KW 22Die Woche, als wir Vorträge hielten und Preise bekamen

Die 22. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 16 neue Texte mit insgesamt 107.551 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser*innen,

ein typischer Arbeitstag in der netzpolitik.org-Redaktion spielt sich im engen Umkreis von Schreibtisch und Kaffeemaschine ab. Doch gelegentlich sind wir auch unterwegs. Diese Woche gab es gleich mehrere Außentermine, und die waren ziemlich erfreulich.

Da wäre einmal die re:publica, jene jährliche Konferenz zur digitalen Gesellschaft, die zumindest in meinem Kalender jedes Jahr ihren festen Platz hat. Unter den Tausenden Besucher*innen wimmelt es vor Menschen, mit denen ich mich gerne unterhalte. Es sind Fachleute, mit denen ich sonst vor allem E-Mails tausche, ehemalige Kolleg*innen, alte Bekannte.

Hinzu kommt ein Bühnen-Programm mit einer überwältigenden Anzahl an Talks, von denen ich jedes Jahr eine einige notiere und den Großteil dann doch verpasse. Immerhin kann man sich viele davon nachträglich im Netz anschauen. Hier findet ihr zum Beispiel den Vortrag meines Kollegen Ingo Dachwitz über digitalen Kolonialismus und den Preis, den der Globale Süden für den digitalen Fortschritt zahlt.

Eine große Portion Hoffnung, Mut und positive Energie

Mein zeitloser Geheimtipp aus dem diesjährigen Programm ist noch nicht online, während ich diesen Newsletter schreibe, dürfte aber in Kürze erscheinen. Er kommt vom selbst ernannten „Profi Nerd“ Paul Yoshio Steinwachs, der eine unterhaltsame halbe Stunde lang über die Macht der Unterhaltung sprach. „Mit Star Trek, Yoda und Satire gegen den Wahnsinn der Gegenwart“ heißt der Vortrag, der mich zunächst nur wegen der Worte „Star Trek“ und „Satire“ angelockt hat.

Vorher dachte ich mir: Das wird bestimmt ganz nett. Währenddessen merkte ich: Das ist richtig toll. Gerade in Zeiten, in denen einen politische Nachrichten zum Verzweifeln bringen können, vermittelt der Vortrag eine große Portion Hoffnung, Mut und positive Energie. Ich hoffe, das kommt in der Aufzeichnung so gut rüber wie vor Ort.

Eine Überraschung

Auch unsere Recherchen zu den Databroker Files hatten einen Platz im Programm der re:publica. Hier berichten Rebecca Ciesielski vom Bayerischen Rundfunk und ich vom aktuellen Stand der Recherchen – und erzählen erstmals die kuriose Geschichte, wie eigentlich dieser eine brisante Datensatz mit Standort-Daten aus rund 40.000 Apps zu uns gekommen ist.

Um die Databroker Files drehten sich auch zwei weitere, überaus erfreuliche Außentermine diese Woche. Am Dienstag hat meine Kollegin Anna Biselli das Recherche-Team beim Gala-Dinner des Datenschutz Medienpreises vertreten. Bei Journalismus-Preisen ist das häufig so: Man weiß zwar vorher, dass man nominiert ist. Aber ob man den Preis wirklich bekommt, das erfährt man erst auf der dazu gehörigen Abendveranstaltung. Und: Überraschung! Für das von den BR-Kolleg*innen in Kooperation mit netzpolitik.org erstellte Web-Special gab es den Preis für den besten interaktiven Online-Beitrag.

Noch eine Überraschung

Kurz nach ihren Vorträgen auf der re:publica reisten meine Kolleg:innen Rebecca und Ingo dann weiter ins italienische Bari, um unser Team bei einer weiteren Preisverleihung zu vertreten, dem European Press Prize. Ehrlich gesagt habe ich eher nicht damit gerechnet, dass auch sie mit einem Preis nach Hause fahren würden. Einfach weil ich eine solche Häufung glücklicher Zufälle intuitiv für unwahrscheinlich halte. Aber: Überraschung! Die Jury verlieh unseren Recherchen den „Innovation Award“.

Die Preise machen mich dankbar und nachdenklich. Dankbar, weil dahinter sehr, sehr viele Menschen stehen. Dabei denke ich nicht nur an die Kolleg*innen von netzpolitik.org, dem Bayerischen Rundfunk und unseren internationalen Recherche-Partnern. Ich denke auch an die Tausenden Menschen, die unsere oftmals langatmige Arbeit durch ihre Spenden überhaupt erst möglich machen.

Danke dafür!!

Was mich nachdenklich macht

Ohne Spender*innen würde es Enthüllungen wie die Databroker Files schlicht nicht geben. Die Welt wüsste nichts davon. Und wer weiß, welche Dinge nur deshalb nicht ans Tageslicht kommen, weil niemand Zeit und Geld hat, um sie aufzudecken?

Damit kommen wir zu dem, was mich nachdenklich macht. So ein Preis hat etwas Abschließendes. Medienmenschen klopfen sich auf die Schultern, feiern gemeinsam und sagen sich: Gut gemacht. Klar, das ist schön und darf auch mal sein. Und doch löst es in mir einen Widerstand aus. Denn die aufgedeckten Missstände bestehen weiter. Die Recherchen sind kein Ende, sondern ein Anfang.

Die alltägliche Überwachung durch Handystandort-Daten, die wir mit den Databroker Files anprangern, lässt sich nur politisch lösen. Der Ball liegt bei der EU, die das Thema jahrelang verbummelt hat. Ohne beharrlichen Druck von Außen dürfte sich das kaum ändern. Deshalb hoffe sehr, dass die inzwischen dreifache Auszeichnung dieser Recherchen mehr bedeutet als Anerkennung innerhalb der Medienbubble. Ich hoffe, Preise helfen dabei, Druck zu machen, weil sie zeigen: Dieses Thema ist vielen Menschen wichtig, man darf es nicht länger verbummeln.

Habt ein schönes Wochenende
Sebastian

Grundrechte-Report 2025Habeck und die Hausdurchsuchung

Eine klitzekleine Beleidigung und sofort dringt der Staat in die Wohnung ein. Das klingt zunächst nicht nach einer Demokratie, die Meinungsfreiheit zulässt und die Privatsphäre von Bürger*innen in den eigenen vier Wänden schützt. Entsprechend hagelte es nach einem Vorfall rund um den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck heftige Kritik. Wie berechtigt ist sie?

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Big Tech und Kolonialismus„Kommunikationsinfrastrukturen waren schon immer Werkzeuge der Kontrolle“

Die Künstlerin Esther Mwema erforscht verborgene digitale Machtstrukturen. Auf der re:publica in Berlin sprach sie über die Parallelen zwischen kolonialen Infrastrukturen und den modernen Kabel- und Satellitenprojekten von Big Tech. Wir haben sie zu ihren Recherchen und ihrer Kunst befragt.

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1 Ergänzungen

  1. Ich finde es schade, dass der Vortrag über digitalen Kolonialismus nur auf YouTube ist. Gibt es Pläne seitens der re:publica, die Aufzeichnung(en) in Zukunft auch auf freien Plattformen zur Verfügung zu stellen?

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