VorratsdatenspeicherungDobrindt nimmt Anlauf

Der neue Innenminister kündigt die massenhafte Speicherung aller IP-Adressen und Portnummern an. Aber sein Haus schweigt zur Frage, wie das mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs überhaupt möglich sein soll – und welche Belastung auf Unternehmen und Gesellschaft zukommen.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU)
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) am 16. Mai 2025 im Deutschen Bundestag.

Der neue Bundesinnenminister verlor keine Zeit: Wenige Tage im Amt, kündigte er gleich mehrere politische Überwachungsvorhaben an, bei denen er offenbar Schwerpunkte setzen will. Dazu gehört für Alexander Dobrindt (CSU) die Vorratsdatenspeicherung.

Am 16. Mai 2025 kündigte er in der Aussprache zur Regierungserklärung des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz im Bundestag an, Telekommunikationsdienste-Anbieter die Speicherung aller IP-Adressen vorschreiben zu wollen, „um schwere Kriminalität zu bekämpfen“. So hatten es die drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag verabredet. Die Vorratsdatenspeicherung soll demnach IP-Adressen und Portnummern umfassen und für drei Monate verpflichtend werden.

Er wolle „den Werkzeugkasten“ von Polizei und Geheimdiensten „deutlich erweitern“, sagte Dobrindt. Bei schwerer Kriminalität seien IP-Adressen „oft der einzige Ermittlungsansatz“, erklärte der neue Innenminister. Die alle Internetnutzer betreffende Datenspeicherung ohne konkreten Anlass solle den Ermittlungsbehörden helfen.

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Dobrindt kündigte zugleich in enger Anlehnung an den Koalitionsvertrag an, der Bundespolizei die Nutzung von Staatstrojanern („Quellen-TKÜ“) zu ermöglichen und die Befugnisse der Geheimdienste auszuweiten, insbesondere beim Datenaustausch. Zudem plant er, mit „Künstlicher Intelligenz“ große Datenmengen „effizienter auszuwerten“. Gemeint ist damit die automatisierte Datenanalyse über die riesigen Polizeidatenbestände hinweg.

Wissenschaftliche Belege? Fehlanzeige

Die Vorratsdatenspeicherung wird in Deutschland nicht praktiziert. Wir haben daher das Bundesministerium des Innern, die SPD und die demokratischen Oppositionsparteien im Bundestag gefragt, ob sich die Erkenntnislage nach mehr als zwei Jahrzehnten Streit um diese Form der Massenüberwachung verändert hat. Sind mittlerweile wissenschaftliche Untersuchungen aus Europa bekannt, die belegen, dass die anlasslose Speicherung von IP-Adressen und Portnummern der polizeilichen Ermittlungsarbeit bei schwerer Kriminalität hilft?

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums antwortet auf diese und mehrere weitere Fragen von netzpolitik.org nicht. Man befinde sich derzeit „in ressortübergreifenden Abstimmungen zur Umsetzung des Koalitionsvertrages“. Die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs bei der Einführung der IP-Adressen-Speicherpflicht sollen berücksichtigt und eine verhältnismäßige und europa- und verfassungsrechtskonforme Regelung geschaffen werden, so die Sprecherin.

Konstantin von Notz (Grüne). - Alle Rechte vorbehalten Stephan Pramme

Die Opposition hat dazu deutlich mehr zu sagen. Innenpolitikexperte Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, macht auf Nachfrage von netzpolitik.org deutlich, dass ihm „kein wissenschaftlicher Nachweis“ bekannt sei, der Dobrindts „sicherheitspolitische Heilsversprechen belegen könnte“. Das gelte auch für diejenigen europäischen Länder, in denen IP-Adressen und Portnummern anlasslos gespeichert werden müssen.

