Der CSU-Politiker Alexander Dobrindt soll neuer Bundesinnenminister werden. Ein neues Feld für den Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Das Ministeramt hingegen kennt er bereits: Von 2013 bis 2017 war er Verkehrs- und damit auch der erste deutsche Digitale-Infrastruktur-Minister.
Die Rückblicke auf seine ministerielle Leistung waren seinerzeit jedoch eher wenig lobpreisend: Mit „Dobrindts größte Desaster“ überschrieb das Manager-Magazin eine Fotostrecke, „Vier Jahre Geisterfahrt“ lautete das Resümee des Tagesspiegels. Gemeinsam mit seinem Nachfolger Andreas Scheuer hinterließ er ein Pkw-Maut-Desaster, das letztlich in einem Untersuchungsausschuss mündete.
Der Bundesrechnungshof attestierte, dass Dobrindts damaliges Ministerium beim Aufbau der Abteilung „Digitale Gesellschaft“ schwere Fehler begangen habe. Es seien „wesentliche Grundsätze eines geordneten Verwaltungshandelns nicht beachtet“ worden und es habe an einer „strukturierten Vorgehensweise“ gemangelt.
„Konservative Revolution“ und „Migrationswende“
Ob Dobrindt sich in den acht Jahren seit seinem letzten Ministeramt notwendige Kompetenzen angeeignet hat, lässt sich derzeit nicht beurteilen. Inhaltlich liegt er jedoch ganz auf dem Law-and-Order-Kurs der Koalitionäre, der im Koalitionsvertrag deutlich geworden ist. Beim Thema Asyl etwa kündigte Dobrindt an, er wolle die „Migration vom Kopf auf die Füße stellen“. Ganz passend zu seinen Äußerungen von 2018, als er eine „konservative Revolution“ ausrief und von „linken Mainstreameliten“ und „Volkserziehern“ fabulierte.
Wenn es um Überwachungsbefugnisse geht, änderte sich Dobrindts Haltung in der Vergangenheit schon mal. 2012 forderte er die FDP auf, der Vorratsdatenspeicherung zuzustimmen. Wenig später wollte er sie unter dem Eindruck des von Edward Snowden ausgelösten NSA-Skandals nochmal neu bewerten. Dieser kurze Anflug des Zweifelns dürfte sich mittlerweile aber längst wieder verabschiedet haben.
Dobrindt soll Hauptautor eines CSU-Papiers aus dem Jahr 2020 sein, das einen „Sieben-Punkte-Plan gegen islamistischen Terror“ formuliert. Darunter: verschärfte Grenzkontrollen, eine europäische Anti-Terror-Datei, ein europaweites Überwachungssystem für Gefährder und mehr Staatstrojaner-Befugnisse.
Verbal brachial
In Sachen Kampf gegen den Rechtsextremismus zeigte sich Dobrindt bislang eher zahnlos: Ein Verbot der rechtsradikalen Partei AfD lehnte er zuletzt ab, beim Einreißen der Brandmauer durch Friedrich Merz im Januar sagte er: „Das Problem ist nicht die Zustimmung der AfD. Das Problem ist Ihre Verweigerung, die von SPD und Grünen, zu unseren Anträgen.“ Er teilte gegen die Grünen aus, die er als „Brandbeschleuniger für die AfD“ bezeichnete und ihnen so die Schuld für den Aufstieg und Erfolg der Partei gab.
Verbal brachial geht er auch gegen ihm links erscheinende Gruppen vor. Im Bezug auf die Klimaaktivist:innen von der Letzten Generation warnte er gar vor der „Entstehung einer Klima-RAF“, die verhindert werden müsse und forderte härtere Strafen etwa für Straßenblockaden.
Zeit Online schrieb jüngst über Dobrindt, er habe eine Wandlung durchgemacht – vorher der „alte, populistisch grantelnde Dobrindt“, nun ein „Grünen-Flüsterer“ und „Kanzlermacher“. Wieviel Wandlung da ist und ob er das Innenministerium mit weniger Schäden führt als zuvor das Verkehrsressort? Wir werden es sehen.
Der Journalist Thomas Assheuer bezeichnet Mohlers Arbeit als „Verkaufstrick“ in der Absicht, ein politisches Bündnis der Rechtsradikalen mit den Konservativen der Bundesrepublik zu ermöglichen:
„Die hochaggressiven Traditionsbestände sollten nicht mehr als rechts, sie sollten fortan als konservativ etikettiert werden. […] Das alte Gedankengut [wurde] säuberlich vom Faschismusverdacht gereinigt und dem Publikum als normale konservative Grundnahrung schmackhaft gemacht.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Konservative_Revolution#Wissenschaftliche_Rezeption_des_Begriffs
Danke für den Artikel, und Danke für den Hinweis auf „Konservative Revolution“.
Wenn Alexander Dobrindt zu erkennen gibt, wie er so „tickt“, dann sind das tiefe Einblicke, hinter die Fassade eines Politikers, die Methoden und Denkstrukturen offenbaren.
Dobrindt macht sich das Denken von Armin Mohler zu eigen, welcher 1949 eine Dissertation mit dem Titel „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918 – 1932“ verfasste, die er später zu einem Handbuch erweiterte. Mohler versuchte aus verschiedensten Autoren des deutschen Radikalnationalismus eine eigenständige Denkschule zu entwickeln, die vorgeblich nichts mit dem Dritten Reich und den Nazis zu tun haben sollte, wohl aber darauf aufbaut.
