Zwischen dem 29. September und dem 7. Oktober fanden die Anhörungen der designierten Kommissare im Europäischen Parlament statt. Dies ist eine kurze Zusammenfassung der sechs Anhörungen, in denen die designierten Kommissare die Fragen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Bezug auf digitale Rechte, Schutz der Privatsphäre und Handelsabkommen beantwortet haben.
Dieser Artikel wurde zuerst auf edri.org veröffentlicht. Die Übersetzung stammt von Justin, danke dafür!
Günther Oettinger (Deutschland) ist der Nominierte für digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Cecilia Malmström (Schweden) wurde als designierte Kommissarin für Handel nominiert. Dimitris Avramopoulos (Griechenland) ist der designierte Kommissar für Migration und Inneres. Věra Jourová (Tschechische Republik) ist für die Position der Kommissarin für Justiz, Verbraucher und die Gleichstellung der Geschlechter nominiert. Andrus Ansip (Estland) will das Amt des Vize-Präsidenten für Digitalen Binnemarkt übernehmen. Frans Timmermans (Niederlande) wird voraussichtlich erster Vize-Präsident und Kommissar für Regulierung, inter-institutionelle Beziehungen, Rechtsstaatlichkeit und die Charta der Grundrechte.
Günther Oettinger wurde zu den notwendigen Schritten für einen erfolgreichen Umgang mit Cloud Computing und dem Big-Data-Bereich befragt. Er antwortete, dass wir eine EU-weite Gesetzgebung für Cloud-Dienste brauchen. Bei den Themen des „Rechts auf Vergessenwerden“, der Vorratsdatenspeicherung und -verarbeitung blieb er strikt auf Linie der bereits existierenden Kommissionspolitik. Er sagte, dass Daten nicht dauerhaft gespeichert werden sollten und Bürger Zugang zu den über sie gespeicherten Daten bekommen sollten. Das „Recht auf Vergessenwerden“ bietet seiner Aussage nach zusätzlichen Schutz. Er sieht es als Grundrecht an.
Schlagzeilen machte Oettinger als er die Prominenten, die ihre sensiblen Daten in den kürzlich gehackten Cloud-Diensten gespeichert hatten, als dumm bezeichnete. Gleichzeitig lobte er Cloud-Dienste für ihre wirtschaftliche Effizienz und Umweltfreundlickeit sowie für ihre Fähigkeit, „den Kunden maßgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen bieten zu können“.
Cecilia Malmström bezeichnete das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) in ihrer Eröffnungsrede als die wichtigste Herausforderung der näheren Zukunft. Die durch TTIP ermöglichten Streitbeilegungsverfahren zwischen Investoren und Staaten (ISDS) wurden ausgiebig erörtert. Malmström versprach, dass beide verhandelnden Seiten an einem Einverständnis inklusive ISDS sehr interessiert wären. Ausweichend erklärte Malmström, dass ISDS nicht zwangsweise in TTIP integriert werden müsse, wohingegen das ebenfalls geplante Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) ohne ISDS nicht zustande kommen werde. In diesem Falle würde sie ISDS unterstützen, während sie sich durchaus gewillt zeigte, dies in TTIP nicht zu tun. Sie wurde auch zu ihrer geheimen Diskussion mit der US-Regierung über eine unveröffentlichte Entwurfsfassung der EU-Datenschutzverordnung befragt, die es laut einer von EDRi publizierten E-Mail gegeben hat. Sie bestritt zunächst die Echtheit der „geleakten“ E-Mail, die tatsächlich auf eine Anfrage im Namen der Informationsfreiheit herausgegeben worden war. Anschließend wurde sie aufgefordert, die Echtheit dieser Email öffentlich anzuerkennen.