Die Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung sei das „Faxgerät unter den Überwachungsmaßnahmen“ und dennoch seit vielen Jahren immer das Erste, was der Union einfiele, „wenn man Entschlossenheit suggerieren möchte“, so von Notz. Wer aber „in derart großem Stil in die Freiheitsrechte seiner Bürgerinnen und Bürger eingreifen möchte“, der müsse auch nachweisen können, dass sich dieser Eingriff lohnt und dass er verhältnismäßig ist. Die vielzitierte wissenschaftliche Untersuchung des Max-Planck-Instituts aus dem Jahr 2012 aber zeige, „dass die anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten nicht zu höheren Aufklärungsquoten bei schweren Verbrechen führt“.

„Das absolut Notwendige“

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Dauer einer anlasslosen Speicherung von IP-Adressen „auf das absolut Notwendige“ beschränkt. Auf die Frage, ob die drei Monate, die im Koalitionsvertrag als Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern vereinbart wurden, aus Sicht des Bundesinnenministeriums „das absolut Notwendige“ seien, antwortet Dobrindts Haus nicht.

Zu Bedenken gibt von Notz hingegen, dass eine dreimonatige Speicherdauer sogar aus Sicht von Ermittlern überzogen sei: „Selbst das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass die Erfolgsquote oberhalb einer Speicherdauer von zwei bis drei Wochen ‚nicht mehr signifikant‘ ansteigt.“ Die vorgesehenen drei Monate seien daher mit der Vorgabe des EuGH, die Speicherung auf den absolut notwendigen Zeitraum zu begrenzen, und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „nicht vereinbar“.

Clara Bünger (Linke), Landesparteitag Die Linke Sachsen.
Clara Bünger (Linke). - CC-BY 2.0 Helge Eisenberg

Clara Bünger antwortet für die Partei Die Linke ebenfalls mit Verweis auf das BKA. Eine einmonatige Speicherfrist würde nach BKA-Angaben in neunzig Prozent der Fälle zur Identifikation bereits ausreichen. Bei einer schnellen Reaktion von Polizei und Strafverfolgungsbehörden reichten „auch heute meist schon die von den Providern aus Sicherheitsgründen für etwa sieben Tage gespeicherten IP-Adressen“.

Bünger gibt auf die Frage nach Belegen durch wissenschaftliche Untersuchungen an, dass keine neueren Studien bekannt seien, die den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung bei schweren Straftaten belegen würden. Sie sagt: „Das von Sicherheitsbehörden hierzu produzierte Wissen ist oft eher anekdotischer Natur“. Gar nicht in den Blick genommen würden etwa „die Effekte der Einführung einer IP-Adressdatenspeicherung wie das Ausweichen auf Anonymisierungsdienste“.

Auch von Notz sieht das Problem, dass „sich die IP-Adressenspeicherung durch die Nutzung eines VPN-Tunnels einfach umgehen lässt“. Also könne man damit „ohnehin nur Amateure erwischen“.

EuGH-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung

CSU-Mann Dobrindt setzt sich seit mehr als einem Jahrzehnt für eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung ein – bislang ohne Erfolg. Als Minister zitierte er in seiner Rede nun den EuGH, der über eine Erhöhung der „Gefahr der systemischen Straflosigkeit“ gesprochen habe, wenn IP-Adressen nicht gespeichert werden dürften. Diese „systemische Straflosigkeit“ wolle Dobrindt nicht zulassen.

Der EuGH hatte in einer Plenarentscheidung 2024 sein vorerst letztes Urteil zur anlasslosen Massenüberwachung von Kommunikationsdaten der gesamten Bevölkerung gesprochen. In dieser Entscheidung ging es um die französische Hadopi-Behörde, deren Mitarbeiter mit Hilfe von IP-Adressen Verdächtige von Urheberverwertungsrechtsverletzungen ausfindig machen. Zu anderen Zwecken dürfen die IP-Adressen nicht verwendet werden, insbesondere nicht zur Profilierung des Surfverhaltens, so das Höchstgericht.