Wenn Leute wie Dobrindt also harmlos „konservativ“ erscheinen wollen, dann beabsichtigen sie eine veritable Täuschung, eine Täuschung über ihre strammen rechtsnationalen Absichten.
danke fürs einordnen giftige Konserve
Gut, damit wäre das Thema Chatkontrolle wohl erledigt.
Ich bin mal gespannt auf die Umsetzung unter der Prämisse, dass ein Mensch sich mittels Nutzung von quelloffenen Messengern gegen die Implementierung von client side scanning wehren kann und wird. Weiß jemand zufällig wie die Nutzerbasis unter dem Blickwinkel federierter Server zu verstehen ist wie bei Mail oder Matrix?
Mit Chatkontrolle droht dann eben Verbot und Kriminalisierung sicher verschlüsselnder OpenSource Software. Da ist nunmal gar nix positives mehr zu erwarten von CDU und Konsorten.
Ja das ist die logische Konsequenz. Logische Stichhaltigkeit misse ich jedoch in der Chatkontrolldebatte von den Beführwortend vollens.
Nur die Umsetzung und Durchsetzung würde mich interessieren. Sind dann Strichprobenartige Untersuchungen auf „verbotene Kommunikationssoftware“ für Informationsverarbeitende Systeme abzusehen? Leider vergesse ich unter Stress sämtliche Pins und Passwörter :(
Von außen lässt sich nicht einsehen ob durch einen TLS Tunnel eine Software kommuniziert welche client side scanning implementiert oder nicht. Es bleibt spannend.
Darf ich die tools `netcat` und `openssl` behalten, mit welchen ich technisch mit prinzipbedingt jedem Messenger „manuell“ kommunizieren kann?
Wundern würde es nicht.
Dann werden über kurz oder lang andere Wege gefunden – zumindest bei den Leuten, die am meisten Wert auf ihre Sicherheit legen und nicht auf hopplahopp
Juristisch ist eine VDS und Chatkontrolle in Deutschland nicht haltbar. Man möge „Kinderpornographie“ gerne als „Schwere Straftat“ i. S. d StGB sehen, aber diese Ansicht kann man nur haben, wenn man nicht weiß was denn alles „Kinderpornographie“ ist.
Man kann daher sämtliche dieser Eingriffe mit guten Aussichten bekämpfen. Denn es werden nicht in allen Fällen des Paragraphen Persönlichkeitsrechte geschützt.
All das neben: Verhältnismäßigkeit, Datenschutz, das Recht auf Privatsspähre.
In dem Artikel geht es größtenteils nur um Migration. Was ist in den über 20 Jahren seiner Politik was von Digitalem hängengeblieben? Dachte, wir beschäftigen uns hier um Netzpolitik?
Auf dem inhaltlichen Vorwand rassistischer Ressentiments lassen sich datenschutz- und netzpolitische Rechte und Errungenschaften hervorragend abbauen und der Rückbau von Freiheitsrechten legitimieren.
Das entspricht der progressiv-linken Linie „wir und offene Grenzen, oder CDU/AfD“. Das Ergebnis ist klar.
Dobrindt macht was.
Und die Linken kommen garnicht aus der Schnappatmung heraus, dass der einfach was macht. Das war undenkbar, dass jemand einfach was machen koennte. Und man hatte sich doch so bequem darin eingerichtet, dass man nichts machen aber konsequent fordern koenne.
Die Wirkung darf man mE nicht unterschätzen. Was Dobrindt da vormacht, wollen 80% der Wähler. Wenn ein Gericht das kassieren sollte, werden diese 80% das Problem nicht bei Dobrindt sehen, sondern bei dem zu Grunde liegenden Gesetz oder dem Gericht. Und sie werden entsprechend wählen, um das zu ändern. Denn es geht, wenn man will.
„etwas gut machen, und die Würde und Menschenrechte beachten, Minderheiten respektieren, mit der Macht verantwortungsvoll umgehen“
Zum einen wird Dobrindt natuerlich sagen, dass er genau das tut.
Zum anderen ist auf dieser abstrakten Ebene alles einfach zu sagen und nichts zu machen. Also: was hiesse das konkret?
> Dobrindt macht was.
Ach, „macht was“ genügt Dir? Hauptsache, irgendwas? Wie einfältig.
Ich hätte da schon noch Ansprüche, nämlich etwas gut machen, und die Würde und Menschenrechte beachten, Minderheiten respektieren, mit der Macht verantwortungsvoll umgehen. …
„Dobrindt macht was“ ist eine wertungsfreie Feststellung.
Ansonsten ist Ihr Kommentar case in point, danke.
Wie besetzt man Posten… wenn die Agenda steht?
Uups!
Wie groß muss Inkompetenz sein, um deutschen Radikalnationalismus (Konservative Revolution) nicht als Agenda zu erkennen?
Bitte Bezug von „Post 2“ zu „Post 1“ erläutern!
„Post 1“ nimmt Bezug auf autokratische Prinzipien, bei denen Positionen mit Günstlingen und Loyalisten besetzt werden, nicht unbedingt mehr nach Kompetenz. Siehe USA.
„Post 2“ … ist von einer „KI mit Agenda“?
Dobrindt hat übrigens signifikant zur Einigung auf den Koalitionsvertrag beigetragen, ebenso zur Einigung mit den Grünen auf die GG-Änderung.
Maut war ein Desaster mit Ansage, aber das wollte Seehofer unbedingt.
Ansonsten etwas dünn der Artikel, was Digitalisierung angeht…