Netzpolitischer Wochenrückblick KW 35: Cyberagentur fürs Militär, Datenschutz fällt Google schwer

Diese Woche beschäftigten wir uns mit teuren Überwachungsbahnhöfen, der Gründung einer neuen „Cyber-Agentur“ und der angeblichen Abmahnwelle durch die Datenschutzgrundverordnung. Außerdem rückt unsere „Das ist Netzpolitik“ Konferenz immer näher.

– Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Geran de Klerk

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„Informieren, verteidigen, angreifen“. Unter diesem Motto findet unsere „Das ist Netzpolitik“-Konferenz am 21. September in der Volksbühne in Berlin statt. Die Listen mit den Sprecherinnen und Sprecher und zahlreichen Talks sind bereits online und werden ständig erweitert, das vielseitige Programm mit allen Zeiten der Vorträge und Diskussionen wird demnächst veröffentlicht. Im „Grünen Salon“ der Volksbühne wird es zudem ein interaktives Workshop-Programm mit vielen Aktivitäten geben. Sichert euch jetzt ein Ticket ab zehn Euro, wir freuen uns schon!

Gründung einer neuen Cyber-Agentur

Auf einer Pressekonferenz haben Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Innenminister Horst Seehofer diese Woche die Gründung einer Agentur für Innovationen in der Cybersicherheit (ADIC) bekanntgegeben. Die große Hoffnung legen sie auf dadurch ermöglichte „Sprunginnovationen“ für die innere und äußere Sicherheit. Obwohl von der Leyen und Seehofer oft den Vergleich zum Vorbild der amerikanischen DARPA ziehen und mit deren zivilen Errungenschaften wie dem Internet oder GPS werben, zeigen wir auf, dass die 200 Millionen Euro, die in den nächsten Jahren für die neue deutsche Cyber-Agentur vorgesehen sind, wohl hauptsächlich für militärische Zwecke verwendet werden.

Kamerazählung auf Überwachungsbahnhöfen

In 900 Bahnhöfen in Deutschland überwachen über 6.000 Kameras den öffentlichen Raum. Wie sich nun in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken herausstellt, belaufen sich die Kosten zur Ausstattung der Bahnhöfe mit Videoüberwachung auf bis zu 1,3 Milliarden Euro. Die tatsächlichen Kosten für die Instandhaltung der Technik und Sichtung des Materials ist dabei noch nicht einmal mit eingerechnet. Eine volle Liste der überwachten Bahnhöfe möchte die Bundesregierung nicht veröffentlichen – angeblich deshalb, damit Kriminellen nicht die Planung von Straftaten erleichtert wird.

In unserem Netzpolitik-Podcast Folge 150 sprechen Constanze Kurz und Marie Bröckling über die Pläne für das neue niedersächsische Polizeigesetz. Marie Bröckling hat über Polizeigesetz-Novellen in anderen Bundesländern umfangreich berichtet und für netzpolitik.org eine Stellungnahme zum niedersächsischen Polizeigesetz verfasst. Constanze Kurz hat zusammen mit Jens Kubieziel und Markus Drenger für den Chaos Computer Club Stellung bezogen hat. Die beiden berichten von den Anhörungen im niedersächsischen Landtag und der Kritik am Gesetzesentwurf.

Zum Thema der polizeilichen Gesichtserkennung, die nach den G20-Protesten in Hamburg in Hamburg eingesetzt wurde, haben wir ein Interview mit dem hamburgischen Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar geführt. Dieser hält solche Auswertung von Bildmaterial für rechtswidrig.

Laut einem Bericht der New York Times hat die NSO Group, eine israelische Cyber-Intelligence-Firma, das Telefon eines Journalisten gehackt, um die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate vom Kauf ihrer Spionagesoftware zu überzeugen. Diese Informationen beruhen auf E-Mails, die in Folge eines Gerichtsverfahrens gegen die NSO Group veröffentlicht wurden.

Außerdem möchte die Bundesregierung im Fall der Vorratsdatenspeicherung eine Prüfung des Europäischen Gerichtshofs erwirken, obwohl seit 2016 ein Urteil zur rechtlichen Lage der Vorratsdatenspeicherung vorliegt. Das geht aus aus einem Bericht des Deutschlandfunks hervor.