Der EuGH stufte den Grundrechtseingriff als nicht so schwerwiegend ein, wenn es allein um die Identifizierung geht, und ließ damit erstmals eine Tür für eine anlasslose Massendatenspeicherung offen. Er betont allerdings, dass die Vorratsdatenspeicherung nur allein deshalb gewährt werden darf, „damit die Behörde die Inhaber dieser [IP-]Adressen identifizieren kann“.

Wir haben daher das Bundesinnenministerium gefragt, wie bei der verpflichtenden Speicherung aller IP-Adressen und Portnummern mit der Gefahr umgegangen werden kann, dass umfassende Profile über Nutzerinnen und Nutzer erstellt werden könnten. Wir wollten vom Ministerium auch wissen, wie gesichert werden kann, dass die IP-Adressen nicht mit anderen gespeicherten Daten verknüpft werden. Darauf hat Dobrindts Haus unter Verweis auf die Ressortabstimmung nicht geantwortet.

Die Pläne der Regierungskoalition sind mit dem EuGH-Urteil wohl nur schwer in Einklang zu bringen. Der Grüne von Notz erklärt, für den neuesten Anlauf von Union und SPD konnte ihm noch „niemand erklären, wie man plant, die Vorgaben der Gerichte einzuhalten“. Diese höchstrichterlichen Vorgaben betreffen die Fragen, „wie Profilbildungen ausgeschlossen werden können“ und wie der „Schutz von Berufsgeheimnisträgerinnen und -trägern“ gewährleistet werden kann. Außerdem bezöge sich die Rechtsprechung des EuGH gerade nicht auf die Speicherung von Portnummern, „diese vertieft den Eingriff aber erheblich“.

Bünger von den Linken sieht die Gefahr eines umfassenden Profils über Nutzerinnen und Nutzer „als real“. Wenn die Infrastruktur zur längerfristigen Speicherung von IP-Adressen und Portnummern einmal geschaffen ist, könnte „die rechtliche Grundlage problemlos in Richtung einer behördlichen Profilerstellung erweitert werden“. Sie erinnert in diesem Zusammenhang an die „Debatten um automatisierte Datenanalysen der Polizeibehörden“. Dobrindt hatte diese Datenanalysen in seiner Rede unmittelbar nach der Vorratsdatenspeicherung angesprochen.

Die neue Bundesregierung würde den Praktikerinnen und Praktikern in den Behörden keine Rechtssicherheit für ihre wichtige Arbeit geben, so von Notz, sondern nur ein „Instrument, das ihnen mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit von Gerichten wieder genommen wird“. Er verweist auf die „effektive, grundrechtsschonende und rechtssichere Alternative“, nämlich den Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums zur Einführung des Quick-Freeze-Verfahrens. Das könne der Bundesregierung „eine mögliche weitere peinliche Niederlage vor Gericht ersparen“.

„Ein Aufwand, der gewaltige Ressourcen kostet“

Branchenverbände der Telekommunikationsunternehmen wie Bitkom und eco warnen vor der Einführung der Vorratsdatenspeicherung. Das Unternehmen SpaceNet, das vor dem Europäischen Gerichtshof zusammen mit der Deutschen Telekom erfolgreich gegen die frühere gesetzliche Regelung vorgegangen war, sieht die aktuellen Ideen Dobrindts als einen „bedenklichen Rückschritt im Ringen um informationelle Selbstbestimmung“. Das Vertrauen der Bevölkerung würde strapaziert, außerdem würden „die Rahmenbedingungen für inländische Anbieter“ weiter verschärft.

Welche Belastungen nach der Einführung einer Massenspeicherung für die verpflichteten Unternehmen und für die Gesellschaft zu erwarten wären, wollten wir vom Bundesinnenministerium wissen. Eine Antwort darauf gab es nicht.

SpaceNet weist darauf hin, dass „Provider jeden Tag durchschnittlich mehrere Millionen Datensätze speichern, sichern und vorhalten“ müssten. Das sei „ein Aufwand, der gewaltige Ressourcen kostet und dann auch einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die CO2-Bilanz“ hätte.

