Der Generation Z ist es gleichgültig, was mit ihren Daten im Netz geschieht. Wer sein Leben auf Instagram teilt, so das weitverbreitete Vorurteil, kann kein ernsthaftes Interesse am Schutz persönlicher Informationen haben.
Diese Behauptung geht nicht nur am eigentlichen Problem vorbei, sondern sie legitimiert den kommerziellen Datenklau der Konzerne und die Kontrollfantasien staatlicher Akteure.
Tatsächlich wächst derzeit eine Generation heran, die soziale Medien als Räume politischer Teilhabe begreift und nutzt. Jugendverbände, Bewegungsinitiativen oder autonome Gruppen – sie alle nutzen soziale Medien, um sich zu vernetzen, auszutauschen und andere zu mobilisieren.
Doch gerade wer das Netz für politische Zwecke nutzt, macht sich vulnerabel. Zum einen gegenüber Big-Tech-Konzernen, die Daten sammeln und für kommerzielle Zwecke nutzen. Zum anderen gegenüber einem Staat, der ebenfalls gerne mehr darüber wissen möchte, was online ausgetauscht wird.
Eine neue Qualität der Ausspähung
Um politischen Einfluss auszuüben, ist Sichtbarkeit in sozialen Medien wichtig. Besonders Jugendliche verwenden Online-Netzwerke, um sich politisch zu organisieren. Instagram etwa nutzten 2023 rund 80 Prozent der unter 29-Jährigen, während es bei Menschen über 70 nur fünf Prozent waren. Doch Plattformen wie TikTok, Instagram oder WhatsApp verlangen Daten als Preis für Reichweite.
Die ökonomische Logik dahinter ist klar: Je mehr Daten gesammelt werden, desto besser lassen sich Verhaltensmuster analysieren, Vorlieben verkaufen und – in einem nächsten Schritt – möglicherweise politisch instrumentalisieren.
Die Ausspähung durch die Konzerne erreicht nun sogar eine neue Qualität. Meta hat angekündigt, seine KI-Modelle mit öffentlich zugänglichen Inhalten auf Facebook und Instagram zu trainieren – ohne dass Nutzer*innen dem ausdrücklich zustimmen müssen. Die Betroffenen müssen dem stattdessen aktiv widersprechen.
Politische Gruppen machen sich angreifbar
Gerade progressive, queere, migrantische oder feministische Gruppen, die soziale Medien nutzen, machen sich damit angreifbar. Denn sie verlassen sich auf Systeme, die nicht für sie gemacht wurden – sondern die gegen sie arbeiten können. TikTok, WhatsApp, Instagram und Co werden nicht kostenfrei bereitgestellt, um politische Partizipation zu ermöglichen. Der Zweck der Plattformen ist die Gewinnmaximierung. Und der Preis dafür sind eben allzu oft die Daten der Nutzer*innen.
Das ist kein abstraktes Problem, mit dem sich doch bitte Datenschützer*innen und Bürgerrechtler*innen beschäftigen sollen. Die Plattformen erheben Nutzungs-, Standort- und Gerätedaten der Nutzer*innen, damit sind die allermeisten Online-Aktivitäten einer Person nachverfolgbar. Wer dabei Zugriff auf welche Daten erlangt und an wen sie weitergegeben werden – ob an andere Konzerne oder staatliche Institutionen – bleibt dabei oft unklar. Mit dem Einsatz von KI-Technologien drohen sich diese Risiken zu verschärfen. Denn sie erleichtern es, Personen automatisiert zu identifizieren, soziale Netzwerke zu analysieren und potenziell „auffällige“ Inhalte zu klassifizieren.
Wenn Inhalte, die aus politischer Überzeugung gepostet werden – ein Banner auf einer Demo, ein politischer Aufruf oder der Like für einen regierungskritischen Post –, in KI-Systeme eingespeist werden, bedeutet das zweierlei: Erstens werden die Daten mit anderen Datensätzen in Verbindung gebracht, um bestimmte Muster aus ihnen abzuleiten. Zweitens weiß niemand, was mit den Daten später geschieht – an wen sie weitergegeben und für welche Zwecke sie verwendet werden.