Dimitris Avramopoulos beantwortete die Fragen des Europäischen Parlaments zur Umsetzung des EuGH Urteils über Vorratsdatenspeicherung wie folgt: „In Ermangelung einer EU-Gesetzgebung ist eine Vorratsdatenspeicherung auf nationaler Ebene notwendig. Mitgliedstaaten können immer noch eine eigene, nationale Gesetzgebung zur Vorratsdatenspeicherung einführen, die sowohl der sogenannten E-Privacy-Richtlinie entspricht als auch den jeweils eigenen konstitutionellen Prinzipien.“ Der Verweis auf die E-Privacy-Richtlinie ist deshalb bedeutend, weil er zeigt, dass der Kommissionsabgeordnete bereit ist, die Position, dass Vorratsdatenspeicherung unter EU-Recht fällt, zu verteidigen. Avramopoulos musste sich auch den Fragen der Abgeordneten zur Gültigkeit des Fluggastdatenspeicherung (Passenger Name Record – kurz PNR) nach dem Gerichtsbeschluss zur Vorratsdatenspeicherung stellen. Er antwortete, dass Gerichtsbeschlüsse Voraussetzung für jede zukünftige politische Handlung wären. In Europa würden bald neue Entscheidungen gültig und sie sollten horizontal eingeführt werden.
Věra Jourová zählte die schnelle Einführung einer modernen EU-Datenschutzreform in den ersten sechs Monaten ihrer Amtszeit zu ihren Prioritäten. Auf die Fragen bezüglich eines „Regenschirm-Abkommens“, also einem Datenaustausch mit den USA zur Strafverfolgung und Safe Harbor (einer Entscheidung über die allgemeinen Regeln dieses Datenaustausches) hob sie hervor, beide seien entscheidend um das Vertrauen zwischen der EU und den USA wiederherzustellen. Die Bedingungen von Safe Harbor müssten allerdings wirklich sicher sein. Sie versprach, diese Themen zu analysieren und versicherte, den Schutz von Privatsphäre und Datensicherheit immer ernst zu nehmen.
Andrus Ansip will sich auf Datenschutz, die Regulierung von Telekommunikationsunternehmen und Cyber-Sicherheit konzentrieren, um so faire Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen zu sichern. Außerdem betonte er die Bedeutung von E-Commerce und E-Government. Er sagte, dass Europas Binnenmarkt noch nicht für das digitale Zeitalter bereit sei. Dennoch möchte er, dass nicht alles über die EU reguliert wird. Ansip versprach, auf die Urheberrechtsreform zu achten und Hindernisse für den grenzüberschreitenden Online-Handel abzubauen. Weiterhin versprach er die Einführung von E-lnvoices (Elektronische Rechnungen) und E-Procurement in die EU-Kommission bis 2015, ebenso wie elektronische Unterschriften bis zum Ende seines Mandats. Auch Ansip verlangt Änderungen von Safe Harbor. Desweiteren findet er die Ausnahmen zur „nationalen Sicherheit“ der USA darin beunruhigend und ist bereit, das Abkommen aufzuheben, sollten die zukünftigen Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten dahingehend keine zufriedenstellenden Resultate bringen. Ansip sprach sich auch gegen das Geoblocking von Online-Inhalten aus.
Frans Timmermans versprach ein starkes Engagement für die Achtung der Grundrechte.
Er möchte als Kommissar für Grundrechte weiter gehen als sein bereits sehr aktiver und ehrgeiziger Vorgänger. Zudem will er ein verpflichtendes Register für Lobbyisten einführen. Ob er in der Lage ist, seine Vorhaben für Transparenz und Demokratie durchzusetzen und so das schreckliche Verhalten beim Zugang zu Dokumenten der scheidenden Kommission umzukehren, bleibt abzuwarten.
Da sind doch ein paar Lichtblicke drunter. Vielleicht schafft Herr Ansip es ja sogar, die Deutschen vorm eigenen ex-Monopolisten zu retten. „Deus ex Estonia“ im fünften Akt, sozusagen.
Und dass man als Este unter Geoblocking nichts zu lachen hat, zahlt sich hoffentlich jetzt für uns alle aus. Wenn man YLE (finnisches Staatsfernsehen) in Estland ebensowenig streamen kann wie hier in Deutschland, dann haben der Mann und seine Lansleute den Frust über Geoblocking bereits in den Knochen sitzen.