Wie teuer die Vorratsdatenspeicherung die betroffenen Unternehmen finanziell zu stehen käme, ist keine einfache Frage. Bünger von Die Linke verweist auf einen früheren Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Die damalige Bundesregierung konnte 2018 keine eigene Einschätzung abgeben, sondern stützte sich auf Angaben der Branchenverbände. Demnach seien „Implementierungskosten von einigen 100 Millionen Euro und jährliche Betriebskosten im oberen zweistelligen Millionenbereich“ zu erwarten gewesen. Seit dieser Kostenschätzung aus dem Jahr 2018 seien aber „mögliche Kostensteigerungen“ einzukalkulieren, so Bünger.

Das stellt der aktuelle Gesetzentwurf des Bundesrats für ein Gesetz zur Einführung einer Mindestspeicherung von IP-Adressen für die Bekämpfung schwerer Kriminalität (pdf) vom November 2024 jedoch anders dar: Den betroffenen Telekommunikationsdienste-Anbietern entstünde bei der Einführung der verpflichtenden Massenspeicherung von IP-Adressen und Portnummern „kein wesentlicher Mehraufwand gegenüber der bereits überwiegend durchgeführten freiwilligen Speicherung der IP-Adressen von bis zu sieben Tagen“, heißt es darin lapidar. Diese Aufwandsschätzung grenzt an einen Taschenspielertrick, denn längst nicht alle betroffenen Unternehmen speichern IP-Adressen und Portnummern freiwillig. Zudem wurde dieser angeblich nicht bestehende Mehraufwand „sowohl gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Vorratsdatenspeicherung als auch gegenüber der Einführung einer Sicherungsanordnung (Quick Freeze)“ berechnet.

Beides jedoch ist für Telekommunikationsdienste-Anbieter nicht verpflichtend. Das anlassbezogene „Quick Freeze“ kam aus dem Stadium des Gesetzentwurfs nicht heraus und die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung waren bereits seit dem Urteils des EuGH vom 20. September 2022 unionsrechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Urteil vom 14. August 2023 außerdem eindeutig klar, dass die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden dürfen.

Was sagen die Sozialdemokraten?

Wer nun gern wissen würde, wie die mitregierenden Sozialdemokraten zu all dem stehen, wird enttäuscht. Auf Fragen von netzpolitik.org konnte die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag auch nach telefonischen und schriftlichen Nachfragen innerhalb von einer Woche nicht antworten.

Fest steht: Die Sozialdemokraten sitzen bei der Vorratsdatenspeicherung nicht so fest im Sattel wie die Union und Dobrindt. Das zeigt ein Blick in das SPD-Strategiepapier zur sozialdemokratischen Digitalpolitik (pdf). Es ist gerade einmal zwei Jahre alt.

Darin verspricht die SPD noch vollmundig:

Das Umgehen oder Aufbrechen von Verschlüsselung […] lehnen wir ebenso ab wie die anlasslose Speicherung von Daten oder eine anlasslose Kontrolle digitaler Kommunikation. Sie stellen […] die Grund- und Freiheitsrechte in Frage und stören empfindlich das Vertrauensverhältnis der Bürger gegenüber dem Staat.

Doch diese anlasslose Datenspeicherung, sogar in massenhaftem Umfang, plant der Innenminister nun umzusetzen. Bei den Sozialdemokraten herrscht dazu Schweigen im Walde.

33 Ergänzungen

  1. Die bestehen Regeln sind m. E. völlig ausreichend. Sie müssen nur angewendet werden. Wie schon im Artrikel kann jeder der sich ein bisschen auskennt die Identität verschleiern. Die „Großen“ bekommt man damit nicht. Und außerdem trifft die Speicherung uns ALLE. Auch unser Kinder die Online sind (sei es für Schule oder beim surfen).