In autoritären Staaten ist der Einsatz derartiger Instrumente bereits Realität. Und auch in Europa wird dieser zunehmend diskutiert, etwa die automatisierte Auswertung sozialer Medien für die Polizeiarbeit oder für die Migrationskontrolle.
Datenschutz als Selbstverteidigung
Insbesondere für oppositionelle politische Akteur:innen ist Datenschutz damit längst keine individuelle Entscheidung mehr, sondern wird schlichtweg zur politischen Notwendigkeit: Wer online politisch sichtbar sein will, muss sich technisch schützen. Nicht aus Paranoia, sondern aus Vorsicht. Und um langfristig handlungsfähig zu bleiben.
Diese sieben Schritte können konkret dabei helfen:
- Meta-KI widersprechen: Noch bis zum 26. Mai 2025 kann man der Verwendung der eigenen Daten für das KI-Training bei Meta widersprechen. Das sollten alle tun, die auf den Plattformen des Konzerns politische Inhalte teilen oder mit Accounts interagieren, die von Repressionen betroffen sein könnten. Vor allem all jene, die solche Accounts für Organisationen betreuen, sollten diesen Widerspruch einlegen. Eine einfache Anleitung, wie das geht, gibt es hier.
- Signal statt WhatsApp: So nervig es auch ist, immer wieder zwischen WhatsApp und Signal zu wechseln, weil die Oma entgegen vieler Anderer immer noch auf WhatsApp schreibt – es lohnt sich, den politischen Austausch auf Signal zu verlagern. Signal bietet Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und gibt keine Metadaten an Werbekonzerne weiter. Gerade für die interne Kommunikation politischer Gruppen ist die App die bessere Wahl.
- Nur notwendige Daten teilen: Immer wieder verbreiten politische Gruppen allzu freizügig die Adressen ihrer Treffpunkte oder die Klarnamen der Teilnehmer*innen über Social Media. Diese Daten sollten nicht geteilt werden, solange das nicht unbedingt notwendig ist. Auch sollten Online-Formulare, Mitgliederlisten oder Kampagnen-Tools aufs Nötigste reduziert werden.
- Keine Gesichter zeigen: Fotos von der politischen Demo, dem Sommerfest im besetzten Haus oder von der Ferienfreizeit zeigen, an welchen Orten sich wer wann aufgehalten hat. Wenn diese Bilder veröffentlicht werden, sollten die abgebildeten Gesichter verpixelt werden. Die schwarz-rote Koalition will die biometrische Internetfahndung einführen und dafür eine riesige biometrische Datenbank einrichten. Je weniger Bilder von Gesichtern also online zu finden sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, mit Hilfe einer solchen Software identifiziert zu werden.
- Cookies ablehnen: Bei der Recherche im Netz ist es wichtig, Tracking zu unterbinden. Erst vor wenigen Wochen urteilte das Verwaltungsgericht Hannover, dass Webseiten ihren Besucher:innen auch eine „Alles ablehnen“-Schaltfläche für Cookies anbieten müssen. Eine solch eindeutige Ablehnung ist sinnvoll, um möglichst wenig Datenspuren im Netz zu hinterlassen.
- Digitale Schutzräume aufbauen: Aufklärung in der eigenen Gruppe, Schulungen zu sicherer Kommunikation, gemeinsame Strategien zur Datensparsamkeit – all das stärkt die kollektive Sicherheit. Es sollten gemeinsame Absprachen getroffen werden: Welche Kommunikationskanäle werden genutzt? Was wird auf Social Media geteilt? Über welche Accounts wird auf welche Informationen zugegriffen?
- Im Zweifel gilt: Shut the f*ck up.
