The Boy in the Bubble hat ein paar lesenswerte Gedanken angestellt zur Frage, wie groß die "Netz-Freiheits"-Bewegung eigentlich ist. Er hat das anhand der Stimmen für die Piratenpartei und der MitzeichnerInnen für die Petition gegen Netzsperren gemacht. Ich halte das nicht für ganz ausreichend, weil es auch bei den Grünen, der FDP und auch einigen anderen Parteien InternetversteherInnen gibt.
Aber die Mobilisierbarkeit für explizite Netz-Themen als Indikator ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Das betrifft nämlich auch die Frage, wie weit es eine wirkliche soziale Bewegung rund um das Netz gibt, oder wie weit das nur ein Anhängsel von anderen politischen Strömungen (v.a. politischer Liberalismus in orange-schwarzer, grüner oder blau-gelber Form) ist.
Was mir dabei Mut macht, jenseits der Wahlstimmen-Daumenpeilungen:
Aber jedenfalls wissen wir jetzt ziemlich genau, wie viele wir sind. Wir sind eine halbe Million Menschen. Und das sind noch zu wenige, um von der “großen” Politik ernstgenommen zu werden. Aber ein bisschen was hat das Ganze von der Friedens- und Ökobewegung, die Ende der 70er zu wachsen begann, und über die BAP sungen: “Mir weede immer mieh, hoffentlich immer mieh, denn nur su hahle mer se op!”
Ja, vergesst meinetwegen Kölsch (auch wenn BAP damals eine meiner Lieblings-Polit-Bands neben Ton, Steine Scherben waren). Aber hey, als wir mit dem AK Vorrat vor dreieinhalb Jahren angefangen haben, waren wir an vier Händen abzuzählen.
Also: Auf der nächsten Demo "Freiheit statt Angst" (12.9. in Berlin) echte hunderttausend TeilnehmerInnen und mehr zu haben, das wär schon ziemlich klasse. Die ist übrigens eine Woche vor der Bundestagswahl.
Ich glaube die Rechnung von Boy in a Bubble geht überhaupt nicht auf. Ich denke es gibt sehr viele, die für die Erhaltung der Meinungsfreiheit, Privatsphäre und Datenschutz sind. Doch viele wählen trotzdem Parteien bei denen sie ihre politischen Anliegen besser umgesetzt sehen. Die Piratenpartei ist einfach zu klein, zu Einseitig und der Name ist abschreckend unseriös. Ich glaube also, dass wir mehr sind und dass es noch mehr werden
Naja uns fehlt halt ne Lobby, die Geld hat und so die Politik zu ihren Gunsten verändern kann.
Und weiter ist es schwer Argumente zu bringen für mehr Freiheit bzw. wiederherstellung verlorener Freiheiten. Denn jedesma wenn die wieder mit so nen Gesetz kommen, dann kann man sicher sein, dass pünktlich vor der Abstimmung drüber wieder man ein Terroranschlag vereitelt wird, irgend ein Kipo-Fall oder sonst was auftaucht. Alles bloss Zufall? ;) Sicher nich.
Das einzige bisschen Demokratie, dass es noch gibt, ist noch das Bundesverfassungsgericht, aber auch deren Entscheidungen sind schon zu sehr dem Überwachungsstaat zugeneigt.
Online-Durchsuchung, VDS, all das Zeugs gehört gefälligst sofort wieder abgeschaft und die Politiker, die das ausgearbeitet und dafür gestimmt haben, sofort aus ihren Ämtern gejagt.
Auch ich glaube, dass die Zahl der Piratenpartei-Wähler != Zahl von „uns“ ist. Mir bspw. waren die Piraten in einigen Punkten zu unerfahren, bzw. dort haben andere Parteien meine Meinung besser vertreten.
Ständig erzähle ich Leuten von der VDS, von Zensursula, von dem ganzen anderen Sch***, den hauptsächlich die CDU ersonnen hat, allen voran der Herr im Rollstuhl. Ich versuche zu überzeugen, damit die Leute aufwachen.
Wir wachsen, davon bin ich überzeugt. Hoffentlich dauert es bloß nicht zu lange..
Wir sind sehr viele, ohne Zweifel, und das ist auch gut so. Und noch besser, wir werden immer mehr, und lassen uns von der Layenguttenbergischem Gesabber nicht in die Irre führen. Wir sollten uns nur stärker organisieren, da sind unsere Macher gefragt. Wir müssen uns in allen Medien dauerhaft positionieren, den Menschen in diesem Land erklären warum unser Anliegen uns alle angeht, und richtig und wichtig ist. Und mit den Politikern werden wir auch fertig. Gemeinsam sind wir stark. Auf in den Kampf!
Ich denke die „Blase“ ist nicht mit den Piraten gleich zu setzen. Ich kenne viele Leute, denen Netz-Bürgerrechte Themen extrem wichtig sind und die nicht Piraten gewählt haben. Die Gründe können vielfältig sein:
* Eine Stimme für die Piraten verloren ist, wenn sie nicht über 5% kommen, was man auch nicht erwartet.