  2. „Bei schwerer Kriminalität seien IP-Adressen „oft der einzige Ermittlungsansatz““

    Soso… Mord, Erpressung, Vergewaltigung, Drogenhandel… Da gibt es keine anderen Ermittlungsansätze als die IP-Adresse? Steile These – aber was erzählt man nicht alles, um eine Totalüberwachung schmackhaft zu machen. Man muss es nur oft genug wiederholen – ceterum censeo…

  3. Eines verstehe ich nicht:
    Soweit ich es verstanden hatte, ist der Ablauf bzgl VDS doch:
    1. Provider speichert die Daten über Max Mustermann für einen gewissen Zeitraum (z.B. 1 Monat)
    2. Max Mustermann ist wegen was auch immer auffällig geworden und ins Visier von Ermittlern / Strafverfolgern geraten.
    3. Diese Fragen beim Provider an, um zu prüfen, auf welchen Webseiten usw Max im Zeitraum der Speicherung aktiv war.

    Wenn ich nun aber das hier lese
    „… Richtung einer behördlichen Profilerstellung erweitert werden.
    Sie erinnert in diesem Zusammenhang an die „Debatten um automatisierte […] in seiner Rede unmittelbar nach der Vorratsdatenspeicherung angesprochen.“
    Was bitte soll das werden?

    Wenn es nur Daten zu einer bestimmten Person für z.B 1 Monat wären, wo braucht es da eine automatische Datenanalyse?
    Selbst wenn jetzt – sagen wir 10000 – Leute gerade im Visier sind – die Gründe dafür sind garantiert nicht bei allen 10000 die selben. Jeder Fall wäre individuell.

    Was also genau hat der vor?
    Will er alle Vorratsdaten zu jeder Person permanent sammeln, und die Strafverfolger kippen die dann allesamt in eine KI oder ein sonstiges System zur Profilerstellung einer jeden Person oder was?

    1. Das ist so zu verstehen wie ich das schon mal erwähnte. Man verwendet zum Trainieren IPs von bekannten strafbaren Inhalte und erstellt dann von Nutzern Profile. Die einen Verdacht erhärten um weitere Maßnahmen einzuleiten, wie in China einen Score Wert ermitteln. Die jetzige Verfahrensweise ist ja jene das die Behörden das Ziel mit Strafbaren Inhalten durchsuchen müssen und dann für jede IP beim Provider anfragen müssen wer dem Anschluss zugeordnet war. Man dreht den Spieß einfach um und macht den Einstieg für solche Maßnahmen besonders niedrig. Wir erinnern uns Hausdurchsuchungen wegen einer einfache Beleidigung sind kein Thema mehr. Dobrindt will genau das die SPD immer wieder verleugnet. Wir nutzen dann VPN oder fluten die Listen mit Scripten und dann bin ich gespannt wie die Telekommunikationsunternehmen mit diesen Massen an Daten umgehen. Als Kunde darf man dann nicht nur die alte teure Kupferleitung bezahlen sondern auch noch den technischen Aufwand zur Massenüberwachung aller. Die Zivilgesellschaft sollte jetzt schon mal Geld sammeln um Dobrindt Pläne zu stoppen. Interessant wäre noch die Frage wie viel Zeit Telekommunikationsunternehmen für die Umsetzung benötigen würde?

    2. Sie haben den Bestfall aus der Werbung für Quick-Freeze im Sinn. VDS ist alles immer eine Zeit lang speichern, entsprechend mit allen dafür geltenden Risiken.

      1. Nein, das meinte ich nicht. Dass bei VDS alles anlasslos über jeden gespeichert wird für einen gewissen Zeitraum und bei Quick Freeze anlassbezogen, nachdem was passiert ist, das weiß ich.

        Ich wollte mit meiner Aussage eher auf den Zugriff der Strafverfolger auf die Daten hinaus, nicht auf die Speicherzeitpunkte / -fristen.

        Denn so wie ich die VDS verstehe, wird zwar anlasslos gespeichert, aber GEPRÜFT von den Strafverfolgern wird erst, wenn es einen Anlass gibt, sprich (anhand von einem Beispiel):
        Es wurden Daten über Max Mustermann 3 Monate gespeichert. Innerhalb dieses Zeitraums (oder auch kurz danach) wurde über Max Mustermann eine Straftat gemeldet / bemerkt -> Strafverfolger prüfen mittels VDS: Ok, was hat der letzten Monat über getrieben, mit wem war er in Kontakt, auf welchen Webseiten war er usw?