Der Staat will mehr, viel mehr Überwachung
Doch nicht nur Big-Tech will an unsere Daten: Derzeit wird der Wind rauer und der Ruf nach noch mehr Überwachung immer lauter. Union und SPD wollen auch die Vorratsdatenspeicherung neu auflegen, Staatstrojaner einsetzen und die Videoüberwachung ausbauen. Und erst kürzlich entschied der Bundesgerichtshof, dass Polizist*innen Beschuldigte unter bestimmten Bedingungen dazu zwingen dürfen, ihr Smartphone mit dem Fingerabdruck zu entsperren.
Gerade linke Organisationen – von Klimabewegungen über migrantische Selbstorganisation bis zu antifaschistischen Bündnissen – waren schon in der Vergangenheit Ziel staatlicher Überwachung und Kriminalisierung. Das wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern, zumal nicht auszuschließen ist, dass eines Tages auch eine gesichert rechtsextreme Partei in der Regierung sitzt. Und auch das Interesse großer Konzerne, unsere Daten zu erheben und weiterzuverarbeiten, wird nicht geringer werden. Umso wichtiger ist es schon heute, sich der eigenen digitalen Spur bewusst zu sein.
Politische Räume schützen!
Wer sich gegen Rechts, gegen Umweltzerstörung, gegen Patriarchat und Rassismus einsetzt, läuft Gefahr, beobachtet zu werden – von Unternehmen und von Behörden.
Vor allem junge Menschen brauchen daher Schutzrechte: für sich selbst, für die eigene Gruppe und die Vertretung der eigenen politischen Interessen. Digitale Räume sind politische Räume und sie dürfen nicht zu reinen Risikoräumen verkommen.
Einige Risiken können wir selbst mindern, indem wir Datennutzung widersprechen, Kommunikationskanäle wechseln und vor allem: indem wir nicht mehr von uns preisgeben als nötig.
In der Liste der empfohlenen Maßnahmen fehlt meines Erachtens die wichtigste: Schreibt Eure Abgeordneten im Bundestag und im EU Parlament an, um Euer Grundrecht auf Datenschutz einzufordern! Fragt nach, was Euer MdB oder MdEP tun will gegen rechtswidrige kommerzielle Datensammelei oder wie er oder sie überbordende staatliche Überwachung rechtfertigt. Lasst Euch nicht mit lauwarmen wischiwaschi Formulierungen abspeisen, sondern fragt im Zweifel noch ein weiteres Mal nach, was er oder sie KONKRET denkt oder tun will. Ja, das ist ein bisschen Arbeit, aber Demokratie funktioniert eben nicht ohne ein bisschen eigenen Einsatz.
Und auch hier gilt: Vielleicht werft Ihr mal den Drucker an statt eine Email rüberzuschicken. Nach meiner Erfahrung von mehreren Jahren, in denen ich Politiker angeschrieben habe, bekommt ein Brief so krass viel mehr Aufmerksamkeit als eine Email. Weil nämlich auch der Empfänger weiß: Da hat sich mal jemand Mühe gegeben.
Da wünsche ich besonders viel Spaß, wenn dann mit den Digitalen Identitäten, Digital- und Smartphonezwang und Identifizierungspflichten (am „besten“ wie vorgeschlagen schon auf dem Endgerät) jegliche Aktivität im Netz aber auch in der ehemals analogen Öffentlichkeit (Zugänge, ÖPNV, Kaufen/Verkaufen) getrackt werden kann, was dann von einer zentralisierten Infrastruktur mit KI und Palantir ausgewertet werden kann.
Dementsprechend verwundert kann man sein, dass diese autoritären Digitalisierungsentwicklungen bei den Klimabewegungen und linken Aktivist*innen relativ wenig oder zumindest nur leise Gegenstimmen/Interesse hervorrufen.
Ist es möglich, BGH Richter wegen Verfassung s feindlicher Entscheidung anzuzeigen? ….indem Kontext ist die Entscheidung Verfassung s widrig oder seh ich das falsch, und wie ist das mit Bundestags Abgeordneten die Verfassungswidrige Gesetze unterstützen ?
> 7. Im Zweifel gilt: Shut the f*ck up.