* Die Piraten haben zwar viel richtige Kritik und gute Positionen, aber keine Konzepte.
* Viele Software Entwickler und Künstler denken auch, wenn sie Piraten wählen, sie am Ende ihren Job los sind, da die Piraten Raubkopien legalisieren wollen. Obwohl sie mit allen anderen Themen sympathisieren und vielleicht auf eine Reform des Geistigen Eigentums befürworten würden.
* Leider machen einige Piraten den Eindruck, die Sache nicht wirklich ernst zu nehmen. Man siehe Knut Bänch (http://piratenpartei.net/kandidaten/).
* Darüber hinaus gibt es noch viele Menschen, für die Netzthemen nicht das alleinige interessante Thema in der Politik sind. Die Piraten habe aber darüber hinaus nicht viel zu bieten. Sind sich ja auch bei vielen Themen nicht einig, da ihnen keine grundlegende Philosophie zugrunde liegt.
Ich finde jeder dieser Punkte ist nachvollziehbar. Aus diesem Grunde denke ich, ist das Potenzial der Blase viel viel höher. Ich denke, es braucht eine neue, moderne und bürgernahe Politik in der sich junge Menschen und Netzbürger wieder finden können. Ich hoffe eine solche wird sich entwickeln. Vielleicht wird diese sogar irgendwann aus den Piraten hervorgehen.
Ich schließe mich den Vor-Kommentatoren an: die Piratenpartei als Gradmesser für die Anzahl der Netzfreiheitskämpfer zu verwenden ist zu kurz gegriffen (gründe kann man ja oben lesen).
Für mich bleibt die Frage, welcher Partei ich die Stimme geben kann und die mich einigermaßen vertritt (also auch über die 5% Hürde kommt)…
Ich fürchte da bleiben nur die „kleinen“ Parteien – Linke, Grüne, FDP.
Die Linke ist aber meiner Meinung nach ein Haufen alter, verbitterter Männer – ohne aktuelles Technikverständnis ==> nicht hilfreich
Die FDP hat eine relativ große Basis an jungen, netz-afinen Leuten, die zumindest das Netz nicht ausdrucken.
Die Grünen – naja. Die könnten grundsätzlich auch meine Internet-Meinung transportieren.
Sehr viel mehr Alternativen sehe ich derzeit nicht, wenn ich meine Stimme einer Partei geben möchte, bei der ich weiß, dass sie auch im Parlament sitzt….
@Ralf: Wir hatten uns am Rande der SIGINT getroffen und u.a. genau diese Frage diskutiert:
„Das betrifft nämlich auch die Frage, wie weit es eine wirkliche soziale Bewegung rund um das Netz gibt, oder wie weit das nur ein Anhängsel von anderen politischen Strömungen ist.“
Und ich bin nach wie vor der Meinung, dass man hier noch nicht von einer sozialen Bewegung sprechen kann. Dafür fehlt es meiner Meinung nach einerseits an einem gemeinsamen Framing, einer kollektiven Identität, der Vernetzung mit anderen gesellschaftlichen Akteuren und vor allem der gesellschaftspolitischen Rückkopplung. Klar, es gibt einige Problemdiagnosen, so die Annahme einer stetig zunehmenden Versicherheitlichung der Gesellschaft, gepaart mit abnehmenden sozialen Netzen, die Privatisierung von Sicherheit und etliche weitere. Weitgehend ist man dagegen, aber von anschluss- oder gar mehrheitsfähigen politische Programmen ist die „Bewegung“ noch meilenweit entfernt.
Und leider bin ich auch sehr skeptisch, dass sich daran in naher Zukunft etwas ändern wird. Das liegt an verschiedenen Sachverhalten, von denen ich mal exemplarisch vier herausgreife:
1) Wahlbeteiligung / Altersverteilung (BT-Wahl 2005)
71,9 % Wahlbeiteiligung bei den unter 40jährigen
80,8 % Wahlbeiteiligung bei den über 40jährigen
20,3 Mio Wahlberechtigte unter 40
41,6 Mio Wahlberechtigte über 40
2) Strukturelle Unterlegenheit
Im Politikfeld, in dem die neue Bewegung agiert (Innere Sicherheit) gibt es kaum Ansatzpunkte der politischen Mitgestaltung. Das ist ein Grund dafür, dass seit der Notstandsgesetzgebung keine nachhaltige Evaluation und Revision der deutschen Sicherheitsarchitektur stattgefunden hat. Maßgebliches Aktionsfeld von Bürgerrechtsbewegungen ist somit seither vor allem die öffentliche Wahrnehmung. Und in diesem Bereich ist es sehr schwer, anschlussfähige Konzepte zu erarbeiten (vgl. 1), die auf den Mainstream überspringen.