        Das ist aber ein ganz anderes Szenario, als die Daten nicht nur anlasslos zu speichern, sondern sie auch noch anlasslos(!!) in irgendwelche (KI-)Systeme zu kloppen, um das für eine Persönlichkeitsanalyse bzw -profile nutzen. Denn das würde immer geschehen, egal ob man im Verdacht ist oder nicht.
        Und das ist es, worauf ich hinauswill. Wenn ich Daten nur speichere, ohne sie in böser Absicht zu verwenden ist das- jetzt mal von Datenschutz abgesehen – nicht schlimm.
        Hier aber aufgrund jeder besuchten Webseite usw ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen ist eine ganz andere Liga an Grundrechtsverletzungen

        1. Das ist in der Tat eine der Gefahren.

          Der EUGH hat zwar irgendwie Profilbildung verboten, aber in einem Falle eines Anlasses kommt es natürlich auf die dann bestehende oder auch unterlassene Gesetzgebung drauf an, wie weit fächernd die Ermittlungen dann dabei kurz mal so gehen können, über relevante Zeiträume hinaus, sowie mögliche Kontakte. Die Gesetze liegen noch nicht auf dem Tisch, soweit wäre vielleicht die Verhältnismäßigkeit für so einige relative Horrorszenarien nicht gegeben, doch was wurde nicht schon alles zurückgepfiffen…

    3. Eine durchaus interessante Frage. Es ist aber eher davon auszugehen, dass es erst mal einfach nur um das massenhafte Sammeln von Daten geht um die dann irgendwann irgendwie auswerten zu können.

    4. Mir ist auch nicht recht klar worauf das hinauslaufen soll. Vielleicht ist es einfach nur blinder Aktionismus eines freidrehenden Dobrinds. Oder es steckt wirklich mehr dahinter? Falls ja, wäre es ja noch absurder anzunehmen, dass das Vorhaben im Einklang mit geltendem Recht sein könnte.
      Eigentlich geht das hier ja noch nicht einmal mit der Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen:
      > 3. Diese Fragen beim Provider an, um zu prüfen, auf welchen Webseiten usw Max im Zeitraum der Speicherung aktiv war.

      Hierfür müssten ja auch sämtliche Verbindungen gespeichert werden und die sind ja nicht Teil der Vorratsdatenspeicherung, oder soll sich das ändern?

      1. Doch genau das ist Ziel der Vorratsdatenspeicherung.
        Wer hat Wann mit Wem(hier fallen auch Webseiten drunter) über welches Medium kommuniziert.
        Noch sollen die Inhalte selbst nicht erfasst werden. Nur wo man sich im Netz rumtreibt und mit wem man kommuniziert.

    5. Die Lage bzgl. Varianten, Koalitionsvertrag, EUGH, Verwaltungsgericht etc. stellt der Artikel eigentlich dar. Der Artikel macht damit auch klar, das Herr D. mit seinen Formulierungen nicht zu viel geklärt hat.

      KI ist ein anderes Thema. Gemeint sind aber wohl die im Artikel erwähnten Polizeidatenbestände, während der EUGH bzgl. Profilierung des Surfverhaltens wohl bereits geurteilt hat, laut Artikel.

      Der Artikel erwähnt ja nicht umsonst den Koalitionsvertrag, wo 3 Monate gefordert werden, und das sicherlich pauschal, wenn man die CDU bzgl. ihrer Bösartigkeitshistorie ernst nimmt.

      Ob jetzt auf magische Weise doch eine Variante von Quick-Freeze gemeint ist, obwohl es da nicht steht – einfach Punkte abziehen (Kompetenzpunkte, Gutewillenpunkte). Es bringt einfach nichts, hier „the benefit of the doubt“ zuzugestehen, vgl. Vorgänge in den USA. „Grillen und Rösten“ funktionieren dahingegen relativ zuverlässig, wenn die Politik diese Wieselbahnen beschreitet.

