Liebe Freund*innen von netzpolitik.org,
ich hoffe, ihr seid gut ins neue Jahr gekommen. Das alte Jahr zurückzulassen fühlt sich für mich so an, wie einen schweren Rucksack abzulegen. Die Rückblicke sind geschrieben, die Endfeiern absolviert, der Infekt abgehustet, die Spenden-Kampagne geschafft – nochmals Tausend Dank dafür. Jetzt schauen wir nach vorn. In zwei Ausblicken haben wir diese Woche das netzpolitische Jahr 2023 skizziert. Wenn ihr euch für die bevorstehenden Debatten rüsten möchtet, ist das euer Lese-Proviant: Ein Ausblick auf die Netzpolitik in Deutschland, ein Ausblick auf die Netzpolitik in der EU.
Das nächste große Ding für dieses Jahr ist in meinen Augen die Chatkontrolle, jenes beispiellose Überwachungsvorhaben der EU, das die Vertraulichkeit privater Kommunikation grundlegend in Frage stellt. Das ist so wuchtig, es taucht in beiden Ausblicken auf. Ich will aber auch nicht die anderen Punkte unterschätzen, die im Vergleich weniger groß auf unserem Radar aufblitzen. Etwa die bevorstehende Regulierung rund um Künstliche Intelligenz – den AI Act – bei der unser aller Schutz vor biometrischer Überwachung auf dem Spiel steht.
Die Ausblicke haben wir gemeinsam geschrieben, denn niemand hier in der Redaktion kann alles überblicken. Aus dem Ärmel schütteln wir das nicht. Die Eckdaten schwirren uns zwar im Kopf herum, doch beim Aufschreiben wälzen wir nochmal Berichte, PDFs und Notizen, es vergeht Stunde um Stunde, und in der Browserleiste drängeln sich immer mehr Tabs.
Aus Sicht des Aals
Was ich bei unserer Vorausschau einmal mehr gespürt habe: Netzpolitik ist eine anspruchsvolle Übung in Geduld. Zuerst strecken sich die Prozesse der Gesetzgebung über Jahre. Es folgt eine lähmende Übergangszeit zwischen Verabschiedung und Umsetzung, in der sich viele Nachrichtenmedien längst anderen Dingen zuwenden. Und schließlich entscheiden sich manche Streitfragen erst nach jahrelangen Gerichtsprozessen.
So geschehen manche tektonischen Veränderungen unserer digitalen Gesellschaft knapp an der Schwelle der Wahrnehmbarkeit. Ich glaube, der Einsatz für digitale Freiheitsrechte erfordert deshalb Arbeit am eigenen Zeitempfinden. Auch die Alpen sind nicht über Nacht entstanden. Tatsächlich wachsen sie immer noch, mit der unbegreiflichen Geschwindigkeit von rund zwei Millimetern pro Jahr.
Einen Einfluss auf unser Zeitempfinden hat, wie viele Bilder pro Sekunde wir überhaupt verarbeiten können. Bei einer Fliege sind es wohl um die 250 Bilder, beim Menschen nur ein Bruchteil davon. Deshalb ist es so schwer, Fliegen zu fangen. In den Augen einer Fliege dürften wir mit unseren Bewegungen aussehen wie behäbige Riesen in Zeitlupe.
Es gibt allerdings auch Tiere, die mit deutlich weniger Bildern pro Sekunde versorgt werden als wir: etwa der Europäische Aal. Was wir als einschläfernd träge Bewegungen wahrnehmen, könnte in den Augen des Aals quicklebendig erscheinen. Ich will mir vornehmen, Netzpolitik öfter aus der Sicht des Aals zu betrachten.
Guten Start ins Jahr
Sebastian
Im Fliesstext sind Links blau. Das gleiche blau wird auch für die Überschriften verwendet, die aber nicht verlinkt sind. Stattdessen ist in den Überschriften der schwarze Text verlinkt?
Einheitlichkeit wäre Benutzerfreundlich. :-)
Danke.