BreitbandausbauEU-Kommission gibt grünes Licht für mehr staatliche Hilfe

Nach jahrelangem Tauziehen hat die EU-Kommission dem Plan der Bundesregierung zugestimmt, den Breitbandausbau künftig mehr zu fördern. Die privaten Netzbetreiber werden sich jetzt warm anziehen müssen.

Grünes Licht für mehr staatliche Hilfe
Die EU-Kommission gibt grünes Licht für mehr staatliche Hilfe beim Breitbandausbau. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Carlos Alberto Gómez Iñiguez

Deutschland darf den Breitbandausbau künftig deutlich stärker fördern. Ab Anfang 2023 können auch Gebiete, die derzeit als verhältnismäßig gut versorgt gelten, Gigabit-Netze mit staatlicher Unterstützung errichten. Das teilte Andreas Scheuer (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, kürzlich den Bundestagsfraktionen der Regierungsparteien in einem Brief mit, den wir an dieser Stelle veröffentlichen.

Lange hatte die Bundesregierung mit der EU-Kommission verhandelt, um auch sogenannte „Graue Flecken“ mit öffentlichen Mitteln ausbauen zu können. Das sind Gebiete, in denen ein Netzbetreiber Download-Geschwindigkeiten von mindestens 30 Mbit/s liefert, darüber hinaus aber kaum Aussicht auf Gigabit-Leitungen besteht.

Schwer vermittelbare Ausbaurealität

Bislang schreiben EU-Regelungen vor, dass der Staat nur in „Weißen Flecken“ helfen darf, wo keine oder nur eine sehr eingeschränkte Internetversorgung besteht. Das soll verhindern, dass private Investitionen durch staatliche Zuschüsse verdrängt werden und so der freie Markt beschädigt wird.

Allerdings hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt, dass der marktgetriebene Ausbau an seine Grenzen stößt, wenn es kein oder nur wenig Geld zu verdienen gibt. Vor allem ländliche Regionen leiden darunter, zunehmend abgehängt zu werden, zum Nachteil der dort lebenden Menschen und der regionalen Wirtschaft.

Zudem löste die Förderrealität regelmäßig Kopfschütteln aus, weil in manchen Fällen ein Haushalt an ein modernes Netz angeschlossen wurde, das danebenliegende Haus aber nicht. Politisch ließ sich dies nur schwer vermitteln, lässt etwa der SPD-Digitalexperte Lars Klingbeil durchblicken.

Hier klicken, um den Inhalt von twitter.com anzuzeigen

Aufgreifschwellen fallen in zwei Schritten

„Eine zeitgemäße digitale Infrastruktur ist ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit einer Kommune“, schreibt Scheuer an die Bundestagsabgeordneten. Die Bundesregierung habe sich den flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen bis 2025 zum Ziel gesetzt, erinnert der Infrastrukturminister an das Versprechen, das noch aus der vergangenen Legislaturperiode stammt.

Die nun erzielte Einigung mit der EU-Kommission beruht auf einem Zwei-Stufen-Ansatz. In einem ersten Schritt sollen Gebiete förderfähig werden, wo noch keine Versorgung mit mindestens 100 Mbit/s gegeben ist. Bis das greifen kann, müssen noch einige Formalitäten geklärt werden. Das Bundesministerium rechnet damit, dies „voraussichtlich zum Jahresende“ umsetzen zu können.

Anfang 2023 soll diese letzte „Aufgreifschwelle“ von 100 Mbit/s endgültig fallen, ohne Neuverhandlungen nach sich zu ziehen. „Ab dann sind auch alle Haushalte förderfähig, für die noch keine gigabitfähigen Anschlüsse durch Telekommunikationsunternehmen in Sicht sind“, heißt es in dem Brief.