  4. „Wenn es nur Daten zu einer bestimmten Person für z.B 1 Monat wären, wo braucht es da eine automatische Datenanalyse?“

    Kommt auf die Menge an Daten an. (Legale) plattformübergreifende Suchanfragen, Views und Posts um den „Tatbestand“ zu „erhärten“ – wie man so sagt. Diese Profile, sofern sie dann kommen sollten, würde sicher länger gespeichert und über besagten Monat hinaus kontinuierlich weiterentwickelt werden. KI wird in in dieser Hinsicht attraktiv um Verantwortung abzuschütteln: „Kein menschlicher Ermittlungsfehler – Der Computer war’s!“

    Hier geht es in erster Linie darum, einen Fuß in die Tür zu stellen – möglichst weit in den Raum der Grundrechte hinein. Bleibt die gesellschaftliche Immunreaktions aus…Minority Report bis 2030 :)

    1. Genau den Verdacht hab ich nämlich auch…
      Nur würden gerade Posts auch weit über das hinausgehen, was die -zumindest von offizieller Seite – immer fordern.
      Das wäre dann zusätzlich quasi Chatkontrolle light

  5. Die sozialdemokratische Ampel-Innenministerin Faeser hatte die Vorratsdatenspeicherung doch ihrerzeit einführen wollen. Da sieht man doch ganz deutlich, wie die Sozialdemokraten zu dem Thema stehen.

  6. Das VPN das obsolet machen ist doch Teil der Strategie, denn wenn Gesetze bewusst umgangen werden können dann hat der Gesetzgeber eine „Gesetzeslücke“ entdeckt die es dann zu beheben gibt. Denn das Gesetz muss ja sein legitimiertes Ziel verfolgen können.

    Somit is en Verbot von anonymisierungsdiensten bzw. eine staatliche Hintertür für solche Angebote vorprogrammiert.

    1. Nicht unbedingt sondern VPN Anbietern muss man ohnehin noch mehr vertrauen. Es sagt ja niemand das diese nicht verpflichtet werden die Daten zu speichern. In dem Umfang ist dies für Anbieter innerhalb der EU aber er unwahrscheinlich und Auskunftsersuchen von Strafverfolgungsbehörden laufen auch innerhalb der EU nicht ins leere. Die meisten VPN Dienste erfassen IP und Ports ohnehin schon auch wenn sie nach außen immer so tun als ob alles total anonym wäre. Letzt endlich fordern Behörden von diesem dann die Daten heraus. Weder VPN noch Tor garantieren Anonymität.

      1. Proton VPN hat mehrere Auditd hinter sich die eine No-Log policy bestätigt. Sie geben nur das raus was sie können und das ist meist wertlos, da sie selber nichts sehen können.

      2. Bei der Nutzung von Tor oder wirklich anonymen VPNs kann die Vorratsdatenspeicherung nichts ausrichten. Die Nutzung müsste schon verboten werden. Aber es stimmt natürlich, dass trotzdem keine Anonymität garantiert werden kann, was aber eher an möglichen „Fehlern“ der User liegt als an der Technik.

    2. „Somit is en Verbot von anonymisierungsdiensten bzw. eine staatliche Hintertür für solche Angebote vorprogrammiert.“

      Nur wie soll das mit (Europäischem) Recht vereinbar sein???

      1. Die EU fordert doch selber permanent Massenüberwachungen. Der EUGH weicht die Grundrechte auch sehr langsam auf indem es bspw. kein pauschales Verbot einer Massenüberwachung mehr verteidigt.

    1. Liberalere Zeiten in der politischen Debatte, bedankt für die Erinnerung. Hat sich seitdem eigentlich irgendwas verbessert?
      Die mir täglich deutlichst auffallende Verschlechterung ist jedenfalls das Fehlen des Verbotes der anlasslosen Überwachung des öffentlichen Raumes aus dem alten Bundesdatenschutzgesetz!

