Arbeitsprogramm der EU-Kommission 2015: Große Herausforderungen für digitale Grundrechte

Jean-Claude Juncker.

EDRi hat eine Kopie des Entwurfs zum Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2015 erhalten und veröffentlicht: Arbeitsprogramm der EU-Kommission 2015. Für diejenigen, die die Anhörungen der Kandidaten im EU-Parlament verfolgt haben, enthält dieser Entwurf keine großen Überraschungen. Allerdings zeigt er die große Anzahl an Vorschlägen und Initiativen, die in den kommenden Jahren einen direkten Einfluss auf unsere Grundrechte und -freiheiten haben werden. Juncker hat das Ziel, das Arbeitsprogramm am 16. Dezember in Straßburg zu verabschieden.

Dieser Gastbeitrag von European Digital Rights (EDRi) erschien zunächst auf edri.org. Übersetzung von Justin Hanney und Andre Meister.

Vorhabendokumentation der EU-Kommission

In einem Brief an die Kommissare erklärt er, dass der Programmentwurf aus neuen Initiativen, anhängigen Vorschlägen und Aufhebungen existierender Gesetze besteht – alles mit dem Ziel, seinen Zehn-Punkte-Plan für Europa durchzusetzen.

Neben der Bekanntgabe einer Liste bedeutsamer Initiativen und Vorschläge, lädt er alle Kommissare ein, zusätzliche Elemente vorzuschlagen – oder die Notwendigkeit der derzeit vorliegenden Vorschläge zu überprüfen – vor dem Hintergrund der „Mission Letters“, die zusammen mit den Nominierungen im September geschickt wurden.

Unter den neuen Initiativen im Entwurf finden sich im Arbeitsfeld „Digitaler Binnenmarkts“ der „Cybersicherheitsplan“ und die bereits angekündigte Reform der E-Privacy-Richtlinie (sobald es eine Einigung zur Datenschutzreform gibt).

Netzneutralität, Urheberrecht, Datenschutz

Zu den wichtigen neuen Initiativen, die zunächst vom Generalsekretariat vorgeschlagen wurden, verkündet die Kommission ein Paket für den digitalen Binnenmarkt (Q2 2015) und einen Vorschlag für eine Urheberrechtsreform (2015). Wie wir immer wieder betont haben, sind die derzeitigen Copyright-Regeln nicht mehr fit für das digitale Zeitalter. Eine Abkehr weg von den gescheiterten repressiven Maßnahmen hin zu einer umfassenden Reform wäre sehr zu begrüßen.

Darüber hinaus erwähnt das Dokument einen „möglichen geänderten Vorschlag für das Telekom-Paket“ – das könnte ein weiterer Anlauf sein, Regeln zur Netzneutralität zu untergraben. Derzeit diskutieren die EU-Mitgliedstaaten (im Rat) die „Verordnung zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation“ und könnten einige Regeln für Netzneutralität streichen, die das Europäischen Parlament aufgestellt hat. Wenn die Verordnung geändert wird, um diese Regeln zu schwächen, werden wir hart arbeiten müssen, um sicherzustellen, dass das Europäische Parlament hinter seiner Entscheidung steht, das offene Internet zu schützen.

Internationaler Freihandel und Digitaler Binnenmarkt

Außerdem kündigt die Kommission an, an einem „vernünftigen und ausgewogenen“ Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) zu arbeiten – eine bemerkenswert defensive Wortwahl. Warum sollte man betonen, dass TTIP „vernünftig und ausgewogen“ sein soll? Das macht natürlich nur Sinn, wenn die Gefahr besteht, dass genau das eben nicht der Fall ist. TTIP wird sicherlich eins der wichtigsten Dossiers für digitale Bürgerrechte, mit denen EDRi im kommenden Jahr zu tun haben wird. Das gilt nicht nur für die generellen Bedenken zur Transparenz der Verhandlungen, sondern auch für eine etwaige Aufnahme von Bestimmungen zu Datenschutz, Selbstjustiz von Internet-Unternehmen und Urheberrecht.

Im Bereich Justiz und Grundrechte, kündigt die Kommission den lang ersehnten Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und den Abschluss von Verhandlungen über ein umfassendes Datenschutzabkommen mit den USA an. Ein Abschluss dieser beiden Verhandlungs-Stränge würde das Ende eines langen Prozesses bedeuten. Der Beitritt der Europäischen Kommission zur Europäischen Menschenrechtskonvention wäre ein historischer Schritt, und ist eine wichtige, erneute Bestätigung, dass jede Art von Grundrechts-Einschränkung „gesetzlich vorgesehen“ sein muss (Artikel 10 EMRK).

Menschenrechtskonvention und Transparenzregister

Schließlich begrüßen wir die Ankündigung der Kommission, die Arbeit ihrer einzelnen Institutionen transparenter zu machen. Der Programmentwurf erwähnt die Einführung einer inter-institutionellen Vereinbarung, ein verpflichtendes Lobbyregister für Parlament, Rat und Kommission einzurichten. Dieser Schritt ist längst überfällig. Die vorherige Kommission hat einige grauenhafte Gewohnheiten über Transparenz entwickelt und den Zugang zu Dokumenten unnötig bürokratisch und schwer gestaltet – wir begrüßen alle Versuche, diesen Ansatz zur Geschichte zu machen.

Es gibt mehr als genug Arbeit für European Digital Rights (EDRi) in dieser neuen Legislaturperiode. Während die Kommission ihr Arbeitsprogramm fertigstellt, arbeitet EDRi an einer Spendenkampagne, die in den nächsten Wochen gestartet wird. Mehr als je zuvor braucht EDRi eure Unterstützung, um eure Rechte und Freiheiten auf EU-Ebene weiterhin zu verteidigen.

2 Ergänzungen

  1. „Warum sollte man betonen, dass TTIP “vernünftig und ausgewogen” sein soll?“

    Ihr seit aber auch fies, hier den Freud zu geben. Dass TTIP nicht das einzige defekte Handelsabkommen ist, dass man afrikanische Staaten regelrecht erpresst, muss dann kaum mehr gesagt werden…

    Zur Netzneutralität mache ich mir wenig „Sorgen“ (na ja, nicht wirklich). Echtes Internet könnte ein Geschäftsmodell werden, besonders, wo die Anwendungen nicht nur die Steuerung der Heizung ausmachen werden – mit „Premium“ werden die niemals der Entwicklung hinterher kommen. Was alternativ geschehen könnte ist, dass man in einigen Jahren über die Zerschlagung von Konzernen nachdenken muss, weil große Zugangsanbieter mit Premiumzusätzen jegliche Konkurrenz nach Belieben verhungern lassen können. Das nennt man dann eine unzulässige marktbeherrschende Stellung.

    So oder so bedeutet das früher oder später eine Trennung von Inhalte- und Zugangsanbietern. IPTV, VoIP, Mediendienste okay, doch nicht mehr von der Firma, die Internetzugang anbietet. Sie dürften nicht einmal mehr Mail anbieten. Diese Idee dürfte den Telekomikern nicht so sehr gefallen. Ich halte ihre Geschäftsstrategie für wirtschaftlich unklug. Alleine der Konkurrenzdruck dürfte erheblich wachsen. Die Schlacht wird mörderisch und die Telekom ist nicht als besonders flexibel bekannt. Auch eine Art von Selbstzerstörung, die mit der Festschreibung von Netzneutralität in eigenem Interesse leicht verhindert werden kann.

    Es könnte schließlich sein, dass der Mark das regelt. Wenn wir jedoch so sehr auf TV und Konsum stehen, dann haben wir es nicht besser verdient.

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