt, uneingeschränkten Zugang erhält. „Internet ist ein öffentliches Gut“, meinte hierzu der Digitale Gesellschaft e.V.

Diese Re-klassifizierung hatte FCC-Vorsitzende Tom Wheeler dann auch überraschenderweise unterstützt, um eine strikte Netzneutralität zu sichern. Mittlerweile schauten sich Aktivisten von Free Press diese Pläne jedoch genauer an und erklärten in einer Mitteilung, dass noch so einige rechtliche Hürden der echten Netzneutralität im Wege stehen.

Der Vorschlag, die Netzbetreiber als öffentliche Versorgungsunternehmen („Common Carrier“) zu reklassifizieren kommt in zwei Teilen : In ihrem Verhältnis mit Endverbrauchern sollen die Netzbetreiber als Common Carrier gewertet werden. Dies trifft ebenfalls für alle Geschäftsbeziehungen mit Anbietern von Diensten, Anwendungen und Inhalten im Internet zu.

Bei dieser Definition sieht Free Press jedoch nun ein Problem. Sobald Netzbetreiber ihre Dienste einem entfernten („remote“) Inhalte- oder Diensteanbieter zur Verfügung stellen – wo also keine physische Verbindung zwischen diesem Anbieter und dem Netzbetreiber besteht – werden Dienste nicht „direkt“angeboten. Unter Abschnitt 153(53) des Gesetzes muss jedoch ein Telekommunikationsdienst dem Empfänger „direkt“ angeboten werden, um unter die Netzneutralitätsregeln zu fallen. Vereinfacht gesagt: Es ist gut möglich, dass der FCC-Vorschlag zu der absurden Situation führen kann, dass jede Webseite zum Kunden des Netzbetreibers wird, dessen Endnutzer eben jene Webseite besuchen.

Solange dieses Problem nicht gelöst ist, sieht Free Press die Netzneutralität noch nicht in trockenen Tüchern:

Even if the Commission could surmount these statutory barriers, the policy question remains: why would it want to? Our November 5 letter described the seemingly absurd results that could flow from recognizing such a relationship between edge providers and end-users’ broadband providers. Would such an approach suggest or even mandate that every single end point on the Internet is a customer of each and every ISP that provides service to any other single end point on the Internet? Put more colloquially, would every website in the world become a customer of any broadband Internet access service provider whose end-users visit that website?

Ein weitere ungeklärte Frage ist, was mit Internettelefonie (VoIP) passiert und ob sie auch unter Titel II fallen wird. ArsTechnica schreibt:

The FCC has never firmly classified VoIP as either a common carrier service or not, and the FCC’s net neutrality proposal has a carve-out for VoIP.

Während sich Verbraucherschützer mit den Definitionsschwierigkeiten im Vorschlag herumschlagen bis der US-Kongress über die Regeln am 26. Februar abstimmen soll, bereiten die großen und kleinen US-Netzbetreiber bereits ihre ersten Klagen gegen die FCC-Regeln vor… im Westen also nichts Neues.

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1 Ergänzungen

  1. Woraus nur folgen kann: Netzbetreiber und Inhaltsanbieter sind notfalls per Gesetz zu trennen. Alles Andere droht, zu extremen Marktverzerrungen zu führen.

    VoIP ist übrigens ein „Dienst“ wie HTTP – noch dazu einer zwischen zwei (oder mehreren) Teilnehmern. Aus dieser Sicht wird für das gesamte Internetprotokoll klar, dass Netzbetreiber keine „Anrufe“ (Verbindungen, Daten) bevorzugt durchstellen oder blockieren dürfen. Sie dürfen sie nicht einmal „beobachten“ (können).

    Diese Sicht ist zugegeben extrem (und notfalls repressiv). Doch wenn die Telekom and Friends eben keine Wahl lassen, so gilt im Zweifel das Grundgesetz.

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