Europäischer PolizeikongressWir würden ja gerne über die Überwachungsmesse berichten, dürfen aber nicht.

Nächste Woche findet in Berlin der Europäische Polizeikongress statt, eine Verkaufsmesse von Überwachungsfirmen. Aus der Selbstbeschreibung:

Der „Europäische Polizeikongress“ ist eine internationale Kongressmesse, die sich als Informationsplattform für Entscheidungsträger der Polizeien und zuständige Sicherheitsbehörden versteht. Er fördert den Dialog zwischen den Behörden, baut neue Kontakte zu Kollegen auf, führt kritische Diskussionen über aktuelle Themen und informiert in der Ausstellung über neueste Technologien für den Polizeieinsatz. Der Europäische Polizeikongress ist die größte internationale Fachkonferenz für Innere Sicherheit in Europa.

Regelmäßig fordern dort Innenpolitiker (diesmal sieben auf einem Podium) und „Sicherheitsbehörden“ (diesmal drei Vorsitzende von Polizeigewerkschaften) neue Überwachungsbefugnisse.

Darüber wollten wir berichten und haben uns mit dem offiziellen (etwas altbackenen) Formular akkreditiert: inklusive Personalausweis-Nummer und Kopie vom Presseausweis, per Fax am Freitagnachmittag.

Jetzt kam die Antwort vom Veranstalter Behörden Spiegel (nur echt mit Deppenleerzeichen):

Vielen Dank für Ihre Anmeldung zum Polizeikongress 2015.

Leider jedoch müssen wir Ihnen mitteilen, dass für Vertreter der Presse nur ein begrenztes Kontingent an Plätzen zu Verfügung stand und dieses mittlerweile ausgebucht ist.

Ihre Anmeldung kann deshalb leider nicht mehr berücksichtigt werden.

Dass das Berlin Congress Center (bcc) voll ist, kennen wir ja vom CCC-Congress. Dass das beim Polizei-Congress ebenso sein soll, hat uns etwas überrascht. Also haben wir nach dieser Absage Journalisten-Kollegen anderer Medien gebeten, sich mal kurz zu akkreditieren. Und das ging innerhalb weniger Minuten, ganz ohne Formular und ohne Platzmangel. (Die Akkreditierungsdokumente der Kollegen liegen uns vor.) „Es ist voll“ ist also eine Lüge.

Pressefreiheit, fuck yeah!

Das erspart uns immerhin rauszufliegen, wie es vor fünf Jahren einem Freund und CCC-Mitglied passierte, weil irgendjemand auf Indymedia behauptete, das bcc verwanzt zu haben.

28 Ergänzungen

  1. Wie dumm kann man sein? Die haben da Hausrecht und ein klares „Wir wollen Sie hier nicht“ wäre völlig ok. Stattdessen eine Lüge, die nur zeigt, wie verkommen das Umfeld solcher Unternehmen offenbar ist, aber eben auch wie dumm und kurzsichtig. Und daraus soll dann „Sicherheit“ produziert werden…

  2. NEIN! DOCH! OH!

    André Meister ist unerwünscht auf dem Polizeikongress!!! Na DAMIT konnte ja wohl wirklich NIEMAND rechnen! Was kommt als nächstes? Matthias Monroy darf nicht vom Weltkongress der Burschenschaften berichten?

    Ansonsten gilt: Lob an die Redaktion! So führt man diese Steuergeldverbrenner und pathologischen Spanner aus „Sicherheits“industrie und „Sicherheits“behörden stilvoll vor. Weiter so!

  3. Das deutsche Anmeldeformular:

    Ich möchte am 18. Europäischen Polizeikongress teilnehmen und berichten für:
    ☐ Printmedium
    ☐ Hörfunk
    ○ O-Ton benötigt
    ☐ Bildberichterstattung
    ☐ TV-Übertragung:
    ○ O-Ton benötigt
    ○ Ü-Wagen Platz benötigt

    Das englische Anmeldeformular:

    I would like to attend the 18th European Police Congress and report by:
    ☐ paper
    ☐ radio
    ☐ photographic
    ☐ television
    ☐ online

  4. Ach Andre, das ist doch lame! Die Yes Men hätten ohne Probleme nicht nur eine Presseakkreditierung hingekriegt, die hätten sogar einen eigenen Vortrag auf dem Polizeikongress gebracht! Das wäre huge! Aber ihr Nasen seid euch zu fein, um mal fett den Kommunikationsguerilla-Style raushängen zu lassen. Noob! Da geht noch was! Denken Sie groß!

