Ein weiterer Monat im Zeichen der Corona-Pandemie neigt sich dem Ende zu. Das Thema bestimmt unsere Arbeit nicht nur inhaltlich – weiterhin ist viel Home Office angesagt und eine gewisse Praktikantin ist weiterhin sehr traurig, dass sie die lieben Menschen in der Redaktion nur aus Telefonaten und Chats kennt. Einen tieferen Einblick, was Corona mit dem Team von netzpolitik.org anstellt, gibt Stefanie Talaska in ihren Transparenzberichten. Der vom Juli ist ganz frisch draußen und trauert vergangenen Klausurtagungen hinterher. Natürlich gibt es auch wie immer alle Zahlen und Fakten zu Einnahmen und Ausgaben.
Zahlen und Fakten zu den Einnahmen der Corona-Leugner:innen sammelten Daniel Laufer und Markus Reuter in der vorletzten Woche. Im Netzpolitik-Podcast mit Chris Köver gibt Daniel Einblick in die aufwendige Recherche. Fazit: Ein Transparenzbericht würde den Aktivist:innen gut zu Gesicht stehen.
Der wöchentliche Virus-Newsblog
Die Bundesregierung zog am Mittwoch gemeinsam mit SAP und Deutscher Telekom Bilanz nach hundert Tagen Corona-Warn-App. Die hohen Download-Zahlen erscheinen erfreulich, auch wenn sie zuletzt stagnierten. Verbesserungen gelobt man bei der Usability, denn immer noch zu wenige Nutzer:innen melden ihrer App ein positives Testergebnis.
Nachdem die Bundesregierung sich nach langen Diskussionen bei der Warn-App aus Datenschutzsicht auf ein sinnvolles Modell geeinigt hatte, war das Gesundheitsministerium im Mai auf Abwege geraten und wollte einen Immunitätsausweis für Menschen einführen, die eine Corona-Infektion hinter sich hatten. Der nach öffentlichen Protesten um Rat gefragte Ethikrat macht nun klar: Noch reicht die wissenschaftliche Evidenz nicht aus. Darüber, was bei gesichertem Wissen zu Immunität und Infektiosität geschehen soll, herrscht im Gremium aber Uneinigkeit.
Glasfaser phasenweise
Auch eine weitere App hat es in dieser Woche in die Schlagzeilen geschafft: die Funkloch-App der Bundesnetzagentur. Nutzer:innen können in der App melden, wo sie in ein Funkloch geraten sind. Eine kleine Anfrage im Bundestag zeigt aber nun, dass eigentlich keiner so genau weiß, ob die Daten einen Beitrag dazu leisten, die Versorgung mit Mobilfunk in Deutschland zu verbessern.
Vielleicht haben wir ja mehr Glück beim Breitbandausbau. Nach langem Hin und Her darf die Bundesregierung den Ausbau jetzt mit mehr Geld fördern. Der Markt regelt das schon, war jahrelang die Devise. Aber der Markt konnte eben auf dünn besiedelte Regionen verzichten. Dort kann der Staat nun nachhelfen. Die Netzbetreiber bekommen also neue Konkurrenz.
Geht der Ausbau mit Glasfaser in Dänemark schneller? Falls ja, liegt es daran, dass der Geheimdienst ganz gerne mal an den Glasfaserkabeln rumsäbelt und dabei praktischerweise die Daten der eigenen Bürger:innen mit nach Hause nimmt? Der Skandal um den dänischen Auslandsgeheimdienst weitet sich immer weiter aus. In dieser Woche wurden neue Details zur Zusammenarbeit mit der NSA bekannt.
Auge um Auge, Ohr um Ohr
Eigentlich wäre der dänische Geheimdienst damit ein heißer Anwärter auf einen Big Brother Award. Doch der konzentriert sich auf deutsche Datenschutzfaulenzer:innen und da gibt es ja durchaus auch genug Menschen und Firmen auszuzeichnen, die Augen und Ohren ein bisschen zu weit aufmachten. Tesla, die baden-württembergische Bildungsministerin, die Firma BrainCo und die Innenministerkonferenz durften sich über Auszeichnungen „freuen“.
Die Innenminister:innen bekamen den Preis übrigens für ihre Geschichtsvergessenheit. Ihre Pläne zur Einführung einer zentralen Personenkennziffer für die Registermodernisierung weckte bei den Veranstalter:innen Erinnerungen an dunkle Zeiten zweier deutscher Diktaturen. Und weil die Mütter und Väter des Grundgesetzes anscheinend wirklich smart waren, ist es nicht unwahrscheinlich, dass eine solche Ziffer gegen unsere Verfassung verstößt. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags.