Übrigens: Mit 3D-gedruckten Waffen hat es die Polizei in Deutschland bisher noch nicht zu tun. Auch in der Politik ist das Thema noch nicht angekommen. Anders verhält es sich in den USA, wo nun mehrere Staaten gegen die Verbreitung von Bauplänen im Internet vorgehen. Wir haben diese Woche einen kurzen Abriss zum Thema verfasst und zeigen, dass die Schusswaffen aus dem 3D-Drucker noch keine große Bedrohung darstellen, da sie noch nicht funktionsfähig sind. Dennoch könnten uns Waffenproduktion mit eigenem Gerät und Bauplänen aus dem Internet in Zukunft noch häufiger beschäftigen.

o2 unterläuft Netzneutralitäts-Regeln

Der Netzbetreiber o2 versucht wieder mal, die EU-Regeln zur Netzneutralität systematisch auszureizen. Diese garantieren eigentlich die freie Endgerätewahl, aber o2 möchte seinen „Unlimited“-Tarif nur auf mobilen Geräten wie Smartphones, Tablets oder Ähnlichem erlauben. Die Bundesnetzagentur hat hierzu nun eine Anhörung angekündigt, in der auf eine rechtskonforme Anpassung hingewirkt werden soll.

Briefe an Google

Dass Google Standortdaten auch bei ausgeschaltetem „Standortverlauf“ speichert und darüber nur irreführende Informationen preisgibt, haben wir schon vor zwei Wochen thematisiert. Diese Woche meldete sich dazu Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, zu Wort. In einem Brief fordert er Google höflich und ohne Angabe einer Deadline zur Aufklärung und Beachtung der  Datenschutzvorschriften in Deutschland auf.

Facebook hat unterdessen angekündigt, 5.000 Optionen zur gezielten Verbreitung von Werbeanzeigen zu löschen. Das Unternehmen reagiert damit auf jahrelange Kritik an seinen Werbe-Tools, die Diskriminierung ermöglichen. Bei Stellen-, Kredit- oder Immobilienanzeigen verstößt dies in den USA sogar gegen Gesetze. Die Löschung dieser Kategorien schließt jedoch nicht alle Möglichkeiten für diskriminierende Werbung auf der Plattform.

Die Datenschutzgrundverordnung ist in Deutschland seit drei Monaten wirksam, doch die befürchtete Welle von Abmahnungen ist ausgeblieben, berichtete diese Woche tagesschau.de. Trotzdem soll seitens des Justizministeriums ein Gesetzesentwurf gegen „Abmahnabzocke“ vorgelegt werden. Offenbar sollen darin allerdings nur kleine Unternehmen, Vereine und Selbstständige von kostenpflichtigen Abmahnungen im Bereich Datenschutz ausgenommen werden.

Seh-Empfehlung fürs Wochenende

Am Dienstag Abend sendete Arte die Dokumentation „Im Schatten der Netzwelt – The Cleaners“ von Hans Block und Moritz Risewieck. Der Film dreht sich um Content-Moderierende auf den Philippinen, die für große Unternehmen wie Facebook oder Youtube arbeiten. Manche von ihnen berichten innerhalb der Dokumentation als Whistleblower über ihre Arbeit. Kurz darauf löschte Youtube einen Arte-Trailer für die Dokumentation nach Angaben des deutsch-französischen Kultursenders von seiner Plattform.

Bis zum 15. September können sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen für den Preis des Surveillance-Studies-Forschungsnetz bewerben. Dabei sollen sich die Aufsätze der Teilnehmer*innen mit dem spannenden Thema „Überwachungsforschung“ beschäftigen. So soll jungen Kollegen und Kolleginnen ermöglicht werden, sich einem breiteren Publikum zu präsentieren und Aufmerksamkeit und Anerkennung für ihre Arbeit zu erhalten.

2 Ergänzungen

  1. Der BGH hat in erster Instanz auch beim Amri-Untersuchungsausschuss wieder entschieden auf :
    ‚25% des Untersuchungsausschusses genügen, um Zeugen / Beweise anzufordern‘.
    https://mobil.berliner-zeitung.de/berlin/amri-untersuchungsausschuss-bgh-laesst-beweiserhebung-zu-31196314

    Ich möchte wissen, ob die zweite Instanz dann doch wieder den rechtsfreien Raum für den Geheimdienst zurückgibt, so wie beim NSA-Untersuchungsausschuss, als Edward Snowdens Zeugenschutz in der BGH-Revision abgelehnt wurde, und damit in meinen Augen die deutsche Justiz Snowden nach Moskau verbannt hat.
    https://netzpolitik.org/2017/bgh-nsa-untersuchungsausschuss-muss-snowden-nicht-einladen-weil-die-opposition-zu-klein-ist/

    Wenn der BGH dieses Mal bei „25%-reichen“ bleibt:
    kann ich dann endlich Schutz für Snowden in Berlin bekommen ?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.