3) Materielle Unterlegenheit
Bürgerrechtsbewegungen verfügen kaum über materielle Ressourcen, die sie in politische Macht transformieren könnten. Da sieht es auf Seiten der Sicherheitsindustrie schon anders aus (Biometie, RFID, DPI).
4) Ideelle Unterlegenheit
Freiheit vs Sicherheit. Sicherheit enthält immer einen positiven Charakter: Herstellung von Recht und Ordnung, Durchsetzen des Guten. Deshalb ist nahezu jegliche Politik, die der Herstellung von Sicherheit dient, gesellschaftlich anschlussfähig. Dem gegenüber impliziert Freiheit auch eine Gefahr, ein Risiko, sowie den Anspruch auf Selbstverantwortung. In einer Gesellschaft, die zunehmend entsozialisiert erscheint, in der die individuellen Risiken immens zunehmen (Risikogesellschaft), ist nicht zu erwarten, dass der liberale Freiheitsgedanke gegenüber staatlicher Sicherheitsvorsorge Mehrheiten schafft.
„Die Piratenpartei … der Name ist abschreckend unseriös.“
Sowas geht mir auch durch den Kopf. Anderes Beispiel wären „Die Guten“ die bei Radio-Utopie protegiert werden.
Allerdings: was spricht gegen, ähnlich bei beim Sparten-TV bzw. -Radio, Klientelparteien (welche das Wählerpotenzial direkt abholen)? Wenn man gezielt auf Erstwähler bis Mitte 30 zielt, ist Potenzial genug da, um die 5% zu schaffen.
Andererseits: habe jetzt wieder in Auswertung der Europawahlen phlegmatisch-letargische Klassen im Sozialkundeunterricht erleben dürfen. Totales Desinteresse. Gymnasiasten, die bis zum nächsten F*** denken. Au weia. – Na gut, Ferien sind nicht mehr weit weg…^^
Mir ist nicht so ganz klar, wo die halbe Million herkommt. Die Piraten haben in Deutschland laut vorläufigem Bundesergebnis 229.117 Stimmen (0,9%) bekommen. Interessant ist nur die Zahl der Leute, die tatsächlich zur Wahl gehen. Wenn man noch ein paar Nicht-Wahlberechtigte (U18) dazu zählt, wäre das eine ansehnliche Menge auf der Straße und gäbe ein nettes Bild.
Die Veranstalter solcher Demonstrationen greifen natürlich immer gern zu höheren Zahlen, die sich nicht mit denen der Polizei decken.
Die Antwort auf die Frage, wieviel wir sind, lautet ca. 200.000 Leute. Vorraussichtlich ein bisschen mehr als ein halbes Prozent bei der Bundestagswahl. Alles andere sind ungelegte Eier, um nicht zu sagen Wunschdenken.
Gegen Zensur im Netz ist doch jeder. Dazu brauche ich keine eigene Partei.
Ich wüsste auch nicht, was in Deutschland nicht im Internet veröffentlicht werden könnte.
noch nicht genug!
ich konter das mal mit Rio.
Allein machen sie dich ein …
Allein war ich zuletzt in der Wahlkabine – hat ganz gut geklappt!
Zu zweit, zu dritt zu viern …
Kann man ganz schön viel Blödsinn machen ,)
Zu hundert oder tausend …
Oder hundertausend – bei 115000 Mitzeichner und 220000 Piratenstimmen wäre ja noch Potential für die Petition vorhanden!
In dem Land in dem wir wohnen …
gibt es am 12. September die Möglichkeit zu zeigen, dass wir echt viele sind!
Die Zeit spielt für uns. Die Internetausdrucker gibt es in ein paar Jahren einfach nicht mehr.
Netzsperren sind falsch und müssen verhindert werden, aber sie sind nicht alles auf der Welt!
Es gibt, Familien- und Gesundheitspolitik, Umweltpolitik, Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Intergrations- und Gleichstellungspolitik, Kulturpolitik… Soll man das alles ignorieren? Die Piraten waren mir vor zwei Monaten schon zu monothematisch:
http://dieerklaerung.wordpress.com/2009/04/27/piraten-uberall/
Hoffentlich kommen viele TeilnehmerInnen und TeilnehmerAussen am 12.09. nach Berlin! Es muss eine friedliche und machtvolle Demonstration unseres Freiheitswillens werden!
Durchzählen!
1
Zu den Zahlen hier: Es waren ca. 230.000 Wähler bei den Europawahlen. Richtig. Aber seitdem haben wesentlich mehr Vertrauen in einen möglichen Erfolg der Piratenpartei. In meinem Freundeskreis sind aus 0 Wählern min. 15 geworden, von denen ich weiß. Und eher der geringere Teil davon ist Informatiker.
Das bei Demos in keinster Weise die tatsächlich Gruppengröße anwesend ist, ist wohl auch klar: Bei der letzten FSA(08) hätte es mich 100 Euro gekostet, an der Demo teilzunehmen. Geld, dass ich ehrlich gesagt nicht so leicht habe und ausgeben möchte.