Aktionskunst„Lassen Sie Ihre Rendite mit dem Meeresspiegel steigen“

Die derzeitigen Proteste gegen das Vorgehen der Bundesregierung in der Klimakrise haben viele Gesichter. Während in Lützerath und auf Straßen auf zivilen Ungehorsam gesetzt wird, legen nun Unbekannte mit Humor nach.

Blick von oben auf einen Strand, Schriftzug: The Rise Real Estate
Ausschnitt aus dem Werbevideo – Alle Rechte vorbehalten The Rise Real Estate

Bislang unbekannte Aktionskünstler:innen haben offenbar im Namen einer angeblich in Hamburg ansässigen, aber fiktiven Immobilienfirma „The Rise GmbH“ eine Werbeseite geschaltet, auf der der durch den Klimawandel ansteigende Meeresspiegel als Chance für den Immobilienmarkt verkauft wird.

Auf der im Stile eines klassischen Immobilienprojektes designten Webseite werden Exposés von Grundstücken in Meeresnähe angeboten. Unter anderem heißt es dort in bestem Werbedeutsch:

Der Klimawandel stellt uns als Menschheit vor Herausforderungen. Wir verwandeln sie in Ihre einmalige Chance. Mit The Rise Real Estate investieren Sie in ausgewählte Grundstücke, die in den nächsten Jahrzehnten zu den Filetstücken mit Meerblick aufsteigen. Nutzen Sie die Gunst der Stunde und blicken Sie mit The Rise in eine goldene Zukunft.

In einem Video preist der angebliche CEO von „The Rise Real Estate“ die Vorteile der Klimakrise in stereotypischer Weise an und nimmt dabei altbekannte Versuche aufs Korn, die so tun, als könne man die Klimakrise beherrschen oder gar einen Vorteil aus ihr ziehen. Wer hinter der Kampagne steckt, ist derzeit noch unklar. Auf eine kurzfristige Anfrage von netzpolitik.org reagierten die Macher:innen der Seite bislang nicht.

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Unterschiedliche Formen des Klima-Protests

Gegen die Klimakrise, die Ignoranz ihr gegenüber sowie das Verfehlen der Klimaziele durch die Ampel-Regierung wird derzeit auf mehreren Ebenen und mit verschiedenen Mitteln protestiert. Seit Monaten für die größte Aufregung sorgen die Proteste der Letzten Generation, die unter anderem mit Straßen- und Flughafenblockaden in Erscheinung tritt. Zuletzt kam das Abmontieren von Verkehrsschildern als eigenmächtige Umsetzung von einem Tempolimit durch die Gruppe Extinction Rebellion hinzu. Über diese Aktionsformen des zivilen Ungehorsams ist eine breite Debatte entbrannt, die von konservativer Seite mit Präventivhaft und Forderungen nach Gesetzesverschärfungen flankiert ist. Zudem wird gegen die Gruppe mit dem Strafrechtsparagrafen 129 ermittelt, eine Maßnahme, die umstritten ist. Zahlreiche Menschen haben sich deswegen aus Solidarität selbst angezeigt.

Gleichzeitig spitzt sich die Lage im besetzten Dorf Lützerath zu. Das Dorf will der Energiekonzern RWE mit Rückendeckung der schwarz-grünen Landesregierung von NRW räumen, damit die Braunkohle abgebaggert werden kann. Gestern kam es dort zu ersten Auseinandersetzungen, nachdem die Polizei mit Vorbereitungen für die Räumung begonnen hatte.

Update 10.1.23:
Hinter der Aktion standen keine Aktionskünstler, sondern die zu FischerAppelt gehörende Werbeagentur Philipp und Keuntje, die eine Guerilla-Kampagne für einen Finanzdienstleister durchgeführt hat.

5 Ergänzungen

  1. Ich würde an dieser Stelle gerne Gabionen empfehlen. Wenn Sie in die Zukunft investieren möchten, ist das eine vorzügliche Möglichkeit, sich vor Fluten zu schützen – der kleine Damm für jedermann!

  2. Es gibt so Tage, da überlege ich ob ich genug Geld an NP.org überweise, weil Die doch die relevanten Themen und die AutorInnen auch mal über unbekanntere Netzthemen

    Und dann gibt’s viele andere Tage. Sehr, sehr viele.

    Wirklich viele.

    1. Lieber Philip Engstrand,
      weil ich so halbdirekt angesprochen werde, antworte ich schnell persönlich: Ich covere das Feld „Kommunikationsguerilla“ hier seit Jahren und auch davor war das immer ein Thema bei netzpolitik.org. Der Artikel ist aus der Hüfte geschossen in kürzester Zeit entstanden und wir haben heute in Redaktionstreffen Grundsteine für andere Berichterstattung in den nächsten Wochen gelegt. Das zeigt sich hier eben noch nicht. Relevanz ist ein weites Feld und ich war schon immer für eine Offenheit des Feldes Netzpolitik. Es werden sich immer die Geister scheiden, was wichtig ist und was nicht…

      1. Also.

        Das ich mir als Leser nicht aussuchen kann, was die Redaktion für veröffentlichungswert hält – ist mir auch klar. Das es ihrerseits ein Faible für sagmamal die „Kommunikationsguerillia“ gibt, ist mir auch schon aufgefallen und das hab‘ ich beizeiten schon mal kommentiert. Ich verstehe, das NP.org sich langsam zu einem gesellschaftspolitischem Magazin entwickelt – ist halt so, betrifft mich als Techniker/Forscher/Leser nicht ganz so direkt (btw: Über pseudo-Immobilien zu berichten und die Münchner Goldgrund nicht zu erwähnen zeugt von fehlender Recherche …)

        Aber, ich lese jeden Tag netzpolitische Themen in anderen Medien, die mich betreffen und in NP.org nicht.

        Beispiel 1: Das gestrige Urteil zu focus.de und Cookie Bannern.
        Beispiel 2: Reid Blackman’s „The Signal App and the Danger of Privacy at All Costs“, NYTimes

        Die Frage ist: Warum?

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