Schengener InformationssystemJeden Tag 41 Millionen Fahndungsabfragen in Europa

Täglich erhalten die Mitgliedstaaten fast 1.100 Treffer aus dem Schengener Informationssystem. Die Zahl der Personenfahndungen stieg in vier Jahren um mehr als 50 Prozent. Deutschland bleibt Poweruser.

Granzübergang zu den Niederlanden mit einem Schild an einer Autobahn.
Bei den Suchläufen im Schengener Informationssystem liegen die Niederlande vorn. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Rüdiger Wölk

Beim Schengener Informationssystem (SIS II) gab es 2024 einen weiteren Anstieg bei Einträgen und Abfragen. Laut dem neuen Jahresbericht der EU-Agentur eu-LISA suchten Behörden der Schengen-Staaten täglich über 41 Millionen Mal in der Datenbank – mit fast 1.100 Treffern pro Tag. Besonders auffällig ist der Anstieg bei Personenfahndungen: 2022 waren noch rund 960.000 Einträge registriert, 2024 stieg diese Zahl auf fast 1,7 Millionen.

Im SIS II können die derzeit 29 Vollmitglieder des Schengener Abkommens Personen und Objekte – darunter Fahrzeuge, Boote, Flugzeuge, Waffen, Dokumente – zur Fahndung ausschreiben. Auch die verdeckte Fahndung ist möglich. Dabei werden bei einer Polizeikontrolle angetroffene Personen an eine interessierte Behörde gemeldet, ohne dass die Betroffenen davon erfahren.

Frankreich, Deutschland und Italien sind Hauptnutzer

Ein Grund für den immensen Zuwachs der Personenfahndungen ist eine neue Kategorie: Mit einer Reform für diese größte europäische Polizeidatenbank können seit 2023 auch Drittstaatsangehörige, gegen die eine Entscheidung zur Abschiebung vorliegt, im SIS II erfasst werden. Diese „Rückkehrentscheidungen“ machen inzwischen ein Drittel aller Personenfahndungen aus.

Noch häufiger sind Einträge zu Personen, denen die Einreise verweigert werden soll – sie machen etwa 38 Prozent der Fälle aus. Diese Art der Fahndung erfolgt etwa, nachdem die Person aus dem Schengen-Raum abgeschoben oder aus anderen Gründen mit einer Wiedereinreisesperre belegt worden ist.

Die meisten Einträge im SIS II stammen von Frankreich, das für fast ein Drittel aller Datensätze verantwortlich ist, gefolgt von Deutschland mit 17 Prozent und Italien mit 12 Prozent. Bei den Abfragen führen die Niederlande die Statistik an – sie lösten mehr als ein Viertel aller Suchläufe aus.

Mehr automatisierte Abfragen

Viele Abfragen der Datenbank erfolgen händisch, zum Beispiel bei einer Personenkontrolle, und werden von den Beamt:innen per Funk, Telefon, Computer oder auch biometrischem Scanner übermittelt. Automatisierte Abfragen, etwa durch Kennzeichenscanner, machen inzwischen zwei Drittel aller Suchen aus – damit setzt sich ein Trend aus den Vorjahren fort. Bekannt ist auch, dass die zunehmende Einführung von Passagierdatensystemen für viele automatisierte Suchläufe mit ganzen Listen sorgt.

Auch Vergleiche von Fingerabdrücken nahmen stark zu – hier verzeichnete eu-LISA einen Anstieg um zwei Drittel im Vergleich zum Vorjahr. Diese Funktion steht im SIS-Zentralsystem erst seit einigen Jahren zur Verfügung. Gesichtsbilder oder Handabdrücke können genauso wie DNA-Sequenzen zwar als Anhang zu einem Personeneintrag gespeichert, aber nicht abgefragt werden. Sie werden von der Polizei zur Identifizierung einer angetroffenen Person genutzt.

Elf Prozent mehr Fahndungstreffer

Mit dem neuen SIS II können auch Europol und Frontex das zentrale SIS durchsuchen – derzeit nutzen sie das in vergleichsweise niedrigem Ausmaß. Während die EU-Polizeiagentur 2024 fast eine halbe Million Abfragen vornahm (und damit noch weit unter dem Zwergstaat Liechtenstein liegt), wurden für die Grenzagentur nur rund 700 verzeichnet. Frontex nutzt das System bei Missionen in Italien und Zypern.

Die Zahl der erfolgreichen Treffer bei den Fahndungen stieg 2024 insgesamt um elf Prozent auf fast 400.000 Fälle. Zu einem Viertel betrafen diese Personen, die abgeschoben werden sollten – die mit Abstand größte Kategorie. An zweiter Stelle der Treffer standen Fahndungen nach Drittstaatsangehörigen, denen die Einreise verweigert werden sollte (73.067).

Die EU-Agentur eu-LISA betont deshalb die wachsende Bedeutung des Schengener Informationssystems für Grenzsicherung und Migrationsmanagement. Insgesamt mündete die Nutzung durch Grenzbehörden in 948 tatsächliche Abschiebungen.

2 Ergänzungen

    1. Isso. Eig ist der Artikel quasi eine gute Erfolgsnachricht, da endlich mal ein technisches Großprojekt in Europa im 21. Jahrhundert funktioniert. Nicht zu fassen, dass wir Digitalisierung doch können. :D

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