Das ist ein schlechter Rat, denn die Regel lautet nicht im Zweifel, sondern GENERELL!
Was ist das Problem politischen Aktivismus öffentlich zu machen, vorausgesetzt es geschieht friedlich, ohne Gewaltaufrufe und ohne Herabsetzungen des Kontrahenten? Eine gesunde Demokratie lebt vom regen Austausch der Positionen und von Vielfalt der Ansichten. Auch im Netz.
Dagegen ist ein ängstlich verengter Meinungskorridor ein sicheres Zeichen für Diktaturtendenzen.
Niemand will hoffen, dass in Deutschland schon wieder Sozialismusexperimente aufkommen und Meinungen zu Verbrechen erklärt werden. Der Osten ist da eine Erfahrung weiter.
Wenn es generell gilt, dann würde das bedeuten, gar keine politischen Äußerungen zu treffen. Dann wirkt die Überwachung aber erst recht. Ich kann fordern und habe je nach Sicht auch ein Recht darauf, nicht überwacht zu werden, aber ich möchte mich nicht aus Angst vor Überwachung von politischer Teilhabe ausschließen.
Was mir in diesem Beitrag fehlt, ist der Hinweis, dass das Verhalten von Meta grob rechtswidrig ist. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist laut DSGVO verboten, so lange es kein Gesetz in dieser ganz besonderen Situation erlaubt oder aber der Nutzer ausdrücklich zustimmt. Ich muss also nicht bei Meta widersprechen, sondern Meta muss meine Zustimmung einholen!
Mir scheint, dass sich sogar Netzpolitik damit abgefunden hat, dass die großen Tech-Konzerne sich nicht an Gesetzen orientieren, sondern nur daran, was technisch möglich ist. Damit wird dann aber rechtswidriges Verhalten normalisiert.
In der Liste der Empfehlungen fehlt das Einfachste: Sich vom Fortschrittsglauben emanzipieren und auf Technologie, die unkontrollierbare Spuren erzeugt, verzichten.
Ich widerspreche das meine Daten für Meta KI verwendet werden können.
„Meine Generation musste die eigenen Eltern davon abhalten, unpassende Dinge ins Internet zu schreiben. Und jetzt müssen wir unsere Kinder oder Enkel davon abhalten, das gleiche zu tun.“ – Quelle unbekannt.
Was mir durch den Kopf ging: wenn die Inhalte zum Training von KI verwendet werden, wie wird die KI ge-nudged, wenn sie keine progressiven, queeren, migrantischen oder feministischen Inhalte sieht, sondern nur mainstream oder schlimmer?
VerPixeln ist eine schlechte Idee.
Die Algorithmen zum EntPixeln werden immer besser. In ein paar Jahren wird das EntPixeln von Bildern von heute noch schneller und einfacher gehen
Bitte scheidet Gesichter ganz raus oder überlagert sie vollständig (mit Betonung auf vollständig).
Man kommt wieder zu Strichmännchen und Pappaufstellern!
Denn die richtigen Algorithmen kennen auch Kleidung und Haltung. Endlich Haltung!
Schön wäre mal eine Spy-Map, in der man sehen kann, wo überall schon die kleinen Datenspione unterwegs sind, die einen überwachen:
Direkt über das Smartphone oder den PC (Stichwort Betriebssystem)
diverse Apps darauf
beim Fernsehen
im Netz
beim Einkaufen (Parkplatzkameras, Kameras in den Läden)
über die Geldflüsse (Kreditinstitute, Banken – auch mit freundlichen „Kontoführungsapps“, die speichern, wofür man sein Geld ausgibt)
beim Arzt via ePa (wer braucht schon eine ärztliche Schweigepflicht) und Termindienste wie Docto*dings
im neueren Auto über die freundlichen Helferlein
über private Überwachungskameras inkl. Tonaufnahmen
über Websites wie my Herit…e, die sogar zum Einschicken von DNA auffordern (!)
…das wird sicher nicht alles sein.