    1. Yes-Men: „Das Innenministerium ist einstimmig der Meinung, weitere Blaupausen zur Gesetzesinitiative Vorratsdatenspeicherung fänden nicht die notwendige Mehrheit und distanziert sich daher von Berichten, wonach die Vorratsdatenspeicherung weiter forciert werden soll.“

      Innenministerium: „Das Innenministerium will sehr wohl weiterhin die Vorratsdatenspeicherung und ist sich seiner Interpretationsspielräume von EuGH dank Beratungsmandaten bei Kommunikationsberatern bewusst. Jegliche Zwietracht zum Thema wird mitnichten verneint. Auch in der GroKo sind wir uns letztendlich einig, dass Gesetze gelten. Deswegen machen wir ja erst die Gesetze für die Vorratsdatenspeicherung und dann die Vorratsdatenspeicherung.“

  5. Also Hausrecht hin oder her das Thema geht denke ich uns alle an und einen Reporter auszusperren weil er anderer Meinung ist is einfach nicht ok sind doch nicht in der Türkei oder doch………..nee stimmt da sperren sie ja ein

    1. Ein Sabotagekommando würde auch nicht einen einschlägig aktenkundigen Aktivisten wie Herrn Meister auf den Polizeikongress schicken. Jedes subversive Medium wie NP.org sollte sich einen Stab informeller Mitarbeiter halten, die gut integriert auf der anderen Seite braven Propaganda-Journalismus betreiben. Die kann man bei günstiger Gelegenheit unaufällig zur Infiltration von gegnerischen Veranstaltungen wie dem Polizeikongress nutzen. Aber solche alten Tricks will ja niemand. Immer schön die Samthandschuhe anbehalten, dann verlieren wir auch ganz bestimmt.

      1. “aktenkundigen Aktivisten wie Herrn Meister“ – Hallo? Was ist das denn für eine Haltung? Der Mann ist als Journalist dort und damit sollte das Thema in einem freien Land erledigt sein. Der Behörden Spiegel läuft da auf einen handfesten Skandal zu.

      2. @Jens Best:

        „Hallo? Was ist das denn für eine Haltung?“
        Schon mal was von Sarkasmus gehört? Soll gegen akute Zornesröte und Verdauungsproblemen des täglichen Irrsinns wahre Wunder wirken.

        „damit sollte das Thema in einem freien Land erledigt sein“
        Du bist aber auch ein Witzbold. Freies Land? Meinst Du Uruguay? Oder meinst Du ein Parallel-Deutschland?

        „Der Behörden Spiegel läuft da auf einen handfesten Skandal zu.“
        Sehr witzig! Als ob irgendjemand der etablierten Medien es interessiert, ob ein Meister mehr oder weniger auf dem Polizeikongress rumläuft. Meister sind schließlich viele. Metzgermeister, Bäckermeister…ach lassen wir das…

  6. Da ich regelmäßig vom EPK für Heise berichte (und akkreditiert bin): Ich denke, dass hier ein Missverständnis vorliegt. Seit etlichen Jahren sitzt ein Mitarbeiter von Netzpolitik auf der „Pressetribüne“, ohne jegliche Probleme. Was sich der veranstaltende Behördenspiegel mit dem Ausschluss von Andreas B. als *Teilnehmer* erlaubt hat (meine Meldung ist ja verlinkt) , ist einige Klassen krasser.

    1. Wir haben in der Redaktion mal rumgefragt und niemanden gefunden, der „seit etlichen Jahren“ dort wäre. Im Gegenteil: Es war nur einmal eine Person unseres Teams akkreditiert, vor vier Jahren.

      Dafür haben aber gestern mindestens zwei Personen, die sich Freitag akkreditieren wollten, diese Absage erhalten.

    2. „EPK steht als Abkürzung für:
      – Electronic Press Kit, eine Pressemappe in elektronischer Form
      – Ereignisgesteuerte Prozesskette, eine Modellierungssprache zur Darstellung von Geschäftsprozessen“ (Wiki)

  7. … was man halt von einem Überwachungsstaat erwarten darf … Reporter ohne Grenzen sollte den Aufstieg Deutschlands um zwei Plätze nochmal überdenken.