  7. Und wieder Mal zeigt sich: Wer die Union wählt, wählt einen law-and-order-Überwachungsstaat, in dem jeder unter Generalverdacht gestellt wird.
    Für was stehen nochmal das „C“ und das „D“ bzw „S“?

    1. Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben. (Walter Benjamin)
      Das Zitat ist der Schlussatz in Herbert Marcuses Werk, der eindimensionale Mensch.

  8. Aus meiner Sicht fällt in den Debatten der letzten Jahre leider unter den Tisch, dass es für diese Art von identifizierenden Merkmalen noch mehr Interessenträger gibt, als die Argumentation, die eine Verfolgung schwerer Straftaten angibt.
    Wenn die Daten erst mal verfügbar sind, wird die Abwägung der Interessen im Einzelfall erfolgen. Das gibt die oben zusammengefasste EuGH-Rechtsprechung her, und bei einem neuen Gesetz würden diese Interessen bedient werden. Es wird bei einem neuen Gesetz wieder nur die höchstrichterliche Instanz Einschränkungen vorgeben. Der vom EuGH genannten Grenze nach würde dann vielleicht nur noch die verdachtsunabhängige automatisierte Verarbeitung beschränkt, solange der „Datenschutz“ eingehalten wird, während der EuGH damit bereits die DSGVO und den Grundsatz der Datensparsamkeit aushöhlt.
    Entlang der Maximalforderung von Dobrindt lässt sich damit bereits vorhersehen, was sich in Sachen Vorratsdatenspeicherung künftig erhahnen lässt.

  9. Warum kommt Herr D denn bitte damit durch. VDS wurde doch schon mehrfach kassiert. Es kann doch nicht sein. Ich habe verstanden das es nicht rechtens ist, warum kann er noch politisch aktiv sein wenn er was fordert was gegen recht ist?

    1. Weil die Union für eine hässliche Klientel Politik steht. Die Kommentare hier sind nicht die breite öffentliche Meinung. Das Grundrechte über Generationen von der Zivilgesellschaft erkämpft wurden ist in der breiten Masse der Gesellschaft verloren gegangen. Beim Wohlstand im jeden Preis und da ist jedes Mittel recht. Die Zivilgesellschaft hat es einfach verlernt sich mit Politik zu beschäftigen, sonst wäre Dobrindt kein Minister geworden. Das Thema ist ja auch nicht einfach zu vermitteln wer weis schon was eine IP oder gar Portnummer ist? Ich unterstelle auch das weis nicht einmal Dobrindt. @Netzpolitik.org es ist Aufgabe der Medien das so zu publizieren das ein einfacher Bürger dies versteht. Niemand will das anlasslos drei Monate gespeichert wird auf welche Dienste dieser zugegriffen hat.

    2. Keine Angst. „Herr D“ ist nicht dafür bekannt, seine „Ideen“ auch umzusetzen. Er ist dafür bekannt, große Versprechen, auch gegen EU-Recht zu machen und dann den Steuerzahler auf den Kosten sitzen zu lassen.

      1. > Er ist dafür bekannt, große Versprechen, auch gegen EU-Recht zu machen

        Exakt! Dass es sich um agitatorische Versprechen handelt, bemerken die einen. Die am anderen Ende der Verdummten-Skala bemerken es später, wenn überhaupt. Das freilich führt zu noch größerem Frust, und treibt jene noch mehr zur Alternative für Dumme.

        Herr Dobrindt, als Akteur der „Konservativen Revolution“, treibt diese voran und gefährdet damit Demokratie und Rechtsordnung.

  10. als soziologe bin ich schwer enttäuscht von diesem mann und fachkollegen. wohin massenüberwachung führt sollten gerade wir es besser wissen. zugegeben war ich auch ziemlich geschockt als ich das erste mal gelesen habe das herr d. soziologe ist. nur so „das kann doch nicht wahr sein„

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