Netzbetreiber müssen neu rechnen

Die angesprochenen Netzbetreiber reagieren erwartungsgemäß irritiert. Sie fürchten die neue Konkurrenz, die auf sie zukommen und ihre bisherige Kalkulation ins Schleudern bringen dürfte. Zudem erwarten sie steigende Tiefbaukosten, wenn plötzlich überall im Land vermehrt ausgebaut wird. Dies könnte „den eigenwirtschaftlichen Ausbau von Jahr zu Jahr teurer und damit unwirtschaftlicher“ machen, sagt Jürgen Grützner vom Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (Vatm) in einer Stellungnahme.

Ähnlich tönt es aus dem Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), der viele regionale Netzbetreiber vertritt. Der Verband fordert in einer Pressemitteilung verbesserte Rahmenbedingungen für den eigenwirtschaftlichen Ausbau, beschleunigte Genehmigungsverfahren und den Abbau von Bürokratie.

Gleichzeitig habe der Staat eine Rolle zu spielen, sagt Sven Knapp, der Leiter des Breko-Hauptstadtbüros. „Natürlich ist als Ergänzung des eigenwirtschaftlichen Ausbaus eine staatliche Förderung wichtig“, sagt Knapp. Diese müsse aber dosiert eingesetzt werden und die richtigen Gebiete treffen.

„Um eine Verteilung von Fördermitteln mit der Gießkanne nach dem geplanten Wegfall der Aufgreifschwelle ab 2023 zu verhindern und die Sicherstellung des Vorrangs des marktgetriebenen Glasfaserausbaus zu gewährleisten, bedarf es eines klugen Priorisierungsmechanismus, der die Fördermittel dorthin lenkt, wo sie benötigt werden“, fordert Knapp.

Darauf pocht auch Margit Stumpp, Expertin für digitale Infrastruktur der grünen Bundestagsfraktion. „Die große Gefahr bei diesem erweiterten Förderverfahren ist der Umstand, dass Gebiete mit weniger als 30 Mbit/s aus dem Fokus geraten könnten“, warnt Stumpp. Oft handle es sich dabei um dünner besiedelte und damit für Unternehmen unwirtschaftliche Gebiete im ländlichen Raum, die abgehängt würden. Wirtschaftlich rentablere Regionen mit bereits knapp unter 100 Mbit/s, die kurzsichtig mit Kupfer ausgebaut wurden, dürften nicht erneut priorisiert werden, so Stumpp.

Mitschuld der privaten Betreiber

Mit einem leicht weinenden Auge begrüßt der Deutsche Landtagskreis die Einigung. „Das jetzt erreichte Ergebnis hätte man auch schon vor einem Jahr haben können“, sagt Kay Ruge von der Interessensvertretung vieler kommunaler Aufgabenträger gegenüber netzpolitik.org. Jetzt gehe es darum, nicht noch mehr Zeit zu verlieren und den Förderprozess schnell zu starten.

Seiner Auffassung nach haben „allerdings auch die privaten Telekommunikationsunternehmen ihren Anteil an der nun geplanten Regelung“, sagt Ruge. „Das Argument der Wirtschaft, ein Wegfall der Aufgreifschwelle führe zu unkontrolliertem Ausbau und Benachteiligung privater Unternehmen, war ein gefundenes Fressen für einige in der EU-Kommission“.

Update 18:30: Die Antwort von Margit Stumpp ging nach Veröffentlichung des Artikels ein und wurde nachträglich hinzugefügt.

1 Ergänzungen

  1. Statt direkt von Twitter einzubetten, solltet ihr überlegen, diese Inhalte über eure Server zu proxyen. Bei Dokumenten aller Art macht ihr das auch. Heise hat vor 2 Jahren ein Tool namens Embetty veröffentlicht, das einen solchen Inhalteproxy für Twitter, Youtube etc. anbietet. Siehe https://www.heise.de/newsticker/meldung/Embetty-Social-Media-Inhalte-datenschutzgerecht-einbinden-4060362.html.

    (Die Relevanz der Einbettung ist aber auch nicht ganz klar, der Artikel geht nicht darauf ein, sondern bezieht sich nur auf Aussagen von Politikern…)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.