Wollte man der Volksrepublik China einen Big Brother Award verleihen, wüsste man bei der Begründung wahrscheinlich gar nicht, wo man anfangen soll. Amnesty International fordert jetzt in einem Bericht, den Export von Überwachungstechnologie aus der EU nach China stärker zu regulieren. Besonders der Streit um Dual-Use-Technik zieht sich auf EU-Ebene schon seit langem.
Plattformen machen Schlagzeilen
Rund um die chinesischen Apps TikTok und WeChat war auch mal wieder was los. Eigentlich sollte TikTok schon Ende letzter Woche aus den App-Stores verschwinden. Doch eine Einigung in letzter Sekunde stimmte Trump nun gnädig, TikTok darf vorerst bleiben. Auch WeChat bleibt vorerst verfügbar. Ein Gericht hatte das Verbot der App gekippt.
Wie lange Trump als US-Präsident noch über Wohl und Wehe der Technologie-Branche entscheiden darf, steht erst nach der Wahl im November fest. Der Konzern Facebook trägt jedenfalls nichts dazu bei, dass der Wahlkampf fair abläuft. Nicht mal die eigenen sehr laxen Regeln für politische Online-Werbung setzt die Plattform durch. Beiträge, die schon als falsch oder irreführend entlarvt wurden, blieben oftmals trotzdem sichtbar.
Auch um Twitter gab es in dieser Woche Aufregung. User fanden heraus, dass der Algorithmus, der die Bildausschnitte für die Vorschau auswählt, weiße Gesichter Schwarzen vorzieht. Twitter kündigte an, die Mechanismen nochmal zu untersuchen, berichtet Chris Köver.
Schlechte und gute Ideen aus Europa
Tomas Rudl schreibt über interne EU-Dokumente zu Uploadfiltern, die netzpolitik.org veröffentlicht hat. Sie zeigen, wie der Streit zwischen der EU-Kommission und dem Rat auf der einen Seite und dem EU-Parlament auf der anderen Seite abläuft. Die Abgeordneten wollen verhindern, dass Uploadfilter eingeführt werden und das Löschen von Inhalten EU-weit gelten kann. Auch Aktivist:innen hatten im Zusammenhang mit Uploadfiltern schon vor dem Verlust der Meinungsfreiheit im Internet gewarnt.
Nicht besonders glorreich schlägt sich Innenminister Seehofer während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Es soll der Verschlüsselung an den Kragen gehen. Wie immer werden Ermittlungen gegen Kindesmissbrauch als Begründung angeführt, dem Staat Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation zu geben. Das wird weder dem Kampf gegen Kindesmissbrauch gerecht noch ist es als Grundrechtseingriff akzeptabel. Die Internetindustrie soll zu mehr Zusammenarbeit gezwungen werden.
Schwer vorstellbar, dass das den EU-Bürger:innen gefallen wird. Genauso wenig geben sie sich mit einer immer weiter verbreiteten Gesichtserkennung zufrieden. Eine Kampagne will jetzt ein EU-weites Verbot der automatischen Erhebung und Auswertung biometrischer Daten erreichen. Diese Technologie sei eine Waffen, so der Kampagnentext. Die zugehörige Petition kann weiterhin unterzeichnet werden.
Und sonst so?
Der Prototype Fund, ein Förderprogramm für soziale Innovationen sucht für seine neunte Förderrunde noch Technologie-Projekte, die das Gemeinwohl fördern. Open-Source-Entwickler:innen können finanzielle Unterstützung bekommen und von einem Netzwerk profitieren. Noch bis 30. September ist die Bewerbung möglich.
Von Chinas Blockade gegen die Wikimedia Foundation berichtet Leonhard Dobusch. Bereits seit 2019 sind alle Sprachversionen der Wikipedia in China nicht mehr erreichbar. Jetzt wehrte sich der chinesische Vertreter in der UN-Weltorganisation für geistiges Eigentum gegen eine Aufnahme der Wikimedia Foundation. Aus der EU kam keine Unterstützung.
Wenn ihr nach der Lektüre dieses Wochenrückblicks mit einige Fragenzeichen zurückbleibt, weil ihr vielleicht gar nicht wisst, was Breitband, Dual Use oder Open Source ist, wäre vielleicht die Bundeszentrale für digitale Aufklärung etwas für euch. Also irgendwann mal. Eine Wissensplattform soll Bürger:innen die wichtigsten Themen und Fragen der Digitalisierung barrierefrei erklären und zusammenfassen. Doch seit dem Start Anfang August ist nicht viel passiert. Eine kleine Anfrage zeigt: Vieles ist noch unklar.
Wir wünschen euch ein schönes Wochenende.
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