    Wie kann man Euch unterstützen?

  8. Der Absagegrund spiegelt nur dort herrschendes Intelligenzniveau wieder. Für mich ist das Verbot der eurer Teilnahme ein Qualitätsprädikat, sozusagen ein TÜV Siegel :), dass Netzpolitik wichtig ist und dass ich die richtige Seite lese. Schade nur, dass nur ich Euch zur Zeit leider nicht finanziell unterstützen kann. Naja, es kommen auch wieder bessere Zeiten und dann sprechen wir uns wieder.

    1. Die Frage kann ich auch nicht beantworten. Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls klargestellt, dass auch Privatleute die Ausübung von Grundrechten hinnehmen müssen, wenn sie einen öffentlichen Raum zur Verfügung stellen (z.B. Demo im Einkaufszentrum). Bei einer Verkaufsmesse, die sich in erster Linie an Interessanten aus der öffentlichen Hand richtet, dürfte dies ähnlich sein, eine derartige Einschränkung der Berichterstattung ist also ziemlich sicher rechtswidrig.
      Netzpolitik.org wird ja wohl den einen oder den anderen Anwalt kennen, der ein freundliches Schreiben an den Veranstalter aufsetzen kann? Es kann doch keiner ein Interesse daran haben, dass es zu einem Rechtsstreit mitsamt entsprechender öffentlicher Berichterstattung kommt.

  9. „Bei einer Verkaufsmesse, die sich in erster Linie an Interessanten aus der öffentlichen Hand richtet,“
    …richtig erkannt: das sind nämlich keine „Privatleute“ und es ist wohl deshalb nicht „ähnlich“ wie bei „Privatleuten“ bei einer „Demo im Einkaufszentrum“.

  10. Kleine Detailfragen: Warum ging das bei euren Kollegen, die akkreditiert wurden ohne Formular? Warum habt ihr es mit dem Formular gemacht? Habt ihr es auch auf diesem formularlosen Weg probiert? Sind das vielleicht getrennte Prozeduren mit jeweils eigenständigen Kontingenten?
    Das wäre die einzige nicht-skandalöse Erklärungsmöglichkeit für mich.

  11. Mein Vorschlag, einfach nach mal nach Beispielanleitung verfahren:
    ;Was ich nicht weiß, …
    :“Wenn eine Behörde oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts eine No-Spy-Klausel bei der IT-Beschaffung einführt, läuft sie Gefahr, den Wettbewerb zu beschränken. Wenn ein bietendes Unternehmen nicht mehr bieten kann, weil es einem ausländischen Nachrichtendienst verpflichtet ist und ehrlich bleibt, ist es vom Markt. Dr. Johann Bizer, Vorstandsvorsitzender von Dataport sieht jedoch Chancen, das zu vermeiden. (12.02.2015)
    Das stellt jedoch Anforderungen an die Bieter. „Wenn der Generalverdacht lautet, dass No-spy-Klauseln zu Wettbewerbsbeschränkungen führen, wäre die richtige Antwort von Anbieterseite darauf, seine Strukturen so zu verändern, dass wir zusammenarbeiten und die geforderte Vertraulichkeit gewährleisten können.“
    ([http://www.behoerden-spiegel.de/icc/Internet/sub/6f5/6f54001b-f5c7-b410-0185-847b988f2ee2,,,aaaaaaaa-aaaa-aaaa-bbbb-000000000003&uMen=1e360726-d0a0-b331-76b8-d77407b988f2.htm behoerden-spiegel.de/IT])

  12. Überrascht mich jetzt nicht wirklich.

    Was allerdings auch nicht überraschen sollte: Wenn nur Presseorgane zugelassen werden, die polizeifreundlich und unkritisch schreiben, dass diese dann vom gemeinen Pöbel als gleichgeschaltete Lügenpresse aufgefasst werden.

    Stefan Niggemeier meinte mal im Angesicht des Raumes für Pressekonferenzen im Pressecenter beim ESC in Baku vor drei Jahren mal: „Das ist der Ort, an den kritische Fragen zum Sterben hingehen.“
    Ich glaube, wenn man das über das bcc nächste Woche sagt, dann sich die kaum beschweren können.
    Blöd nur: Es wird niemand da sein, der das über das bcc sagen könnte…

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.